Was nur anziehen ins Büro und zu Job-Anlässen, bei denen mehr von einem zu sehen ist, als der Kopf im Miniaturfenster eines Videocalls? Wer sich das nun wieder häufiger fragt, kann sich auf eines einstellen: „Der große Trend für Herbst und Winter, das hat sich jetzt auch schon im Sommer angedeutet, ist das Power Dressing“, sagt die auf Business-Outfits spezialisierte Stilberaterin Dunja Heß.
„Power Dressing“ - zwei Worte, die auch in den Ankündigungen der Kollektionen für diesen Herbst und Winter häufiger zu lesen sind, etwa beim Amsterdamer Modelabel Fabienne Chapot oder bei Looks von Wolfgang Joop. Doch was versteht man eigentlich darunter?
Zunächst einmal ein Blick in die Geschichte - denn die Ursprünge des Power Dressing reichen bis ins ausgehende 19. Jahrhundert zurück, sagt Birgit Haase, Professorin für Kunst- und Modegeschichte an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Und zwar zur Entwicklung des Schneiderkostüms.
„Das heißt, in dieser Zeit als auch die erste Welle der Frauenbewegung aufkam, begannen Frauen damit, ein Kostüm, das sogenannte Tailor Made, zu tragen, bestehend aus Jacke und Rock“, sagt Haase. „Und diese Jacke nahm sich ein Beispiel an der männlichen Oberbekleidung, das heißt am Jackett oder an Überröcken.“
In den anschließenden Jahrzehnten folgte das Schneiderkostüm dann den „generellen Modetendenzen“, so die Professorin für Kunst- und Modegeschichte. Prägend für das, was man mittlerweile unter Power Dressing versteht, sei aber vor allem die Mode der 1980er Jahre. „Damals war die modische Silhouette geprägt durch eine sehr stark betonte Schulterpartie und eben durch die eingefügten Schulterpolster.“
Eine Ikone des Power Dressing: die frühere britische Premierministerin Margaret Thatcher, „die eben in einem recht konservativen Kostüm in gedeckten Farben mit einer klassischen Hemdbluse mit Schlingkragen oder Schleife und einer Perlenkette“ dieses Power Dressing verkörperte, so Haase.
Und in der Modewelt gilt schließlich: Was einmal angesagt war, wird später gerne wieder aufgegriffen. Die mit der Bezeichnung Power Dressing verbundene Silhouette ist da keine Ausnahme. Heute inspiriert die „Ära berufstätiger Frauen in den 1980ern“ dem Modeberater Andreas Rose zufolge Designer wie Saint Laurent, Valentino, Dolce & Gabbana und Alexander McQueen zu „modernen Neuinterpretationen der Power-Silhouette“.
Überhaupt: Die Rückkehr von Komfort- zu Business-Outfits spielt gerade eine große Rolle. Das Magazin „Glamour“ verwendet dafür den Begriff „Businesscore“.
Viel zu sehen: Hosenanzüge, Blazer, Kostüme. Andreas Rose zufolge drehe sich im kommenden Winter alles um „Menswear-Codes“: Neben übertriebenen „Power-Schultern“, sind auch maßgeschneiderte Herren-Westen als Tanktop und klassische Krawatten angesagt. Letztere erlebten laut Rose derzeit ihr Comeback in der Damengarderobe: „Valentino widmete dem Accessoire gar seine ganze Kollektion“.
Ein reiner Business-Modetrend ist das, was man heute als Power Dressing oder Businesscore bezeichnet, nicht unbedingt. Auch außerhalb von Meetingräumen und fernab des Schreibtischs sind Krawatten, Kostüme und Co. angesagt.
Und so sehr sie in ihren Ursprüngen mit der Arbeitswelt verknüpft sein mögen: Dunja Heß rät die fürs Power Dressing charakteristischen Blazer mit ausladender Schulterpartie am Arbeitsplatz eher dezent einzusetzen. „In einem Casual Bereich würde ich es immer zu einem Basic kombinieren, also zu einer schwarzen Jeans oder einer normalen Jeans“, sagt sie. Und auch beim Schnitt müsse man nicht unbedingt aufs Ganze gehen. „Weil diese Schulterpolster, die wir jetzt auf den Modenschauen sehen, die sind natürlich bombastisch.“
Statt riesigen Schulterpolstern im Blazer könne man etwa auch auf Blusen mit voluminöser Schulterpartie setzen, „also diese Puffärmel fast schon“, so Heß. „Ansonsten würde ich vielleicht darauf achten, dass es ein Teil ist, wo man das Schulterpolster auch minimieren kann, damit man es in den nächsten Jahren wieder tragen kann.“
Für Heß gehört zudem die entsprechende Farbwahl in den Bereich des Power Dressing. Sie sieht hier allerdings nicht unbedingt gedeckte Farben à la Margaret Thatcher am Zug - sondern eher das Gegenteil: „ein kräftiges, nicht dunkles, aber kühles Rot“. Für die Stilberaterin eine „absolute Powerfarbe“, die uns „in Aktion“ bringe.
Gut macht sie sich etwa auf Blusen - und in Kombination mit einem schwarzen, eher locker geschnittenen Hosenanzug, so Heß.
Und dann gibt es da noch die „Blazer-Weste“, oder anders gesagt, den Blazer ohne Ärmel. Im Herbst und Winter lassen sich die angesagten, eher luftigen Stücke, die meist etwas länger geschnitten sind, über Bluse oder Longsleeve tragen. „Und dazu könnte man im klassischen Business eine Anzughose drunterziehen oder eine Culotte“, so Heß. Fürs Casual Business ginge auch eine Jeans zum ärmellosen Blazer. „Das ist mein persönlicher Geheimtipp für Herbst, Winter.“
Doch neben Power Dressing-Elementen gibt es in dieser Saison noch einen weiteren Trend, der vor der Bürotür nicht Halt machen muss: extrakurze Oberteile - businesstauglich in Form sogenannter Cropped Blazer.
Heß empfiehlt die kurzen Stücke in beruflichen Kontexten allerdings nicht mit den derzeit allgegenwärtigen tief geschnittenen Hosen zu tragen - sondern mit High Waist Jeans, hochgeschnittenen Paperbag-Jeans, Marlenehosen oder Röcken. Dazu ließen sich gut Basic-T-Shirts kombinieren. „Und das sieht dann natürlich ganz schön aus, weil das so ein Umbruch von verschiedenen Längen ist.“
Ebenfalls angesagt: Stücke aus Leder oder Kunstleder. Und auch wenn es in der Arbeitswelt vielleicht nicht unbedingt der derzeit im Trend liegende Allover-Leder-Look mit Lederjacke, Lederrock oder Lederkleid sein muss, kann man einzelne Teile bürotauglich stylen. Lederculottes in 7/8-Länge zur Bluse etwa. Oder knielange Lederröcke in A-Linie. „Da geht auch mal ein Rollkragenpullover dazu. Das sieht dann sehr klassisch und schick aus“, so Heß. „Oder ich kann auch Farbiges wie das Rot dazu nehmen.“
Eine starke Kombination, die der Modeberaterin zufolge „auch wieder in Richtung Power Dressing“ gehe.
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