Dass ein nachweislich biologischer Vater auch rechtlicher Vater sein möchte, ist verständlich. Dass Väter vor Gericht per Vaterschaftsanfechtung darum kämpfen, auch, doch es kommt eher selten vor. Wie häufig sind Anfechtungen generell? Und welche Rolle spielen die Mütter? Eine Familienrechtsexpertin gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie viele Vaterschaftsanfechtungen es jährlich gibt, kann man nicht genau sagen. Aber das Statistische Bundesamt führt als aktuellste Zahl für den Oberbegriff vor den Amtsgerichten 11.843 Abstammungssachen in 2021 aus. In der Zahl sind die Vaterschaftsanfechtungen mit enthalten. „Diese Zahl ist insgesamt nicht sehr groß, vergleicht man sie etwa mit der Anzahl der Geburten pro Jahr in Deutschland“, ordnet Prof. Christine Budzikiewicz vom Institut für Familienrecht der Philipps-Universität Marburg ein. So wurden in 2021 insgesamt 795.492 Kinder geboren, 2022 waren es 738.819.
Auch im Vergleich zu anderen Familienrechts-Verfahren ist die Anzahl nicht hoch. „So wurden beispielsweise mit dem Gegenstand „elterliche Sorge“ 2021 insgesamt 150.032 Verfahren erledigt“, so Budzikiewicz.
Die typische Konstellation in der Praxis betrifft laut der Professorin Fälle, in denen Ehepaare bereits getrennt leben, dann aber vor der Scheidung noch ein Kind geboren wird. In diesem Fall gelte zunächst der Noch-Ehemann als Vater des Kindes. Sollte dieser nicht der genetische Vater sein, könne die Vaterschaft angefochten werden.
Daneben gibt es auch den klassischen Fremdgeh-Fall, bei dem der rechtliche Vater irgendwann misstrauisch wird - meist im Zusammenhang mit einer Trennung. „Die Vaterschaftsanfechtung geht dann typischerweise vom rechtlichen Vater aus“, erklärt Prof. Budzikiewicz. Anfechtungen durch Mütter und Kinder seien sehr selten.
Es gibt in der Tat eine alternative Möglichkeit der Vaterschaftsanerkennung durch einen Dritten. Da muss dann aber der frühere Ehemann der Mutter zustimmen. „Durch die sogenannte „Dreiererklärung“ soll ein aufwendiges Anfechtungsverfahren überflüssig werden“, sagt Budzikiewicz.
Der Weg über die Dreiererklärung wird aber selten beschritten. Meist fehlt es an einer erforderlichen Zustimmung - entweder des früheren Ehemanns oder der Mutter. „Teilweise aber auch, weil das Verfahren langwierig ist, da die Dreiererklärung erst mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses wirksam wird“, so die Familienrechtsexpertin.
Teilweise werde der Weg auch gescheut, weil sich einer der Beteiligten dann doch nicht sicher ist, wer tatsächlich der genetische Vater ist. Dann möchte man diese Frage lieber 100-prozentig klären.
Da sagt Prof. Budzikiewicz ganz klar: „Die Anerkennung der Vaterschaft bedarf stets der Zustimmung der Mutter.“ Ohne ihre Zustimmung wird die Vaterschaftsanerkennung nicht wirksam. „Mit anderen Worten: Ein Mann kann nicht gegen den Willen der Mutter im Wege der Anerkennung rechtlicher Vater ihres Kindes werden“, fasst die Professorin zusammen.
Verweigere die Mutter ihre Zustimmung, bliebe dem genetischen Vater, der auch rechtlicher Vater des Kindes werden möchte, nur der Weg über die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft.
Das deutsche Abstammungsrecht geht vom Prinzip der Zwei-Elternschaft aus. Das bedeutet laut Christine Budzikiewicz, dass ein Kind maximal zwei rechtliche Elternteile haben kann. Eine rechtliche Elternschaft von drei oder mehr Personen, die die Position von Volleltern einnehmen sollen, sei selbst dann nicht möglich, wenn alle Beteiligten damit einverstanden wären.
Aber die Professorin macht auf eine Sonderkonstellation aufmerksam, die es nur bei der Volljährigenadoption gibt: „Wird eine volljährige Person als Kind angenommen, kann sie bis zu vier rechtliche Elternteile erhalten.“ Eltern der angenommenen Person seien dann sowohl Adoptivelternteile als auch die leiblichen Eltern, also die Ursprungsfamilie.
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