Reinhard Mey singt von dem Gefühl der Freiheit über den Wolken, sie erleben es: die Segelflieger des Flugsportvereins Bad Windsheim. Während der Corona-Pandemie war der Betrieb allerdings stark eingeschränkt. Nun, da der Frühling da ist, heben sie wieder ab und gleiten durch die Lüfte.
Das Ende der Saison läutet beim Flugsportverein meist der Ziellandewettbewerb im September oder Oktober auf dem vereinseigenen Gelände bei Wiebelsheim ein, erklärt Russell Lashley. Der 24-Jährige ist einer von vier ehrenamtlichen Fluglehrern. Seit zehn Jahren lebt er seine Leidenschaft für das Fliegen aus, schnupperte erstmals mit zwölf Jahren im Ferienprogramm des Jugendtreffs Schneiderscheune hinein. Ende 2020 schlossen er und Vorsitzender Felix Fiedler ihre Ausbildung zum Fluglehrer ab.
Über drei Einsitzer, einen Doppelsitzer, einen Motorsegler und ein Flugsportgerät verfügt der Verein. Ein Teil davon wird in der Winterpause abgerüstet. Flügel auseinanderschrauben, Macken ausbessern, waschen, polieren – für solche Arbeiten ist dann Zeit, sagt Lashley. Skurril: Einmal hatte ein Siebenschläfer sein Nest in die Bremsklappen eines Fliegers gebaut.
Ein Einsitzer sei in einer Viertelstunde mit zwei Leuten aufgebaut, bei einem Doppelsitzer braucht es schon fünf bis sechs Personen. Die Preisspanne für solche Flieger sei übrigens, erklärt Lashley, ziemlich weit. Doch auch bei einem teuren Exemplar geht ohne das Können des Piloten nicht viel, wenn es beispielsweise um die Leistung bei Wettbewerben geht.
Jedes Flugzeug hat seinen eigenen Hänger, auf dem es lagert. Dieser kommt auch zum Einsatz, wenn eine Notlandung auf einem Acker nötig ist. Das passiere allerdings recht selten und werde im Vorfeld freilich auch geübt, betont Lashley, in der Regel auf anderen Flugplätzen. Die Sicherheit stehe beim Fliegen stets an erster Stelle. „Das eigene Leben ist immer mehr wert als der Flieger. Das ist klar“, sagt der 24-jährige Student.
Im März kommt jedes Jahr ein Prüfer zur Hauptuntersuchung der Segelflieger. Danach startet die neue Saison. Ideal seien die Bedingungen fürs Segelfliegen, wenn „Rückseitenwetter“ herrscht, sagt Lashley, „eine Kaltfront durchs Flachland zieht“. Etwa drei Viertel des Himmels sollten mit Wolken bedeckt sein.
Der Verein verfügt über zwei Bahnen am Flugplatz nördlich von Wiebelsheim. Normalerweise werde jedes Wochenende – samstags ab 13 Uhr und sonntags ab 9 Uhr – geflogen. Ein sehr zeitintensives Hobby, gibt der Fluglehrer zu. Doch gerade für die Schüler – aktuell gibt es sechs Fluganfänger – sei es wichtig, eine Routine zu entwickeln. „Sie müssen ein Gefühl dafür kriegen“, sagt Lashley. Der Sommer wird für die Praxis genutzt, der Winter für die Theorie.
Die Corona-Pandemie habe die Flugbegeisterten „schwer getroffen“, erzählt Lashley. Sie konnten kaum üben, weil die Regeln für Flugsportvereine höchst undurchsichtig gewesen seien. Das habe sich auch in der Flugleistung bemerkbar gemacht. Bei Wiederaufnahme des Flugbetriebs habe deshalb jeder zwei Übungsstarts absolvieren müssen, „um wieder reinzukommen“.
Auch der Flugsportverein Bad Windsheim kämpft mit Nachwuchsmangel. Viele würden das Fliegen eine Zeit lang testen, dann aber wieder aufhören. Schnupperflüge seien auf Anfrage möglich, sagt Lashley. Für den Sommer sei ein Tag der offenen Tür geplant, auch über ein Angebot bei der Volkshochschule denke man nach – einfach, um in den Köpfen der Menschen präsent zu bleiben. „Es ist nie zu spät, um anzufangen“, sagt Lashley – zumindest solange man körperlich und geistig fit ist.
Die Gemeinschaft wird im Verein groß geschrieben. Zwar schätzt Lashley am Fliegen vor allem die Ruhe, den Spaß und die Freiheit – aber auch das Vereinsleben, „das Gschmarri“ der Freunde mache es aus. Auf dem Papier hat der Flugsportverein zwischen 50 und 60 Mitglieder, überschlägt der Fluglehrer. Zu den Aktiven zählen etwa 20, wirklich da seien allerdings meist zwischen zwölf und 14. „Für einen sauberen Flugbetrieb braucht man mindestens vier Personen“, erklärt der 24-Jährige, angenehmer sei es allerdings mit sechs bis sieben.
Jeder trage im Verein bei, was er eben kann. Lashley selbst ist Informatiker und betreut beispielsweise die Homepage, andere übernehmen als Kfz-Mechaniker die Reparaturen. Kommt jemand einmal später oder kann am Wochenende nur einen Tag am Flugplatz sein, nehme man freilich Rücksicht. Bilden sich Leute aber ein, sie setzen sich in den vorbereiteten Flieger, ziehen durch die Lüfte und verschwinden dann wieder, geht das natürlich nicht. „Alles schon passiert“, sagt Lashley.
Was er wohl nie vergessen werde, sei sein erster Alleinflug. 126 Starts habe er gebraucht, bis es soweit war – relativ viele, wie der 24-Jährige sagt. Im Durchschnitt seien es circa 60. Plötzlich alleine zu fliegen und nicht wie zuvor mit dem Lehrer im Doppelsitzer – das sei wie ein „Upgrade von Opel zu Porsche“. Viel agiler sei der Einsitzer. Nach dem sogenannten „Freifliegen“ gibt es übrigens einen Blumenstrauß – „den hat jeder noch daheim“.
Anna Franck
Dieser Artikel wurde erstmal in der FLZ vom 7. Mai 2022 veröffentlicht.