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Veröffentlicht am 17.10.2025 12:21, aktualisiert am 17.10.2025 18:03

Schröder verteidigt Nord Stream 2 in Untersuchungsausschuss

Ex-Kanzler Gerhard Schröder wird im Untersuchungsausschuss des Schweriner Landtags zur Erdgasleitung Nord Stream 2 als Zeuge befragt. (Archivbild) (Foto: Jens Büttner/dpa POOL/dpa)
Ex-Kanzler Gerhard Schröder wird im Untersuchungsausschuss des Schweriner Landtags zur Erdgasleitung Nord Stream 2 als Zeuge befragt. (Archivbild) (Foto: Jens Büttner/dpa POOL/dpa)
Ex-Kanzler Gerhard Schröder wird im Untersuchungsausschuss des Schweriner Landtags zur Erdgasleitung Nord Stream 2 als Zeuge befragt. (Archivbild) (Foto: Jens Büttner/dpa POOL/dpa)

Sie saßen an zentralen Schaltstellen, als die umstrittene Nord Stream 2-Pipeline für russisches Erdgas durch die Ostsee geplant und gebaut wurde. Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und der Kanzleramtschef von Schröders Nachfolgerin Angela Merkel, Helge Braun (beide CDU) haben im Untersuchungsausschuss des Schweriner Landtags als Zeugen ausgesagt.

Der während der Befragung zunehmend genervt wirkende Schröder verteidigte den Bau von Nord Stream 2. Auch die Gründung der Klimaschutzstiftung Mecklenburg-Vorpommern, unter deren Mantel die Pipeline nach Sanktionsdrohungen aus den USA 2021 fertig gebaut wurde, sei eine „außerordentlich vernünftige Entscheidung“ gewesen, sagte der 81-Jährige, der aus Rücksicht auf seine Gesundheit aus seinem Büro in Hannover zugeschaltet worden war. Schröder hatte im Frühjahr eine Burn-out-Erkrankung erlitten.

Schröder: Ziel war günstiges Erdgas für Deutschland

Der frühere Bundeskanzler sagte, Deutschland habe sich unter seiner rot-grünen Bundesregierung von der Kernenergie abwenden wollen und für die Sicherstellung des Energiebedarfs auf einheimische Kohle und das umweltfreundlichere Erdgas gesetzt. Günstiges Erdgas habe Russland via Pipeline liefern können.

Die Anfang 2021 gegründete Klimaschutzstiftung MV habe dazu gedient, das Projekt fortführen zu können. Dafür war eigens ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb innerhalb der Stiftung installiert worden. „Die Stiftung war ein Instrument, um amerikanische Interventionen in unsere Energiepolitik zu verhindern“, sagte Schröder. 

Schröder war nach seinem Ausscheiden aus der Politik lange Jahre für russische Energiekonzerne aktiv. Er war zur fraglichen Zeit Vorsitzender des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG. Das Unternehmen mit der russischen Gazprom als Haupteigentümerin brachte 20 Millionen Euro in die umstrittene Stiftung Klima- und Umweltschutz MV ein.

„Herr Vorsitzender, können sie diesen Mist beenden?“

Schröder machte während seiner gut zweieinhalbstündigen Befragung einen zunehmend genervten Eindruck. Auf Fragen, die seiner Meinung nach nicht zum Untersuchungsgegenstand des Ausschusses gehörten, antwortete er schon mal mit „Was soll dieser Unsinn?“. 

An den Ausschussvorsitzenden Sebastian Ehlers (CDU) gerichtet, sagte er: „Herr Vorsitzender, können sie diesen Mist beenden?“. Vorausgegangen waren Fragen etwa nach der Gästeliste seines 70. Geburtstags, den er in St. Petersburg gefeiert hatte, oder nach Gesprächsinhalten bei Abendessen mit Politikern vor mehreren Jahren.

Braun: Stiftung war Sache des Bundeslandes

Der frühere Kanzleramtschef Helge Braun wurde am Nachmittag als Zeuge befragt. Er sagte, die Bundesregierung habe die Klimaschutzstiftung Mecklenburg-Vorpommern als Angelegenheit des Bundeslandes angesehen. Merkel sei 2020 von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) über die geplante Gründung informiert worden, die Bundesregierung habe das Vorhaben jedoch nicht bewertet.

Die Stiftung wurde Anfang 2021 nach einem einstimmigen Beschluss des Landtags vor allem dazu gegründet, Nord Stream 2 fertig zu bauen. Zuvor hatte es aus den USA Sanktionsdrohungen gegen beteiligte Firmen gegeben. In der Folge gab es Sorge, das bereits fortgeschrittene Bauprojekt für russisches Erdgas könnte auf den letzten Metern scheitern. Das Stiftungskonstrukt sollte die Fertigstellung garantieren, was auch gelang.

Braun: Sanktionsdrohungen kamen nicht von US-Regierung

Braun sagte zu den Sanktionsdrohungen, diese seien nicht von der US-Regierung gekommen und auch nicht an die Bundesregierung herangetragen worden. Es seien Äußerungen in den Medien transportiert worden, etwa von US-Senatoren und vom damaligen US-Botschafter in Deutschland. Es sei damals schwer gewesen, die Ernsthaftigkeit dessen einzuschätzen, sagte Braun.

Der ehemalige Kanzleramtschef erklärte die Zurückhaltung in Bezug auf die Stiftungsgründung mit der grundsätzlichen Haltung der Bundesregierung zum Nord Stream 2-Projekt. Dieses habe man als unternehmerisches Vorhaben betrachtet, das man als sinnvoll ansehe. Die Bundesregierung habe es nicht besonders befördert und auch nicht zu verhindern versucht, sagte Braun.

Die Pipeline wurde fertig, ging jedoch wegen des Überfalls Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 nicht in Betrieb. Im Herbst 2022 wurden Nord Stream 2 und die parallel verlaufende Leitung Nord Stream 1 durch Explosionen schwerbeschädigt. In dem Zusammenhang sind in Italien und in Polen zwei Ukrainer festgenommen worden, die im Verdacht stehen, an dem Sabotageakt beteiligt gewesen zu sein.

Unterdessen entschied ein polnisches Gericht, das ein zuvor in U-Haft sitzender Verdächtiger nicht an die deutsche Justiz ausgeliefert wird. Ein Gericht in Warschau lehnte die Überstellung des 46 Jahre alten Ukrainers Wolodymyr Z. ab und hob seine Untersuchungshaft auf, wie die Agentur PAP meldete. Erst am Mittwoch hatte das höchste italienische Gericht die Auslieferung eines weiteren, in Italien gefassten Verdächtigen gestoppt.

Weitere prominente Zeugen

In den kommenden Wochen werden weitere prominente Zeugen erwartet, die in der Bundespolitik wichtige Rollen spielten. Am 21. November wird Ex-Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Schweriner Schloss erwartet. Davor sind am 7. November mit Sigmar Gabriel (SPD) und Peter Altmaier (CDU) noch zwei ehemalige Bundeswirtschaftsminister geladen.

Die Abgeordneten wollen klären, wer den Anstoß für die Gründung der Klimaschutzstiftung gegeben hat und ob möglicherweise Russland beteiligt war. Mit der Vernehmung der prominenten Zeugen steuert der Untersuchungsausschuss auf die Zielgerade zu. Er soll seine Arbeit bis zur Landtagswahl im kommenden Jahr abschließen.

© dpa-infocom, dpa:251017-930-173905/2


Von dpa
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