Tomaten und Paprika bekommen helle Stellen, Äpfel und Birnen dunkle. Gurken krümmen sich, manchmal besonders doll. „Wie Schweineschwänzchen“, sagt Christine Dieckhoff.
Dieckhoff leitet das Sachgebiet Biologischer Pflanzenschutz am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) in Karlsruhe und befasst sich mit den Folgen, wenn zum Beispiel Grüne Reiswanzen in Obst und Gemüse stechen.
Himbeeren würden ungenießbar: „Das schmeckt nach Wanze.“ Vor Jahrzehnten schon aus Ostafrika eingeschleppt breitet sich die Grüne Reiswanze seit Mitte der 2010er Jahren schlagartig in Deutschland aus - wohl auch wegen des Klimawandels.
Auch die Marmorierte Baumwanze, die aus China kam und ein breites Sortiment an Obst, Gemüse und Wirtspflanzen im Ackerbau wie Spargel, Mais und Kartoffeln befällt, taucht immer häufiger auf. Für Landwirte bedeutet das einen wirtschaftlichen Schaden - ob wegen Ernteausfalls oder weil die Produkte nicht mehr verkauft werden können.
In Ländern wie Italien wurde der Gesamtschaden zuletzt auf mehrere Hundert Millionen Euro im Jahr geschätzt. Kein Wunder also, dass der Deutsche Bauernverband in Alarmbereitschaft ist: „Wir gehen davon aus, dass sich der Schädlings- und Krankheitsdruck in Zukunft deutlich verschärfen wird“, sagt Generalsekretär Bernhard Krüsken.
Eine wesentliche Rolle spielten der Klimawandel beziehungsweise vor allem die jahresspezifische Witterung, erklärt Sandra Krengel-Horney vom Julius Kühn-Institut (JKI), dem Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen.
„Viele Schaderreger können unter wärmeren Bedingungen mehr Generationen bilden und früher in die Bestände einwandern.“ Auch ausgewachsene Blattläuse etwa könnten in milden Wintern überwintern und im Folgejahr schneller Bestände besiedeln und gegebenenfalls Viruskrankheiten übertragen. Neue Arten könnten sich etablieren, und auch die Verbreitung könne sich weiter nach Norden verschieben.
Das hat Folgen, wie Dieckhoff vom LTZ betont. Landwirte verließen sich auf Prognosemodelle. Doch die müssten überarbeitet werden. „Wir stellen fest, dass wir Schädlinge, die wir eigentlich gut kennen, doch nicht mehr so gut kennen.“ So gebe es inzwischen in Deutschland eine Maiszünslerrasse, die zwei Generationen pro Jahr hervorbringt.
Der Anteil schädlicher Arten liege im unteren Prozentbereich, sagt Olaf Zimmermann, der am LTZ unter anderem für Schädlingsbiologie zuständig ist. „Wir sind bei vielen auf Habacht, aber wissen nicht, was hochploppt.“ Angesichts der Ressourcen könnten die Fachleute aber eigentlich nur gegen die wichtigsten Schädlinge arbeiten.
Neben ein, zwei Zikadenarten aus dem Mittelmeerraum hat er derzeit vor allem den Japankäfer im Blick. „Das ist im Moment die heißeste Art, die neu kommt“, sagt Zimmermann. Erste Exemplare wurden schon im Südwesten und an der Schweizer Grenze gefunden.
Der Käfer kann starke Fraßschäden vor allem an Obstbäumen, Erdbeeren, Bohnen, Mais, Wein, Rosen und vielen anderen Strauch- und Baumarten anrichten. Die Engerlinge, also Larven, ernähren sich überwiegend von Graswurzeln und können in Massen ganze Wiesen und Weiden zerstören.
Was tun? Eingeschleppte Arten kommen meist ohne Gegenspieler, wie Zimmermann sagt. „Da sind wir blank.“ Beim Japankäfer könnte er sich vorstellen, Spürhunde auszubilden. Doch das dauere ein paar Jahre.
Ein natürlicher Feind der Marmorierten Baumwanze ist die Samuraiwespe - ein aus Ostasien stammendes, zwei Millimeter kleines Tier, das seine Eier in den Gelegen der Wanzen platziert. Die Brut der Schlupfwespenart frisst den Wanzennachwuchs dann auf.
Solche Eierparasiten bezeichnet Zimmermann als „goldene Lösung“, weil aus den Eiern gar nicht erst Stinkwanzen schlüpfen, die sich vermehren können. Und die gute Nachricht: Wie die Baumwanze hat es auch die Samuraiwespe inzwischen nach Deutschland geschafft.
Aus Sicht der Insektenkundler ist das gut - denn gezielt etwa in einem von Wanzen befallenen Gewächshaus aussetzen dürfte man die Schlupfwespen nicht, wie Zimmermann erklärt. Seit Jahren sollten die Gesetze angepasst werden, passiert sei bisher aber nichts.
Der Bauernverband fordert zum Schutz der Pflanzen eine breite Palette an Wirkstoffen, „um im Notfall Menge und Qualitäten abzusichern zu können und auch um Resistenzen zu vermeiden“, wie Generalsekretär Krüsken formuliert. Zudem sehe der Verband mittelfristig Potenzial in der Resistenzzüchtung, um wiederstandfähigere Sorten zu erhalten.
„Im Acker-, Obst- und Weinbau gibt es bereits viele Sorten, die Resistenzen gegen pilzliche Krankheitserreger aufweisen“, erklärt JKI-Expertin Krengel-Horney. „In Bezug auf die Schadinsekten sieht das bislang leider anders aus.“ Bei vielen Kulturen werde an Resistenzen gearbeitet, aber Züchtung brauche Zeit.
„Ob wir den durch den Klimawandel erzeugten schnellen Veränderungen mit den etablierten Züchtungsmethoden immer hinterherkommen, ist nicht sicher.“ Man werde auch nicht vollständig auf Pflanzenschutzmittel verzichten können.
Im Kampf gegen Marmorierte Baumwanzen in den USA habe die chemische Keule, die dort eingesetzt werden dürfe, nicht den erhofften Erfolg gebracht, sagt Dieckhoff. Da helfe nur, betroffene Pflanzen einzunetzen und die Wanzeneier einzusammeln. Auch eine Ausbreitung der Samuraiwespe hierzulande werde die Wanzen nicht ausrotten. „Wir werden sie nicht los“, stellt Dieckhoff fest. Ziel sei daher, dass sich zwischen Wespen und Wanzen immerhin ein Gleichgewicht einstelle.
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