Am Ende der Batterieladung ist noch so viel Strecke übrig? Die sogenannte Reichweitenangst gilt vielen noch immer als das größte Hemmnis beim Umstieg aufs Elektroauto. Und die Hersteller reagieren darauf mit ganz unterschiedlichen Mitteln: Sie bauen größere Batterien ein, erhöhen die Ladeleistung - oder schlagen mit dem Plug-in-Hybrid die Brücke zwischen der alten Verbrenner- und der neuen Elektro-Welt.
Mit einem vergleichsweise neuen und bei uns noch relativ exotischen Ansatz wollen die Chinesen die Risiken und Nebenwirkungen der Elektromobilität mindern - und machen uns dafür gerade den sogenannten Range Extender (von englisch range für Reichweite und extend für erweitern) schmackhaft. Als einer der Ersten mit dieser Technik kommt jetzt zu Preisen ab 37.600 Euro der Leapmotor C10 zu uns.
Etwa so groß wie das Tesla Model Y, bei der Form vor allem hinten sichtlich inspiriert vom Porsche Cayenne, gibt es das 4,74 Meter lange SUV in Europa zwar schon seit letztem Jahr rein elektrisch. Doch jetzt schiebt das Joint-Venture von Leapmotor und Stellantis die REEV-Version des C10 nach - REEV steht für Range Extended Electric Vehicle, also ein E-Fahrzeug mit Reichweitenverlängerung.
Die Preisstrategie macht den Kunden die Auswahl nicht eben leichter. Denn beide Modelle kosten auf den Cent das Gleiche. Nur dass es hier einen 69,9 kWh großen Akku für 425 Normkilometer gibt und da stattdessen nur 28,4 kWh und dafür einen 1,5 Liter großen Benziner mit 65 kW/88 PS und einen 50-Liter-Tank als Dreingabe.
Formal ist auch dieser Antrieb ein Plug in-Hybrid, weil er einen Verbrenner und einen E-Motor kombiniert und mit bis zu 6,5 kW am Wechsel- oder 65 kW am Gleichstrom auch an Steckdose geladen wird. Doch anders als bei uns üblich, treibt der Benziner hier bei leerem Akku nicht die Räder an, sondern nur einen Generator: Egal ob die Energie nun aus dem Benzintank kommt oder aus der Batterie, fährt der C10 deshalb immer elektrisch – und zwar bis zu 974 Kilometer weit.
Mit einem 158 kW/215 PS starken Motor an der Hinterachse fühlt sich der C10 wie jedes Elektroauto an - ist spritzig im Antritt, rollt flüsterleise über die Autobahn und bremst schon merklich ab, wenn man nur das Fahrpedal lupft. Am Fahren ändert sich auch mit dem Verbrenner nichts, und die Höchstgeschwindigkeit liegt immer bei 170 km/h.
Doch gerät dann die Gefühlswelt ein wenig durcheinander. Denn der Generator läuft, kaum beeindruckt etwa von der Beschleunigung, mit vergleichsweise monotoner Drehzahl, die nicht so recht zum Fahrverhalten passt und deshalb Petrolheads genauso irritiert wie wachsende Schar Elektrojünger.
Während man sich daran allerdings irgendwann gewöhnt und spätestens dann die Vorzüge zu schätzen lernt, wenn man für drei Minuten an die Tankstelle fährt statt eine Dreiviertelstunde an die Ladesäule, bleibt andere Störgeräusche penetranter: Die Assistenzsysteme sind so nervös und ihre Warnsignale so nerven schon nach wenigen Kilometern gewaltig.
Und so elegant und modern die nahezu komplett auf den großen Touchscreen verlagerte Bedienung auch wirken mag, so sehr überfordern die verschachtelten Menüs und die bisweilen schlampig übersetzen Sprachansagen die Erstbenutzer. Statt die Armee der Besserwisser von der Abstandsregelung über die Spurführung bis hin zur Aufmerksamkeitskontrolle mit einem Fingerzeig zum Schweigen zu bringen, läuft man beim Ausschalten Gefahr zu verzweifeln.
So fügt man sich in sein Schicksal und ist froh, wenn die Fahrt wieder vorbei ist. Manchmal käme da eine längere Lade- und damit Ruhepause gerade recht. Das ist schade. Denn ansonsten gibt es am C10 nicht viel auszusetzen. Er ist für sein Format vergleichsweise geräumig, die Ausstattung ist großzügig, die Materialauswahl vornehm und sowohl die Polster als auch die Fahrwerksabstimmung sind eigentlich für gemütlichen Genuss gemacht.
Ja: Der Range Extender ist eine Brückentechnologie und schon ein bisschen näher bei der Generation E als ein klassischer Plug-in-Hybrid. Natürlich musste man sich bei einem Elektroauto nie weniger ums Laden kümmern. Und nie war man schneller wieder für die volle Reichweite gerüstet.
Aber: Dafür ist der C10 eben auch weder Fisch noch Fleisch: Elektrojünger stören sich am Motorsound und Petrolheads daran, dass die Drehzahlen nicht zur Fahrsituation passen wollen. Und vom Antrieb unbenommen trüben die nervigen Assistenzsysteme den ansonsten guten Gesamteindruck - so dass Leapmotor am Ende doch wieder nur eins von vielen China-SUV ist, die zu viele Kompromisse erfordern, als dass es ihnen zum Durchbruch reichen könnte. Datenblatt: Leapmotor C10 REEV
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