Roher Fisch, Salz, Limette, Chili, mehr braucht es für ein gutes Ceviche nicht. Das Nationalgericht der peruanischen Küche zwischen Pazifik und Anden ist jedoch mehr als nur durch Zitrussäure kaltgegarter Fisch.
Für den deutsch-peruanischen Koch Juan Danilo ist Ceviche „ein aufregendes und komplexes Geschmackserlebnis“. Wer Säure und Schärfe mag, sollte selbst ein Ceviche zubereiten. Danilo, in Berlin heimisch, ist begeistert von der Küche seines Heimatlandes. Basierend auf den traditionellen Rezepten der Inkas entwickelte sie sich durch Einflüsse verschiedener Einwanderergruppen zu einer der besten Küchen Lateinamerikas.
„Ceviche ist das perfekte Beispiel für die peruanische Küche. Es ist eine ebenso leichtfüßige wie ausgewogene Mischung aus Zutaten und sich gegenseitig potenzierenden Aromen“, schreibt Danilo in seinem Buch „Ceviche“. Die Historie geht so: „Siwichi“ bedeutet frischer Fisch auf Quechua, der Hauptsprache im Reich der Inka. Diese hatten Wege entwickelt, um den Tagesfang aus Seen, Flüssen und Ozean schnell hoch in die Anden zu bringen.
Die indigene Bevölkerung garte den rohen Fisch nur mit Salz und der Säure der Tumbos, passionsartigen Früchten, und würzte ihn mit Pfefferschoten. Mit den Spaniern kamen die Zitronen, mit deren Saft weißer Fisch stunden- bis tagelang mariniert wurde. Die japanischen Einwanderer gaben den Impuls für eine sehr kurze Garzeit, die heute bevorzugte Ceviche-Technik.
Das Ergebnis ist ein Gericht, das in Peru zelebriert wird und auch weltweit die gehobene Gastronomie erreicht hat. „Früher hat man Ceviche von 5 Uhr morgens bis 11 Uhr mittags gegessen. Damals gab es noch nicht die Kühlmöglichkeiten“, sagt Danilo. Überall in Peru gibt es sogenannte Cevicherias. „Es gibt sogar Adressen, da klopft man nur an die Tür, wird hereingelassen und der Koch bereitet seine besondere Ceviche-Spezialität zu“, erzählt der Autor.
Früher aß man nur klassisches Ceviche. „Heute probieren die jungen Köche ihre Interpretationen aus, mal mit Mango, Passionsfrucht oder Avocado. Ich persönlich bevorzuge das klassische Ceviche aus Fisch, frischer Limette, Salz, Chili, begleitet von Zwiebeln, Süßkartoffeln und weißem Mais“, so Danilo.
„Der Fisch muss ein festes Fleisch haben“, empfiehlt er. Seine Favoriten sind Seezunge, Zackenbarsch oder Adlerfisch. Lachs ginge auch, ebenso wie Meeresfrüchte, zum Beispiel Garnelen, Jakobsmuscheln, Venusmuscheln, Oktopus und auch Flusskrebse.
Martin Volkelt, Leiter der Produktentwicklung und Koch bei der Fischmanufaktur Deutsche See in Bremerhaven, ist ebenfalls ein Liebhaber klassischen Ceviches: „Es ist ein so tolles Rezept. Da muss man nicht groß experimentieren.“ Das A und O sei absolut frischer Fisch in Sushi-Qualität. Der Fischexperte rät, beim Fischhandel des Vertrauens oder online einzukaufen.
Das Grundrezept ist zwar einfach, aber ein gewisses Know-how sollte nicht fehlen. „Roher Fisch, mit etwas Salz gewürzt, wird ganz ohne Hitzezufuhr für kurze Zeit in reichlich Limettensaft kalt gegart. Ähnlich wie beim Kochen verändert die Säure der Zitrusfrucht die Eiweißstruktur des Fisches“, erklärt Volkelt. Bei diesem Prozess, auch Denaturierung genannt, gerinnen die Fischproteine. Das in rohem Zustand fast glasige Fischfleisch nimmt eine weiße Farbe an und wird mit zunehmender Marinierzeit von außen nach innen fester.
Auch hier kommt es wie bei einem guten Steak auf den idealen Garpunkt an, der sich nach persönlichen Vorlieben richtet. Die einen mögen den Fisch im Kern noch leicht glasig, zart und saftig. Die anderen lieber durch und fester im Biss.
Volkelt empfiehlt, das Fischfilet in mundgerechte Würfel zu schneiden. „Würfel haben mehr Biss. In Streifen geschnitten, ist der Fisch schneller durchgegart“, sagt er. Zuerst werden die Würfel mit Salz gewürzt und danach mit frisch gepresstem Limettensaft vermengt. Wird eine flache Schale verwendet, bleiben alle Stücke mit Saft benetzt und garen gleichmäßig.
Chili ist eine weitere wichtige Zutat im Ceviche, es wirkt antibakteriell. Die Süßkartoffel als Beilage soll die Schärfe neutralisieren und zwei Sorten Mais, also gekochter und gepoppter, runden das Ceviche ab. Für eine Zubereitung nach Art der Fischer würfelt Danilo Seezunge, salzt sie in einer Schüssel, übergießt sie mit reichlich Limettensaft und fügt fein gewürfelte Ajischote oder Habanero-Chili dazu. Dieses Ceviche serviert er sofort.
Martin Volkelt begeistert sich für ein Kabeljau-Ceviche mit Avocado und Bananenchips. Dazu würfelt er den Kabeljau und mariniert ihn mit dem Saft und Abrieb von Limetten etwa 20 Minuten. Wer es nicht glasig haben will, der lässt den Fisch bis zu 40 Minuten garen. Wer will, kann auch Lachs nehmen.
Das Gericht gilt vielen als Säurebombe. Dem hält Danilo entgegen: „Das Zusammenspiel der Komponenten ist entscheidend. Der Mais und die Süßkartoffeln nehmen die Säure etwas weg. Und auch Chili neutralisiert etwas.“ Für Martin Volkelt kommt es bei einem perfekten Ceviche auf das Spiel von Schärfe, Säure, Süße und Salzigkeit an. „Ich nehme für die Süße Agavendicksaft. Durch Rohrzucker wird die Tigermilch bräunlich“, sagt er.
Übrigens ist die in Peru viel beschworene Tigermilch keine Milch, sondern aufgrund der Säure und der Eiweißmoleküle wird der beim Marinieren austretende Fischsaft leicht milchig. Diese Flüssigkeit wurde früher getrunken. Wegen der Farbe und ihrer belebenden Wirkung heißt sie „Leche de Tigre“. Da Ceviche heutzutage nur kurz gart, kann man die Tigermilch vorab zubereiten und den Fisch damit marinieren.
Für Puristen gehört nur Fisch in ein Ceviche. Doch in Peru werden auch Varianten mit Gemüse und Pilzen geschätzt. Danilo mariniert etwa dünne Champignonscheiben mit feinen roten Zwiebelstreifen, gewürfeltem Ingwer, Staudensellerie, Chili, fein geschnittenem Koriander und viel Limettensaft.
Sehr wenige, aber extrem frische Zutaten - das ist das Geheimnis einer guten Ceviche. Juan Danilo liebt dieses klassische Rezept, das er in seinem Kochbuch „Ceviche“ vorstellt.
400 g Seezunge, 1 gestrichener Teelöffel Salz, Saft von 10-12 Limetten, 1/2 gelbe Aji oder 1/4 Habanero-Chili (Samen und Wände entfernen)
Zubereitung:
1. Fisch in 3x3 Zentimeter große Würfel schneiden, in eine Schüssel geben, salzen und mit Limettensaft übergießen.
2. Danach die sehr fein gewürfelte gelbe Ajischote dazugeben.
3. Die Ceviche sollte sofort serviert werden und auf keinen Fall länger als 5 Minuten ziehen.
Frisch, fruchtig, leichte Schärfe und etwas Crunch ist auch dabei: Für Fans klassischer Varianten empfiehlt Martin Volkelt ein Kabeljau-Ceviche mit Avocado und Bananenchips. Wer will, kann den Kabeljau durch Lachs ersetzen.
400 g Kabeljaufilet, 3 Limetten, 1 Kochbanane, 1 rote Peperoni, 1 Bund Koriander, 2 Stangen Frühlingslauch, 1 Knoblauchzehe, 2 Avocados, 1 EL Agavendicksaft, 1 EL Olivenöl, Pflanzenöl zum Frittieren, Salz
1. Kabeljaufilet mit einem scharfen Messer von der Hautseite lösen. Danach das Filet in grobe Würfel schneiden und in eine Schüssel geben.
2. Saft der drei Limetten auspressen und die Schale von einer der Limetten abhobeln und zu den Fischwürfeln geben. Alles vermengen und abgedeckt im Kühlschrank 20 Minuten marinieren lassen. Wer es nicht glasig mag, mariniert 30-40 Minuten.
3. Die Kochbanane von der Schale befreien und mit einem Hobel der Länge nach in dünne Scheiben schneiden. Alternativ mit einem Sparschäler dünne Streifen von der Banane abschälen. Die Bananenscheiben in kleinen Mengen im heißen Fett bei 170 Grad Celsius goldgelb ausbacken. Danach herausnehmen, auf ein Küchenpapier legen und mit Salz würzen.
4. Peperoni waschen und in Ringe schneiden. Kräuter waschen und grob zupfen. Frühlingslauch waschen, vom Wurzelansatz befreien und in dünne Ringe schneiden. Knoblauch schälen und fein reiben.
5. Knoblauch, Peperoni, Frühlingslauch und Kräuter zum marinierten Fisch geben. Alles vorsichtig vermengen, Agavendicksaft und Olivenöl hinzugeben und mit Salz würzen. Abschmecken!
6. Avocado halbieren und vom Kern und der Schale befreien. Danach die Avocadohälften der Länge nach halbieren, in Scheiben schneiden und zusammen mit der Ceviche anrichten. Die Avocado mit Salz würzen und die Bananenchips darüber verteilen.
Literatur:
Juan Danilo: Ceviche. Das Kochbuch, Insel Verlag, 2019, 29,90 Euro, 168 Seiten, ISBN 978-3-458-17791-3
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