Wer als Halter eines unkastrierten Rüden beim Gassigehen diesen Satz von anderen Hundebesitzern hört, bekommt womöglich Schweißausbrüche: „Meine Hündin ist läufig.“ Stress ist dann vorprogrammiert.
Nun sollte der Liebling schnellstens an die Leine genommen und ein anderer Weg eingeschlagen werden. Durchdrehen wird der Hund wahrscheinlich trotzdem. Wer sich und seinem Tier das ersparen möchte, eine Kastration jedoch ausschließt, kann seinem Rüden ein Hormonimplantat setzen lassen.
„Dieses Implantat gibt kontinuierlich Wirkstoffe ab und sorgt damit für einen Stopp der Testosteronproduktion“, sagt Ursula von Einem vom Bundesverband Praktizierender Tierärzte. Je nach Präparat ist der Hund mindestens mehrere Monate lang nicht mehr zeugungsfähig, er hat eine deutlich herabgesetzte Libido, äußerlich sichtbar wird die Wirkung an den schrumpfenden Hoden.
Geeignet ist diese Variante, wenn eine Operation nicht gewollt ist wie zum Beispiel bei Zuchtrüden, oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Viele Tierbesitzer nutzen diese Variante auch als eine Art Kastration auf Probe: Sie wollen zunächst wissen, wie ihr Rüde auf eine Kastration reagiert, bevor sie ihm die Hoden abtrennen lassen.
„Manche Rüden leiden sehr, wenn läufige Hündinnen im Umfeld sind. Sie werden in dieser Zeit verhaltensauffällig, nehmen stark ab oder laufen ständig weg“, sagt von Einem. Eine Kastration sorgt hier in der Regel für eine deutliche Erleichterung. Keine Auswirkung hat sie allerdings auf unerwünschtes Verhalten, das etwa aus Angst oder Erziehungsdefiziten resultiert.
„Es gibt zwei verschiedene Implantate auf dem Markt, die sich durch ihren Wirkstoffgehalt und die Wirkdauer unterscheiden“, erklärt der Fachtierarzt für Reproduktionsmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Axel Wehrend. Das sogenannte „kleine Implantat“ hält mindestens ein halbes Jahr, das „große“ mindestens ein Jahr - wie lang genau, ist allerdings bei jedem Tier unterschiedlich.
Ein Zeichen dafür, dass die Wirkung nachlässt, ist die Vergrößerung der Hoden. Wer sein Tier erneut chippen lassen möchte, sollte spätestens dann wieder zum Tierarzt gehen. Denn damit der Hund keinen Hormonschwankungen ausgesetzt wird, sollte der Folge-Chip gesetzt werden, solange der vorherige noch wirkt.
Seit 2007 ist diese umgangssprachlich „chemische Kastration“ genannte Methode für Rüden in Deutschland zugelassen. Nun gibt es eine neue Entwicklung, wie Wehrend erklärt: Das „kleine“ Implantat darf jetzt auch Hündinnen gesetzt werden. Während die Hormone wirken, werden sie nicht läufig und damit nicht unwiderstehlich attraktiv für Rüden, zudem gibt es keine Blutungen.
Allerdings ist der Therapiebeginn nur bei sehr jungen Tieren möglich. „Sie dürfen noch nicht in der Pubertät sein“, so der Fachtierarzt. Gesetzt werden muss der Chip erstmals im Alter zwischen 12 und 16 Wochen. Er hält anschließend mindestens ein halbes Jahr lang und kann dann bei Bedarf erneuert werden.
Bereits geschlechtsreife Hundedamen dürfen jedoch nicht erstmals den Hormonchip erhalten. Bei ihnen kann er zu einer Erkrankung der Eierstöcke führen, wie Zysten und Vereiterungen, oder zu einer Dauerläufigkeit.
Bei Rüden sieht die Sache anders aus. Bei ihnen gibt es kein Höchst-, sondern ein Mindestalter. Eingesetzt darf er laut Wehrend nur bei bereits geschlechtsreifen Tieren. Denn der Hoden entsteht in der Bauchhöhle und steigt dann durch die beiden noch offenen Leistenspalten in den Hodensack ab. Dann schließen sich die Spalten.
Ist das Tier noch jung und hat daher noch offene Leistenspalten, besteht die Gefahr, dass die durch den Hormonchip verkleinerten Hoden zurück in die Bauchhöhle fallen können.
Nach dem Einsetzen des Chips kommt es zunächst zu einer sogenannten Stimulationsphase, denn der Testosteronspiegel steigt erst einmal an. Beim Rüden wird das deutlich an seinem sogar noch erhöhten Sexualtrieb, bevor anschließend die Bildung von Testosteron und damit auch von Samenzellen reduziert wird.
„Wie lange die Stimulationsphase dauert, ist von Tier zu Tier unterschiedlich, spätestens nach sechs Wochen sollte sie vorbei sein“, erklärt Wehrend. „Bei vielen setzt die dämpfende Wirkung nach etwa zwei Wochen ein.“ Wie bei allen Medikamenten gebe es vereinzelt auch „Therapieversager“, bei diesen Tieren bleibt der Chip also ohne Wirkung.
Doch wie oft darf ein Hund im Laufe seines Lebens einen Hormonchip erhalten? Hier haben die Veterinäre unterschiedliche Ansichten. Die Methode sei auch für die Lebensdauer durchführbar, sagt von Einem. Wehrend meint dagegen, zu dieser Frage gebe es bisher nicht ausreichend viele Untersuchungen. „Ich selbst kenne eine ganze Reihe von Rüden, die schon ihr viertes Implantat erhalten haben“, sagt er.
Generell habe ein Hormonchip nur sehr wenige Risiken und Nebenwirkungen. So berichten manche Besitzer, dass sich das Haar ihres Tieres verändert. Es wellt sich zum Beispiel, wird weicher oder fällt vermehrt aus.
Wie auch nach einer operativen Kastration verbrauchen die Rüden nun weniger Energie - werden sie wie zuvor gefüttert, nehmen sie zu.
© dpa-infocom, dpa:250312-930-402041/1