Ein Streit, eine homophobe Beleidigung, ein Schwitzkasten: Die Situation zwischen den beiden ukrainischen Soldaten und dem Russen, die im oberbayerischen Murnau gerade noch friedlich miteinander gezecht hatten, spitzt sich zu. Schließlich geht der Russe nach Hause, holt ein Messer - und ersticht beide.
Das Landgericht München II hat den 58-jährigen Russen ein knappes Jahr nach der Tat im April 2024 wegen Mordes in zwei Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter stellten auch die besondere Schwere der Schuld fest. Damit kann die Strafe - so sie rechtskräftig wird - voraussichtlich nicht nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden.
Das Gericht unter Vorsitz von Thomas Bott sah weder eine vordringlich politische Motivation für die Tat wie die Anklagebehörde noch den Alkohol als hauptsächlichen Treiber wie die Verteidigung.
Die 23 und 36 Jahre alten Soldaten waren wegen Kriegsverletzungen in der Unfallklinik Murnau operiert worden und körperlich eingeschränkt. Die drei Männer hatten seit einigen Monaten gelegentlich im Ort unweit eines Supermarktes miteinander getrunken. „Es ist so, dass man im Allgemeinen gut auskommt“, schildert Bott das Verhältnis.
Unstimmigkeiten über den Krieg könnten bei der Tat hineingespielt haben. Das Gericht habe dies aber nicht abschließend als „handlungsleitendes Motiv“ feststellen können. Da „lässt die Kammer vorsichtshalber lieber die Finger davon“, sagte Bott. „Am Tattag scheinen andere Dinge im Vordergrund zu stehen“ - nämlich etwa die Beschimpfungen. Der 36 Jahre alte Ukrainer habe sich an dem Tag aggressiv verhalten.
Der Angeklagte habe nach dem Streit und vor der Tat Zeit zum Nachdenken gehabt, als er nach Hause lief und das Messer holte. Dennoch habe er den 36-Jährigen heimtückisch erstochen. Der 23-Jährigen tötete er nach Auffassung des Gerichts, um ihn als Zeugen aus dem Weg zu schaffen.
Eine eingeschränkte Schuldfähigkeit des „äußerst trinkgewohnten Angeklagten“, der bei der Tat einen Blutalkoholwert von bis zu 2,6 Promille hatte, sah Richter Bott nicht. Er habe keine erheblichen Ausfallerscheinungen gehabt und nach der Tat - aus Tätersicht ein „sinnvoller“ Gedanke - sofort die blutverschmierte Hose und das Messer ins Waschbecken geworfen und gewaschen. Der mehrfach vorbestrafte Angeklagte habe auch gewusst, dass er unter Alkohol zu Straftaten neigte.
Der Russe, der bei der Urteilsbegründung immer wieder einen Rosenkranz durch die Finger gleiten ließ, hatte zu Prozessbeginn die Tat grundsätzlich eingeräumt. Er ließ über seinen Anwalt mitteilen, es sei bei dem Streit um den Kauf von Alkohol und eine Flasche Wodka gegangen. Er habe die beiden nicht töten wollen, ihm seien aber angesichts der Beleidigungen die Sicherungen durchgebrannt.
In seinem Schlusswort nannte er den Alkohol einen „schwarzen Teufel“. Es tue ihm sehr leid, was geschehen sei.
Das Gericht folgte mit dem Urteil dem Antrag von Oberstaatsanwalt Maximilian Laubmeier. Dieser ging davon aus, dass Hintergrund des Streits der russische Angriffskrieg in der Ukraine war. Laubmeier hatte argumentiert, der Russe habe sich durch den Streit in seinem Nationalstolz verletzt und in seiner übersteigerten Feindseligkeit gegenüber ukrainischen Soldaten bestätigt gefühlt.
Verteidiger Uwe Paschertz hatte maximal zehn Jahre Haft wegen Totschlags plädiert. Sein Mandant habe in der Untersuchungshaft für Ukrainer gedolmetscht, sagte er als Beleg dafür, dass der Mann nicht grundsätzlich gegenüber Ukrainern feindselig sei.
Paschertz hatte auch auf eine Therapie zum Alkoholentzug plädiert. „Ohne Alkohol wäre die Tat nicht passiert.“ Das Gericht lehnte das ab, die Voraussetzungen seien nicht gegeben. Paschertz nannte das Urteil „enttäuschend“. Er werde „gewissenhaft prüfen“, ob er Revision einlege.
Der Angeklagte, der einst nach eigenen Angaben in der russischen Armee gedient hatte und desertierte, lebte mit diversen Jobs seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland. Er hat ein langes Vorstrafenregister: Gewalttaten, Diebstahl, alkoholbedingte Verkehrsverstöße - weit mehr als ein halbes Dutzend Taten. Fünf bis sieben Jahre verbrachte er bereits hinter Gittern. Er hatte dennoch als Deserteur bei der russischen Armee eine Duldung in Deutschland.
© dpa-infocom, dpa:250307-930-397139/1