Superfood und Pflanzenreste: Durchs Bourtanger Moor | FLZ.de | Stage

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Veröffentlicht am 28.07.2025 00:08

Superfood und Pflanzenreste: Durchs Bourtanger Moor

Beiges Hemd, dunkelbraune Hose, breitkrempiger brauner Hut: Andreas Rakers arbeitet als Ranger im Naturpark Moor-Veenland. (Foto: Wolfgang Stelljes/dpa-tmn)
Beiges Hemd, dunkelbraune Hose, breitkrempiger brauner Hut: Andreas Rakers arbeitet als Ranger im Naturpark Moor-Veenland. (Foto: Wolfgang Stelljes/dpa-tmn)
Beiges Hemd, dunkelbraune Hose, breitkrempiger brauner Hut: Andreas Rakers arbeitet als Ranger im Naturpark Moor-Veenland. (Foto: Wolfgang Stelljes/dpa-tmn)

Er heißt „Mammut“, wiegt so viel wie 30 Elefanten und ist der größte Pflug der Welt. „Davon gab es nur zwei“, sagt Janna Kötting-Gerkens, Museumpädagogin im Emsland Moormuseum, „die haben flächendeckend die ganze nordwestdeutsche Moorlandschaft umgepflügt.“

Ein Prozess, der vor genau 75 Jahren begann, mit dem „Emslandplan“, den der Bundestag im Mai 1950 verabschiedete. Das Armenhaus der Republik sollte landwirtschaftlich urbar gemacht werden, die vielen Flüchtlinge wollten versorgt werden. Kaum eine andere Landschaft in Deutschland hat binnen weniger Jahrzehnte ihr Gesicht so sehr verändert wie das Emsland.

Europas größtes Moormuseum

Der „Mammut“ ist das Symbol dieses Wandels und Star des Moormuseums in Geeste, das als größtes Moormuseum in Europa gilt. Bei einem Rundgang lenkt Kötting-Gerkens den Blick auf eine Karte aus dem Jahre 1648, die die Ausdehnung des Bourtanger Moores zeigt. Es war mit 1.200 Quadratkilometern das größte Hochmoorgebiet Mitteleuropas.

„Moor entsteht im Prinzip wie ein Glas saure Gurken“, sagt die Museumspädagogin. „Alles, was reinfällt, wird konserviert.“ Das gilt für Moorleichen genauso wie für den Kohlenstoff, der im Moor gespeichert und bei Entwässerung als CO2 freigesetzt wird.

„Über Jahrhunderte lagern sich abgestorbene Pflanzenreste ab - das nennt sich dann Torf.“ Dieser Torf war lange Zeit die einzige Einnahmequelle vieler Moorbewohner, die sich den Boden über Brandrodung nutzbar zu machen versuchten.

In den ersten Jahren war Buchweizen die einzige Pflanze, die mit dem nährstoffarmen Boden zurechtkam. Und so ist nach dem Besuch der Ausstellung und einer Fahrt mit der Feldbahn der Buchweizenpfannkuchen im Museumscafé fast schon ein Muss. „Früher war das ein Arme-Leute-Essen, heute wird Buchweizen als Superfood gepriesen“, so Kötting-Gerkens.

Unterwegs mit dem Ranger

Beiges Hemd, dunkelbraune Hose, breitkrempiger brauner Hut - das ist die Dienstkleidung von Andreas Rakers. Der Biologe arbeitet als Ranger im Naturpark Moor-Veenland. Der Park erstreckt sich über das Emsland und die Grafschaft Bentheim, dazu kommt auf niederländischer Seite mit dem Bargerveen ein größeres Moorgebiet in der Provinz Drenthe. Die ehemalige Festung Bourtange, die einst dem Moor den Namen gab, liegt dagegen heute weit außerhalb des Naturparks, lohnt aber unbedingt einen Abstecher.

Rakers ist in Twist groß geworden, quasi mittendrin. Seine Vorfahren gehörten hier zu den ersten Moorkolonisten. Rund acht Meter war das Moor mächtig, bevor es abgebaut wurde. Unter einer ersten Erdschicht kam Weißtorf, dann Schwarztorf, dann Sand und dann die Ortssteinschicht, ohne die kein Hochmoor entstehen kann, weil sie gewissermaßen das Ablaufen des Wassers verhindert.

Die Moorsiedler waren vor allem am Schwarztorf interessiert, denn der war begehrt als Brennmaterial. In einem nahen Kraftwerk wurde sogar Strom aus Schwarztorf erzeugt. Klimaschutz war da noch kein Thema. Erst in den 1980er-Jahren begann das Umdenken, sagt Rakers.

Als junger Biologiestudent an der Uni wunderte er sich über die Kritik, die er sich anhören musste, wenn er erzählte, dass sein Onkel noch abgetorft hat. Heute macht der 55-Jährige Besucher auf die Schönheiten des Moores aufmerksam, stellt Info-Tafeln auf und schildert Wanderwege aus.

Einer der schönsten ist für ihn der Wanderweg am Provinzialmoor, vor allem im Mai, wenn sich das Schmalblättrige Wollgras, das früher Kopfkissen und Windeltücher füllte, weiß blühend im Wind wiegt, aber auch später im Jahr. In August und September lockt die Heideblüte.

Wenn man sich sattgesehen am Gräsermeer, dann fallen vielleicht auch die kleinen grünen Sandlaufkäfer ins Auge, die den Weg kreuzen. Oder der Baumfalke, der Libellen jagt. Davon gibt es hier eine ganze Menge, besonders viele sieht man auf dem Libellenpfad am Rande des Dalum-Wietmarscher Moores.

„Von den Insekten leben die Frösche, von den Fröschen die Kreuzottern - alle sind hier sehr spezialisiert“, sagt Rakers. Eine heute geschützte Pflanze wie den Rundblättrigen Sonnentau, ein typischer Moorbewohner, haben sie als Kinder noch gesammelt, getrocknet und in den Niederlanden an Apotheker verkauft. Die machten daraus ein Hustenmedikament.

Bienen kennen keine Grenzen

Auch Hermann Hüsers ist ein Kind des Moores. Viele nennen ihn nur „Imme“, ein hier gebräuchliches Wort für Biene. Es gibt in der Region nicht viele Menschen, die so viel über Bienen wissen wie der Gärtner- und Imkermeister aus Haren. 

„Imme“, so heißt auch das deutsch-niederländische „Bildungszentrum für Artenvielfalt und Naturschutz“, für das Hüsers ehrenamtlich arbeitet. Er erinnert sich noch an die runden Bienenkörbe, die früher in der Landschaft standen und durch Holzkästen abgelöst wurden, weil diese durch den „Emslandplan“ gefördert wurden.

Hüsers selbst arbeitet seit 35 Jahren als Imker. Wenn er erzählt, dass eine Honigbiene rund zwei Millionen Mal eine Blüte anfliegen muss, um ein 500-Gramm-Glas Honig zu füllen, dann versteht man, warum er die gepflegten Vorgärten, auf die viele Emsländer so stolz sind, eher kritisch sieht. Es mangelt vielerorts an Blüten. „Wir sind nur mit dem Rasenmäher zugange.“ 

Das Bienenzentrum ist - wie das Moormuseum - eine von acht „Moorpforten“ beidseits der Grenze. So haben die Touristiker jene Orte getauft, die den Zugang zum Naturpark erleichtern sollen. Auch das Erdöl-Erdgas-Museum in Twist ist eine solche „Moorpforte“.

Hier erfährt man, dass das Emsland das größte Erdölfördergebiet auf dem deutschen Festland ist, auch wenn hier nicht mal ein Prozent des Gesamtbedarfs gefördert werden. Die Pumpen, auch Nicker genannt, heben und senken sich vor allem im Rühler Moor, fast so, als wollten sie sagen: Ja, doch, es ist schon ein besonderes Fleckchen Erde, dieses Emsland.

Links, Tipps, Praktisches:

Anreise: Mit dem Auto nach Lingen oder Meppen über die A31. Mit der Bahn von Hamburg über Bremen, Oldenburg und Leer, von Berlin über Hannover und Rheine, von Süden kommend über Köln oder Münster.Beste Reisezeit: Naturfreunde müssen sich entscheiden: im März das Konzert der Moorfrösche, von Mai bis Juni oder Juli (je nach Witterung) das Wollgras, im August und September die Heideblüte oder doch lieber im Herbst die Zugvögel? Einheimische schwören zum Teil auch auf die ruhigere Jahreszeit, wenn sich Frost über die Moorflächen legt.

Unterwegs: Wanderer finden im Naturpark Moor-Veenland rund 400 Kilometer, Radfahrer 700 Kilometer Wege vor. Dank des Knotenpunktsystems kann man sich einfach orientieren: Überall dort, wo sie sich bislang über Karten beugen mussten, weil sich Wege kreuzen, existiert ein sogenannter Knotenpunkt. Jeder dieser Punkte hat eine Nummer. So kann man mit wenigen Zahlen eine individuelle Route zusammenstellen. Weiterführende Informationen: emsland.com; naturpark-moor.eu

© dpa-infocom, dpa:250727-930-846388/1


Von dpa
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