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Veröffentlicht am 12.06.2022 08:59

Schlechte Aussichten für kranke Kleintiere

Nur eine eingeschränkte Grundversorgung für Kleintiere wird die Tierärztin Dr. Birgit Scholz künftig in ihrer Gemeinschaftspraxis anbieten können. Der Grund: Sie findet keine Fachkräfte.  (Foto: Dr. Stefan Scholz)
Nur eine eingeschränkte Grundversorgung für Kleintiere wird die Tierärztin Dr. Birgit Scholz künftig in ihrer Gemeinschaftspraxis anbieten können. Der Grund: Sie findet keine Fachkräfte. (Foto: Dr. Stefan Scholz)
Nur eine eingeschränkte Grundversorgung für Kleintiere wird die Tierärztin Dr. Birgit Scholz künftig in ihrer Gemeinschaftspraxis anbieten können. Der Grund: Sie findet keine Fachkräfte. (Foto: Dr. Stefan Scholz)

Veterinärmediziner sind in Rothenburg Mangelware. Die Tierärztin Dr. Birgit Scholz muss ihr Angebot stark einschränken.

Wenn das Haustier krank ist, möchte man ärztliche Hilfe – im Notfall auch nachts oder am Wochenende. Dr. Birgit Scholz versteht das. Trotzdem kann die Tierärztin in ihrer Praxis in Zukunft für Kleintiere nur noch eine stark eingeschränkte Grundversorgung anbieten. „Für mehr fehlt uns schlichtweg das Personal“, sagt sie.

„Unsere Fachärztin für den Kleintierbereich verlässt unsere Praxis Mitte Juni“, erklärt Scholz. Einen Nachfolger zu finden, gestalte sich schwierig. „Wir suchen händeringend über alle Kanäle, bieten attraktive Bedingungen, aber finden niemanden.“

Zwar seien die beiden Praxen, die sie mit ihrem Mann und weiteren Tierärzten in der Stadt und im baden-württembergischen Fichtenau betreibt, im Großtierbereich gut aufgestellt. „Bei den Kleintieren ist die Situation jedoch sehr schwierig.“ Aufgrund der knappen Ressourcen habe sie sogar einer Auszubildenden, die im Herbst starten wollte, absagen müssen.

Geeignete Kandidaten gehen verloren

Nicht nur hier in der Stadt herrscht Personalmangel in der Veterinärmedizin, sondern vielerorts, vor allem im ländlichen Raum, sagt Dr. Karl Eckart, Präsident der Bayerischen Landestierärztekammer.

Er beobachtet die Entwicklung mit Sorge: „Die Zahl der Praxen sinkt, der Fachkräftemangel steigt.“ Konkrete Zahlen lägen zwar nicht vor, aber der Mangel sei „überall zu spüren“.

Die Gründe dafür sind vielfältig. „Vor allem junge Ärzte wollen lieber in der Großstadt arbeiten, vorzugsweise in großen Praxisteams“, so Dr. Birgit Scholz. Kleinere Praxen auf dem Land seien da eher unattraktiv. Hinzu kämen systemische Probleme: Die Zulassung zum Tierarztstudium sei per Numerus Clausus geregelt. „Da verliert man aufgrund der Noten geeignete Kandidaten, dafür merken andere während des Studiums, dass der Beruf nichts für sie ist“, meint Dr. Scholz. Die „richtigen“ Leute ins Studium zu bringen, sei gar nicht so einfach, bekräftigt Dr. Karl Eckart.

Und selbst wenn man die „richtigen Leute“ gefunden hat: Immer weniger Tierärztinnen und Tierärzte seien bereit, nachts und an Wochenenden zu arbeiten. Angestellte und Selbstständige legen gleichermaßen mehr Wert auf eine Work-Life-Balance – also die Balance zwischen Arbeit und Privatleben, erklärt Dr. Karl Eckart.

Dr. Scholz versteht den Ärger der Tierhalter, die bei Notfällen jetzt beispielsweise die Kliniken in Feuchtwangen oder Dinkelsbühl ansteuern müssen. Denn Kliniken sind zu Notdiensten verpflichtet – und haben laut Dr. Eckart ebenfalls zunehmend Schwierigkeiten, dies personell zu stemmen. Eine Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes könnte hier Abhilfe schaffen, denkt er.

Gedreht werden muss Dr. Eckart zufolge auch an der finanziellen Schraube. Um mehr Fachpersonal zu bekommen, müssen die Gehälter steigen, fordert er. Oft würden Tierärzte weniger berechnen, als die Gebührenordnung vorsieht, berichtet Dr. Scholz – besonders im Kleintierbereich. „Und wer nichts abrechnet, kann nichts weitergeben.“

Während man im Großtierbereich meist mit Landwirten zu tun habe, deren Lebensunterhalt von den Tieren abhängt, seien Kleintierhalter weniger bereit, Leistungen auch entsprechend zu bezahlen, erklärt Dr. Eckart. „Oft fehlt dafür die Wertschätzung der Tierhalter und das Bewusstsein, dass wir mit moderner Technik arbeiten. Teure Diagnostikgeräte zum Beispiel müssen natürlich auch finanziert werden.“

Dr. Birgit Scholz: „Junge Tierärzte wollen lieber in der Großstadt arbeiten.“

Etwas entspannter sieht Reinhard Kestner die Situation, wie er auf Nachfrage der Redaktion erklärt. Er betreibt eine Kleintierpraxis in der Altstadt. Allerdings sei durch Corona der Austausch mit Kollegen stark eingeschränkt, sodass er die allgemeine Lage nur schwer beurteilen könne.

Dr. Birgit Scholz hat derweil aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, ihre Kleintierpraxis wieder besetzen zu können, und betont: „Wir suchen weiter intensiv nach neuen Kollegen.“

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