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Veröffentlicht am 03.02.2022 10:08

Katholiken planen Reformen - Bischöfe rütteln am Zölibat

Laut dem Missbrauchsgutachten sollen Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern im Erzbistum München und Freising nicht angemessen behandelt worden sein. (Foto: Axel Heimken/dpa)
Laut dem Missbrauchsgutachten sollen Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern im Erzbistum München und Freising nicht angemessen behandelt worden sein. (Foto: Axel Heimken/dpa)
Laut dem Missbrauchsgutachten sollen Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern im Erzbistum München und Freising nicht angemessen behandelt worden sein. (Foto: Axel Heimken/dpa)

Unter deutlich gestiegenem Erwartungsdruck hat in Frankfurt/Main die dritte Synodalversammlung zur Reform der katholischen Kirche begonnen.

Bis Samstag könnten dabei bereits erste konkrete Beschlüsse gefasst werden, betonte das Präsidium. Diskutiert werden zum Beispiel Segnungen für homosexuelle Paare, Mitsprache von Gläubigen bei der Bischofswahl und eine Lockerung des Zölibats. Den Reformbeschlüssen müssen allerdings immer auch zwei Drittel der Bischöfe zustimmen.

Die ersten Voten stellten das Signal auf Reform: Am Abend einigten sich die Delegierten nicht nur verbindlich auf den Orientierungstext des Präsidiums, sondern beschlossen auch den Grundtext über Macht und Gewalt in der Kirche. In dem Text geht es unter anderem um eine Reform kirchlicher Machtstrukturen, um Pluralität und die besondere Bedeutung der Stimmen der von sexualisierter Gewalt betroffenen Menschen. Bei insgesamt 207 abgegebenen Stimmen gab es 24 Nein-Stimmen und fünf Enthaltungen, 178 Delegierte votierten für den Text. Besonders erfasst wurden die Stimmen der Bischöfe sowie der nicht-männlichen Delegierten: Bei den Bischöfen stimmten 74,07 Prozent für den Text, bei den 67 nicht-männlichen Voten gab es sogar 92,5 Prozent Zustimmung.

Die Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens und die damit verbundene Falschaussage von Papst Benedikt haben in der Kirche eine Atmosphäre der Dringlichkeit erzeugt. „München hat die Situation nochmal ernster gemacht, als sie es längst schon ist“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing. Unabhängige Gutachter hatten aufeinander folgenden Münchner Erzbischöfen und anderen Verantwortlichen Versagen beim Umgang mit sexuellem Kindesmissbrauch vorgeworfen.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sprach sich kurz vor Beginn der Synodalversammlung für die Abschaffung des Pflichtzölibats aus. „Es wäre besser für alle, die Möglichkeit für zölibatäre und verheiratete Priester zu schaffen“, sagte Marx der „Süddeutschen Zeitung“. „Bei manchen Priestern wäre es besser, sie wären verheiratet. Nicht nur aus sexuellen Gründen, sondern weil es für ihr Leben besser wäre und sie nicht einsam wären.“

Bätzing schloss sich dem an. Er sei nicht gegen den Zölibat, betonte er, aber er sei dafür, dass es den Priestern freigestellt werde, ob sie ehelos leben wollten. „Das war immer meine Überzeugung: Ich kann nicht sehen, dass nicht die Ehe und das Priesteramt eine gemeinsame Bereicherung für diesen Dienst und für das gemeinsame Leben von Eheleuten geben könnte“, sagte Bätzing.

Auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz sagte in Berlin, er habe das Interview von Marx „mit großer Zustimmung“ gelesen. „Ich begrüße das sehr, dass es diesen Prozess gibt.“ Eine Abschaffung der Kirchensteuer lehnte sowohl er als auch CSU-Chef Markus Söder ab. Solche Überlegungen seien „sehr, sehr zurückhaltend zu bewerten“, sagte der bayerische Ministerpräsident.

Die Abschaffung des Pflichtzölibats wäre nach Einschätzung des Kirchenrechtlers Thomas Schüller im Grunde gar keine so große Sache. „Das ist überhaupt nicht ketzerisch oder revolutionär“, sagte Schüller der dpa. „Der Pflichtzölibat ist kein Glaubenssatz, sondern eine disziplinäre Norm und kann geändert werden, ohne in den Glaubensschatz der katholischen Kirche einzugreifen.“ Marx beschreibe nur, was in der Geschichte der katholischen Kirche viele Jahrhunderte gängige Praxis gewesen sei.

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, wies darauf hin, dass die reformorientierten Kräfte in der Synodalversammlung deutlich in der Mehrheit seien. Sie zeigte sich optimistisch, dass das auch für die Bischöfe gelte: „Wir als ZdK sind dankbar, dass wir schon jetzt klar sehen, dass eine größere Zahl reformwilliger Bischöfe entschlossen sind, wirkliche Veränderungen voranzutreiben.“

Bätzing geht nach eigenen Worten mit dem Gefühl „Wir wissen, um was es geht“ in die Versammlung. „Es geht jetzt wirklich in die Zielgerade. Das heißt, erste Texte stehen zur Schlussabstimmung an. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir die Zwei-Drittel-Mehrheiten auch gewinnen werden“, sagte Bätzing

Der derzeit laufende Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland wird als Synodaler Weg bezeichnet. Ausgelöst worden ist das Bemühen um Erneuerung durch den Missbrauchsskandal. Der Synodale Weg umfasst vier Punkte: die katholische Sexualmoral, die Position der Frau in der Kirche, den Umgang mit Macht und den Zölibat, die priesterliche Ehelosigkeit. Die Synodalversammlung ist das zentrale Beschlussgremium des Prozesses. Getragen wird der Synodale Weg von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken, also von Bischöfen und Laien gleichermaßen.

Kritiker werfen den beiden Gremien vor, nur ein Schauspiel für die Gläubigen vorzuführen. Letztlich könnten sie gar keine tiefgreifenden Reformen beschließen, weil Rom immer das letzte Wort habe. Sowohl Bätzing als auch Stetter-Karp wiesen diese Kritik am Donnerstag in deutlichen Worten zurück. Erstens gebe es viele Felder, auf denen die deutschen Katholiken eigenständig entscheiden könnten, und zweitens würden viele der Punkte auch in der Weltkirche diskutiert. Man solle einfach mal das Ende des Prozesses abwarten und dann urteilen, sagte Stetter-Karp: „An den Taten werden wir gemessen werden.“

Empörung erregte im weiteren Verlauf der Synodalversammlung der konservative Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer. Er verwies darauf, dass eine Strafrechtsreform von 1973 Kindesmissbrauch nicht mehr als Verbrechen gewertet habe, „und zwar auf der Basis von sexualwissenschaftlichen Urteilen, die davon ausgehen, dass für die betroffenen Kinder und Jugendlichen die Vernehmungen wesentlich schlimmer sind als die im Grunde harmlosen Missbrauchsfälle“. Dies müsse berücksichtigt werden, wenn heute über das Verhalten der Kirche in den 1970er und 80er Jahre geurteilt werde, sagte Voderholzer.

Der Bochumer Theologe Matthias Sellmann sagte dazu: „Ich bin Vater von drei Kindern, und ich bin entsetzt, wenn ein Bischof der katholischen Kirche in Deutschland hier in dieser Öffentlichkeit sagt, die aufklärenden Gespräche mit Kindern seien schlimmer als der an sich harmlose sexuelle Missbrauch.“

© dpa-infocom, dpa:220203-99-954677/9

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