Matchwinner Timo Werner verschwand wortlos im Bus, der geschmähte Max Eberl schickte immerhin noch eine belanglose Sprachnachricht. Nachfragen waren bei den Protagonisten des 1:0 von RB Leipzig bei Borussia Mönchengladbach unerwünscht.
Dabei hätten sie sicherlich viel zu erzählen gehabt. Der viel gescholtene Werner über das Ende seiner 161 Tage währenden Torflaute. Und Eberl über die erneute Häme der Gladbacher Fans, die seinen Wechsel nach Leipzig nicht so wie er gern wortlos zu den Akten legen wollen.
Doch der Reihe nach. Der Hauptdarsteller des schwer erarbeiteten Erfolgs - es war der vierte in Serie in der Bundesliga - war fraglos Werner. Mitte April hatte der Nationalspieler zuletzt getroffen. Es folgte eine Zeit des Pechs, des Schmollens, des Stammplatzes auf der Bank und der Nicht-Berücksichtigung für die Nationalmannschaft. Bei seinem verhaltenen Jubel nach seinem technisch anspruchsvollen Tor fünf Minuten nach der Einwechslung drückte Werner seine rechte Hand demonstrativ nach unten. Ganz nach dem Motto: Ball flach halten.
„Das ist doch normal, dass er jetzt nicht ausrastet. Ich glaube, dass er sich innerlich extrem freut. Er ist ein ganz wichtiger Baustein für unsere Mannschaft und hat sich nie hängen lassen“, befand Kapitän Kevin Kampl. „Es freut uns alle für Timo, es war wichtig für ihn und uns als Mannschaft. Die letzten Wochen waren nicht einfach für ihn, aber er hat weiter gemacht.“
Auch Trainer Marco Rose freute sich für seinen Stürmer. Vor dessen Einwechslung hatte sich der 47-Jährige neben ihn auf die Bank gesetzt und ihn an seine Qualitäten erinnert. „Das hat er dann hervorragend umgesetzt“, sagte Rose. „Das sollte ihm guttun und Auftrieb geben. Da gehört natürlich noch einiges mehr dazu. Wichtig ist, dass er dranbleibt, und dass ich ihm immer wieder das Vertrauen schenke. So wie heute. So war das heute eine Win-Win-Situation.“
Im Borussia-Park war Werner übrigens nicht zum ersten Mal Matchwinner für sein Team. Vor vier Jahren führte er RB Leipzig mit einem Dreierpack zum 3:1-Erfolg gegen die Gladbacher und ließ sich dafür anschließend auch ausgiebig feiern. Dass er diesmal nicht öffentlich sprach, hat Rose wahrscheinlich auch gefallen. „Wichtig ist, dass er mit der Situation richtig umgeht“, befand der Trainer. Er habe ihn mit dem Wissen um seine Stärken eingewechselt, erklärte Leipzigs Coach. „Das war ein hart erarbeiteter Sieg und ich bin sehr einverstanden, wie wir diese Situation annehmen“, sagte Rose.
Und Eberl? Der kann in Gladbach ganz offensichtlich nichts mehr gewinnen. Die Anfeindungen gegen ihn nervten die Leipziger Partystimmung, auch wenn sich der Manager alle Mühe in der Kleinrederei gab. „Natürlich war ich vor dem Spiel aufgeregt und angespannt – meine erste Rückkehr in den Borussia-Park als Gast. Aber das hatte sich schnell erledigt, da ich extrem viel positives Feedback bekommen habe und Menschen getroffen habe, die sich bedankt und gefreut haben mich wieder zu sehen. Das hat mir ein sehr, sehr gutes Gefühl gegeben“, teilte der 50-Jährige via Sprachnachricht mit.
Das Stadion hatte er da längst - und ziemlich zügig - verlassen. Während des Spiels war in der Nordkurve ein Spruchband mit Bezug auf den langjährigen Gladbacher Sportdirektor zu sehen. „Erst hol ich mir 'nen Krankenschein, dann zähl ich weiter Schein für Schein“, war dort zu lesen. Dazu war Eberl auf einem Banner als Schwein dargestellt.
Eberls Gladbacher Nachfolger Nils Schmadtke nahm nach dem Spiel deshalb Kontakt auf. „Ich habe mit Max telefoniert. Er ist mit einem positiven Gefühl aus dem Stadion gegangen. Nicht nur wegen des Ergebnisses, sondern weil er auch viele Menschen getroffen hat, die sich gefreut haben, ihn zu sehen“, sagte der 34-Jährige am Sonntag dem TV-Sender Bild. Eberl, der 23 Jahre bei Borussia gearbeitet hat, war Ende Januar 2022 nach eigener Aussage erschöpft als Gladbacher Sportchef zurückgetreten. Wenige Monate später wurde er mit Leipzig in Verbindung gebracht und wechselte schließlich zu RB.
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