Lässt sich der Pflichtteil eines Erbes reduzieren, wenn man zu Lebzeiten bereits Werte, wie etwa ein Grundstück, verschenkt? Nicht unbedingt, stellte das Oberlandesgericht Nürnberg (Az: 1 U 1335/24 Erb) in einem Beschluss fest, auf den die Arbeitsgemeinschaft Erbrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hinweist.
Generell gilt zwar: Vermindert ein Erblasser zu Lebzeiten sein Vermögen und damit auch Pflichtteilsansprüche seiner nächsten Angehörigen durch Schenkung, so hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Pflichtteilsergänzung gemäß § 2325 BGB. Dies ist jedoch ausgeschlossen, wenn zwischen Schenkung und Erbfall zehn Jahre liegen.
Aber: Profitiert ein Erblasser auch nach der Schenkung eines Grundstücks an einen Angehörigen weiter davon, zum Beispiel durch eine Leibrente, die auf einem Grundstück abgesichert ist, dann beginnt die Zehn-Jahres-Frist erst zu laufen, wenn der Erblasser den „Genuss“ der verschenkten Sache auch tatsächlich aufgegeben hat.
In dem konkreten Fall verstarb eine Frau und bestimmte ihren Sohn als Alleinerben. Die Tochter machte daraufhin ihren Pflichtteil geltend. Die Erblasserin hatte dem Sohn im Jahr 1995 mehrere Grundstücke durch Schenkung überlassen. Der Überlassungsvertrag sah vor, dass der Sohn seiner Mutter eine lebenslange Leibrente in Höhe der Mieteinnahmen des verschenkten Grundstücks zu zahlen hatte, was durch eine Reallast auf dem Grundstück abgesichert wurde.
2013 ließ die Erblasserin die Reallast im Grundbuch löschen und verzichtete auf Zahlung der weiteren Leibrente. Ihre Tochter ging davon aus, dass die 1995 vereinbarte Schenkung noch im Zeitpunkt des Erbfalls, 2021, einen Pflichtteilergänzungsanspruch auslöse.
Das OLG hat das nun bestätigt und begründete: Die Zehn-Jahres-Frist sei noch nicht verstrichen, da die Erblasserin erst im Herbst 2013 wirtschaftlich auf den Genuss der verschenkten Objekte verzichtet hat.
Durch die vertragliche Regelung konnte sie weiterhin die Nutzungen des Grundstücks in gleicher Höhe ziehen, wie sie es als Eigentümerin getan hatte, sodass sich an der wirtschaftlichen Lage durch die Schenkung im Wesentlichen nicht geändert habe. Ein „Genussverzicht“ habe daher erst im Zeitpunkt des Verzichts auf die Leibrente und der Löschung der Reallast stattgefunden.
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