Das Rattern einer Nähmaschine, das Ratschen einer Strickmaschine, Motoren oder das Geräusch einer Schere: Ist das Musik? Tatsächlich wird beim Projekt „Sharper Than a Needle“ daraus eine Mischung aus Elektro und Techno. „Wir nehmen keine Beats aus der Konserve, wir nutzen wirklich nur die Maschinen“, betont Stephanie Müller vom Ensemble „Dressed in Sound“, dem unter anderem auch die Berliner Künstlerin Lisa Simpson angehört. Gemeinsam mit einem Chor und weiteren Kunstschaffenden führen die fünf Ensemblemitglieder ihr Projekt am Sonntag (23. Februar) an den Münchner Kammerspielen auf.
Die Töne haben alle mit Textilien und deren Verarbeitung zu tun. Mikrofone verstärken die Sounds und das Mischpult verwandelt sie in Musik, mal schrill, mal sanft, mal schräg. Eine simple Nähmaschine wird zum Synthesizer. Ein großes Nähkästchen fungiert als Drumset, auch Spinnräder sind dabei und Flachs, der bei Berührung mit leitfähiger Wolle flötende Töne produziert.
Stecknadeln werden mit Hilfe von Magneten zum Schwingen gebracht. Ihr Klang: wie Knisterschokolade im Mund, beschreibt Müller. Und wenn sich das Schiff an der Strickmaschine hin und her schiebt, entsteht ein Basissound für einen Techno-Beat. Hinzu kommen Sensoren, die auf Berührungen reagieren und zur Vielfalt der Töne beitragen. Das akustische Erlebnis wird überdies sichtbar, durch Video aber auch durch tänzerische Bewegungen der Beteiligten.
München gilt den Kammerspielen zufolge als Keimzelle der Nähmaschinenmusik in einer weltweit vernetzten Szene. Das Ziel der Beteiligten: Produktionsbedingungen von Textilien zu hinterfragen und Welten für alle Sinne zu erschaffen. An „Dressed in Sound“ beteiligen sich auch Klaus Erika Dietl, Karen Modrei und Stefan Wischnewski.
In Berlin ist es die Künstlerin Lisa Simpson, die seit 2003 auf ihrer Nähmaschine spielt und damit auch ausrangierte Kleidung in Neues verwandelt. Sie wolle eine Diskussion über die Nachhaltigkeit der Modeindustrie anstoßen, schreibt Simpson, die unter dem Künstlernamen Agente Costura agiert, im Internet.
Müller legt Wert darauf, dass die textilen Arbeitsgeräte auf die Bühne kommen in einem bunten Chaos aus unter anderem Maschinen, Kurzwaren und Schneiderpuppen. Diese Arbeit bleibe oft unsichtbar. „Meistens gehst du nur mit dem schönen Kostüm raus“, erklärt die Münchnerin. Und sie verweist auf einen politisch-gesellschaftlichen Hintergrund. Man wolle zeigen, dass Dinge sich verändern, in der Schwebe sind. Man müsse loslassen können und Neues wagen, nicht an alten Mustern festhalten. Und vor allem: sich nicht entmutigen lassen und keine Angst haben.
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