Das Jahr 2023 war in Deutschland stark von Arbeitskämpfen geprägt, im internationalen Vergleich liegt die Bundesrepublik jedoch weiterhin im unteren Mittelfeld.
Das geht aus einer veröffentlichten Bilanz des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung hervor. In anderen Ländern ist das Ausmaß der Streiks demnach größer - so war die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage pro 1.000 Beschäftigte im Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre deutlich höher. Belgien kommt auf 103 Ausfalltage pro Jahr, Frankreich auf 92 (allein im Privatsektor), Finnland auf 90 und Kanada auf 83. In Deutschland sind es lediglich 18 Tage.
Dennoch war die Streikbereitschaft hierzulande im Jahr 2023 vergleichsweise hoch. Das WSI verzeichnete 312 Arbeitskämpfe und mehr als 850.000 Streik-Teilnehmer. Die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage lag mit insgesamt 1,5 Millionen doppelt so hoch wie 2022 (674). Es ist auch der höchste Wert seit 2015, als insgesamt rund 2 Millionen Arbeitstage gestreikt wurden. Grund für die vielen Streiks sind den Studienautoren zufolge die hohe Inflation und die dadurch verursachten Reallohnverluste der Beschäftigten.
Die wissenschaftliche Direktorin des WSI, Bettina Kohlrausch, sieht in der großen Streikbeteiligung ein gutes Zeichen. Das Engagement fördere das Zutrauen, „die eigenen Arbeits- und Lebensbedingungen positiv beeinflussen zu können und stärkt damit nicht zuletzt auch die Demokratie in Deutschland“. 2024 wird erneut ein arbeitskampfintensives Jahr erwartet. Dass Deutschland international hinterherhinkt, ist den Forschern zufolge auf das vergleichsweise restriktive Streikrecht zurückzuführen. In vielen Länder seien weitreichendere Streiks möglich.
Die WSI-Arbeitskampfbilanz ist eine Schätzung auf Basis von Gewerkschaftsangaben und Medienberichten. Warnstreiks werden demnach nicht von allen Gewerkschaften erfasst, Streiks außerhalb des Tarifgeschehens werden nur in Ausnahmefällen bekannt.
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