Zweimal die Eins, einmal die Zwei: Tippt man mit zitternden Fingern diese Nummer ins Telefon, dann ist die Lage ernst.
Vielleicht hat die kleine Tochter Reinigungsmittel geschluckt und wirkt nun benommen. Oder an der Bushaltestelle ist ein älterer Mann bewusstlos in sich zusammengesackt. Oder man selbst ist zu Hause auf der Treppe ausgerutscht und kann sich nur unter extremen Schmerzen bewegen.
In Situationen wie diesen ist klar: Hilfe wird gebraucht - und zwar schnell. Einige zögern, wenn es darum geht, einen Notruf abzusetzen oder sich aus eigener Kraft in die Notaufnahme zu begeben. Andere tun es, obwohl es vielleicht gar nicht notwendig wäre. Wie trifft man die richtige Entscheidung? Ein Notfallmediziner klärt auf.
„Wenn es sich um eine plötzlich aufgetretene, lebensbedrohliche Situation handelt, die keinen Aufschub erlaubt, sondern die Hilfe sofort kommen muss“, sagt Martin Massmann. Er ist Oberarzt in der Zentralen Notaufnahme der Schön Klinik Neustadt (Schleswig-Holstein).
Aber wenn das Herz wie wild klopft oder man unter Schock steht, kann man die Lage nicht immer mit kühlem Kopf beurteilen. Das weiß auch der Notfallmediziner. „Man kann natürlich von den Patienten in der Lage nur schwerlich verlangen, dass sie einschätzen können: Ist das lebensbedrohlich oder nicht?“
Wer sich unsicher ist, wählt besser den Notruf. „Lieber einmal häufiger als einmal zu wenig“, sagt Massmann. Denn die Fachleute in der Leitstelle folgen im Telefonat einem Fragebogen, der auf eine schnelle Einschätzung der Situation ausgelegt ist. Und sie entscheiden dann, was am besten zu tun ist - ob etwa ein Rettungswagen mit Notarzt oder Notärztin losgeschickt wird.
Ein Anzeichen für eine möglicherweise lebensbedrohliche Situation ist laut Massmann Atemnot. Denn sie kann auf verschiedene ernste Erkrankungen hindeuten, etwa auf eine Lungenembolie, eine allergische Reaktion oder einen Herzinfarkt. Bei letzterem kommen oft Schmerzen in der Brust oder im Rücken zwischen den Schulterblättern dazu.
Ein Schlaganfall ist ebenfalls ein Notfall. Auf ihn deuten eine verwaschene Sprache oder einseitige Lähmungen von Arm, Bein oder Gesicht hin. Treffen kann es auch Jüngere, zehn bis 15 Prozent der Schlaganfälle kommen laut der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft bei Menschen vor, die jünger als 55 Jahre sind.
Bewusstlosigkeit kann ebenso ein Anzeichen für einen Schlaganfall sein. Aber auch für andere ernsthafte Erkrankungen wie einen Herz-Kreislauf-Stillstand, einen Krampfanfall oder eine Vergiftung - ebenfalls Situationen, in denen es schnelle Hilfe braucht.
Das kann auch für einen Unfall gelten. Denn mögliche Knochenbrüche gehören in die Notaufnahme. Ebenso starke Blutungen - vor allem dann, wenn man gerinnungshemmende Medikamente einnimmt. Bei einem Erwachsenen kann ein Blutverlust von einem Liter lebensbedrohlich sein, heißt es von der Schön Klinik Neustadt.
Ärztliche Hilfe ist auch nach Stromunfällen gefragt, selbst dann, wenn es einem nach einem Stromschlag erst mal gut geht. Auch Stunden später kann es noch zu einem Herzstillstand kommen. Die Schön Klinik rät daher, keine Zeit zu verlieren, wenn nach einem Stromunfall Herzstolpern, Atemnot oder ein Krampfgefühl auftreten.
„Wenn man einen fieberhaften Infekt, eine starke Erkältung oder einen Magen-Darm-Infekt hat, sind das keine Situationen für den Notruf“, sagt Notfallmediziner Massmann. Denn die Kapazitäten der Einsatzkräfte sind begrenzt. „Das Problem: Man besetzt sozusagen sowohl den Disponenten in der Leitstelle als auch den Rettungswagen.“ Mit der Folge, dass jemand, bei dem es wirklich ernst ist, möglicherweise länger auf Hilfe warten muss.
Aber auch bei einem Infekt kann man nicht immer abwarten, bis am nächsten Morgen oder am Montag die Arztpraxis ihre Türen wieder öffnet. Dann ist allerdings eine andere Telefonnummer die bessere Wahl: 116117.
Hinter dem Angebot steht die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Wählt man die 116117, erreicht man rund um die Uhr den ärztlichen Bereitschaftsdienst, der Rat geben kann, was bei den entsprechenden Beschwerden am besten zu tun ist. Und zum Beispiel Bereitschaftspraxen vorschlägt, die man aufsuchen kann. Bei Bedarf kommt eine Ärztin oder ein Arzt auch zu Hause vorbei.
Auf der Webseite gibt es auch ein Patienten-Navi, das gesundheitliche Beschwerden online abfragt. Am Ende steht ein Rat, wie man nun am besten weiter vorgeht.
Wenn die 112 die richtige Wahl ist: Wie mache ich Rettungskräften und Personal in der Notaufnahme die Arbeit leichter?
Damit kann man schon am Telefon beginnen. Die Gesprächsführung sollte man dem Disponenten oder der Disponentin in der Leitstelle überlassen, rät Martin Massmann. Wird man am Telefon unterbrochen, sollte man das nicht persönlich nehmen.
Macht sich ein Rettungswagen auf den Weg zur verletzten Person, sollte jemand die Rettungskräfte in Empfang nehmen, zum Beispiel an der Straße. „Schlecht ist, wenn der Rettungswagen kommt, aber den Einsatzort nicht finden kann“, sagt Martin Massmann. Denn dann gehen wertvolle Minuten verloren.
Sind die Rettungskräfte da, gilt: „Es ist wenig geholfen, wenn jemand dazwischenfunkt“, sagt Massmann. Etwa durch Worte oder auch, wenn man durch den Arbeitsbereich der Notfallsanitäterinnen und -sanitäter läuft. Angehörige halten sich am besten zurück und antworten erst mal nur auf die Fragen, die die Rettungskräfte stellen.
Und wenn es ins Krankenhaus geht? „Natürlich ist es wichtig, dass die Patienten fürs Krankenhaus etwas zum Anziehen mitbekommen“, sagt Martin Massmann. „Aber noch wichtiger ist ein Medikamentenplan, eventuell Arztbriefe oder auch eine Patientenverfügung, falls vorhanden. Und was man auch braucht: eine Telefonnummer von Angehörigen.“
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