Noch ist das volle Ausmaß der Zerstörung, die der tropische Wirbelsturm „Chido“ auf der französischen Inselgruppe Mayotte im Indischen Ozean und in Mosambik hinterlassen hat, nicht erfasst. Doch schon jetzt deuten erste Schnellanalysen an, dass der menschengemachte Klimawandel den Zyklon verstärkt hat.
Am Samstag fegte der Zyklon „Chido“ mit Sturmböen mit einer Geschwindigkeit von mehr als 220 Kilometern pro Stunde über das französische Überseegebiet Mayotte und den Norden von Mosambik. Dabei hinterließ er eine gewaltige Schneise der Zerstörung, der eine bislang noch nicht bekannte Zahl von Menschen zum Opfer fiel.
In ersten Analysen kommen Forschungsgruppen des Grantham Institute am britischen Imperial College London und der gemeinnützigen US-Organisation Climate Central in Princeton nun zu dem Schluss, dass der menschengemachte Klimawandel den Wirbelsturm intensiviert hat. So wird Ralf Toumi, Direktor des Grantham Institute, in einer Mitteilung zitiert: „Der Klimawandel hat 'Chido' zu einem explosiven Sturm der Kategorie 4 verstärkt. Wäre die Atmosphäre nicht mit Kohlenstoffemissionen überlastet, wäre es ein weniger zerstörerisches Ereignis der Kategorie 3 gewesen.“ Diese Kategorien werden in der sogenannten Saffir-Simpson-Hurrikan-Windskala erfasst, die bis 5 reicht.
Ralf Toumi und sein Kollege Nathan Sparks nutzten für ihre Schnellanalyse das am Imperial College entwickelte Iris-Modell, in das historische Temperatur- und Klimadaten einfließen: Dieses kann verwendet werden, um auf die zusätzliche Verstärkung eines Sturms vom Typ „Chido“ zu schließen, die auf die jüngste Erwärmung zurückzuführen ist - oder genauer: auf die durch die globale Erwärmung seit 1980 beeinflussten Veränderungen der potenziellen Intensität (PI).
Ihrer Analyse zufolge ist die Wahrscheinlichkeit eines Sturms vom Typ „Chido“ im Jahr 2024 im Vergleich zur vorindustriellen Ausgangssituation um etwa 40 Prozent höher. „In einer künftigen, um 2,6 Grad Celsius wärmeren Welt wird die Wahrscheinlichkeit für einen Wirbelsturm der Kategorie 'Chido' um weitere 26 Prozent höher sein als heute“, heißt es in der Analyse weiter. Dieses Temperatur-Szenario sei für 2100 zu erwarten. Toumi warnt: „Wir werden immer mehr Wirbelstürme mit einer Intensität wie Chido erleben, wenn wir nicht dringend auf erneuerbare Energien umsteigen.“
Nathan Sparks ergänzt: „Unsere Studie bestätigt, dass tropische Wirbelstürme wie Chido durch den Klimawandel intensiver und zerstörerischer geworden sind.“ Dieses Ergebnis stehe im Einklang mit den Trends bei tropischen Wirbelstürmen im Zuge der Klimaerwärmung: Viele von ihnen stiegen auf der Saffir-Simpson-Skala in die stärksten Zerstörungskategorien auf.
Tatsächlich war eine andere Schnellanalyse der Wissenschaftler-Initiative World Weather Attribution am Imperial College London zum Hurrikan „Helene“ kürzlich zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. „Helene“ hatte Ende September die Yucatán-Halbinsel, die Kaimaninseln, Kuba und schließlich die USA getroffen.
Die an der neuen Analyse beteiligte Klimawissenschaftlerin Friederike Otto, Mitbegründerin von World Weather Attribution, erklärt nun: „In Mayotte sind die Opfer der Armut zu Opfern des Klimawandels geworden.“ Am stärkste seien diejenigen betroffen gewesen, die in notdürftigen Unterkünften lebten: „Die Überlebenden, die nun alles verloren haben, sind mit Wasserknappheit und der drohenden Gefahr von Krankheiten konfrontiert.“
Für Otto ist das ein tragisches Beispiel dafür, wie der Klimawandel die Ärmsten und Schwächsten treffe: „Leider wird dies in Afrika zur Regel - einem Kontinent, der am wenigsten zu den Emissionen beigetragen hat, der aber einige der schlimmsten Wetterextreme erleidet.“
Die zweite Schnellanalyse zu „Chido“ kommt zu dem Schluss, dass ungewöhnlich warme Meerestemperaturen zur Intensivierung des Zyklons beigetragen hätten. Die Wissenschaftler von Climate Central nutzten den von ihnen entwickelten „Climate Shift Index: Ocean“ (Ocean CSI), der den Einfluss der Erderwärmung auf die Meeresoberflächentemperaturen quantifiziert.
Auf diese Weise kam die Gruppe zu dem Ergebnis, dass „Chido“ sich verstärkte, als er über Gewässer zog, die im Durchschnitt 1,1 Grad Celsius wärmer waren, als sie es ohne den vom Menschen verursachten Klimawandel gewesen wären.
Wie die Forscher selbst betonen, quantifiziere Ocean CSI nicht direkt, wie sich der Klimawandel auf die Intensität des Zyklons auswirkte - vielmehr beziehe sich der Index auf die Meeresbedingungen, die es „Chido“ ermöglichten, sich zu verstärken. So fasst Joseph Giguere von Climate Central zusammen: „Ungewöhnlich hohe Meeresoberflächentemperaturen, die aufgrund des Klimawandels um mehr als das 50-Fache wahrscheinlicher geworden sind, waren der Treibstoff für diesen Sturm, der immer intensiver und zerstörerischer wurde.“
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