Der Tag ist geschafft. Jetzt heißt es: zur Ruhe kommen, um für morgen wieder Energie zu tanken. Viele suchen Entspannung, indem sie es sich mit Serie, Podcast oder Hörbuch auf dem Sofa gemütlich machen. Und zack - ist man weggedöst.
Wirkt sich das negativ auf die Schlafqualität später im Bett aus? „Pauschal lässt sich das nicht sagen“, sagt Prof. Thomas Penzel. Er ist wissenschaftlicher Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums an der Berliner Charité.
Zwar sei in der sogenannten Leichtschlaf-Phase das zentrale Nervensystem nach wie vor mit Reizen von außen konfrontiert, die es verarbeiten müsse. „Ob das einem guttut oder nicht, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich“, sagt Penzel.
Ähnlich sieht es Torsten Grüttert, Facharzt für Psychiatrie in Duisburg. „Es kann durchaus sein, dass das Durchschlafen schwieriger ist, weil das Gehirn nach wie vor mit dem Verarbeiten des Gesehenen oder Gehörten beschäftigt ist“, sagt er.
Und es gebe Studien, die darauf hindeuten, dass zu viel blaues Licht, etwa von Tablet oder Smartphone, die Schlafqualität beeinträchtigen kann. Der Grund: Die blaue Lichtfarbe hemmt die Produktion von Melantonin, einem Hormon, das uns bei Dunkelheit müde macht.
„Blaues Licht hält einen länger wach, während etwa rötliches Licht einen leichter und schneller in den Schlaf finden lässt“, erklärt Penzel.
Fest steht den Experten zufolge, dass der Schlaf mit Serie, Podcast oder Hörbuch im Ohr insgesamt weniger tief ist. Es gibt mehrere Schlafphasen, zu denen neben dem Leichtschlaf der Tiefschlaf und der Traumschlaf zählen. „Die Leichtschlaf-Phase ist vor dem Fernseher womöglich länger“, sagt Thomas Penzel. Ob das das Gefühl des Ausgeschlafenseins am nächsten Tag schmälert, hängt wieder vom Einzelfall ab.
„Ideal ist es natürlich, nach dem Dösen auf dem Sofa aufzuwachen und dann im Bett tief und fest zu schlafen.“ Ganz nach dem Motto: Der Tiefschlaf gehört auf jeden Fall ins Bett.
Wer schon mal mitten in der Nacht bei laufendem Fernseher aufgewacht ist, weiß aber: Das gelingt nicht immer. Oft fühlt man sich dann aufgekratzt, kommt nicht so schnell wieder zur Ruhe.
In solchen Momenten können Entspannungsübungen helfen. Die Deutsche Stiftung Schlaf etwa empfiehlt eine tiefe Bauchatmung: Dafür reiben Sie eine Weile beide Handflächen aneinander. Dadurch entwickelt sich Wärme. Legen Sie nun die Hände auf den Bauch, unterhalb des Bauchnabels. Atmen Sie tief aus und ein und nehmen Sie wahr, wie sich die Bauchdecke hebt und senkt.
Eine andere Möglichkeit: „Liegenbleiben und sich bewusst machen: Mein Herz schlägt ruhig und gleichmäßig“, sagt Torsten Grüttert. Auch das kann entspannen.
Es kann einen weiteren Nachteil haben, regelmäßig nur mithilfe des Rituals von Fernseher, Podcast oder Hörbuch einzuschlafen. Denn dann läuft man Gefahr, morgens etwa den Radiowecker gar nicht mehr als Wecker wahrzunehmen.
Wie auf Nummer sicher gehen, dass man doch aufwacht? Ein Tipp von Torsten Grüttert: „Zusätzlich zum Radiowecker einen regulären Wecker nutzen mit einem möglichst schrill-unangenehmen Ton“.
Es gibt also gute Gründe, seine Einschlafgewohnheiten zu hinterfragen - vor allem dann, wenn man herausgefunden hat, dass das Eindösen vor dem Fernseher oder mit Kopfhörern im Ohr einem nicht so guttut.
Ein interessanter Film oder ein spannender Podcast können durchaus entspannend wirken. Aber sobald man darüber einschläft, ist Schluss. „Das gilt vor allem, wenn man am nächsten Tag wegen schlechten Schlafs in der Nacht nicht so erholt ist“, so Grüttert.
Ein Teil der Lösung ist also: eine klare Trennung zwischen Medienkonsum und der Phase, in der es wirklich ums Einschlafen geht. „Hier kann es sich anbieten, es sich beim Fernsehen oder Podcast gucken nicht so bequem zu machen“, sagt Torsten Grüttert. Das kann heißen: Statt weich gepolstert auf der Couch zu liegen, setzt man sich auf den härteren Sessel.
Eine andere Möglichkeit kann sein, den Partner oder die Partnerin zu bitten, einen zu wecken, wenn man eingedöst ist. Oder: „Man setzt sich einen Timer“, sagt Thomas Penzel. Der Fernseher oder das Tablet gehen dann nach 30 oder 60 Minuten automatisch aus.
Wer also dank TV, Podcast oder Hörbuch eine gewisse Grundentspanntheit erlangt hat, kann anschließend gutes Einschlafen im Bett fördern. Und zwar mit kleinen Ritualen wie einer Tasse heiße Milch mit Honig, einem Fußbad, autogenem Training.
„Auch ein als angenehm empfundener Geruch im Schlafzimmer oder an der Bettwäsche können entspannend wirken“, sagt Grüttert. Das kann Lavendel, das Lieblingsparfüm oder vielleicht einfach nur der Geruch des Waschpulvers sein, der an der Wäsche haftet.
„Wichtig ist auch, vor dem Schlafengehen nicht zu üppig und kalorienreich zu essen“, sagt Grüttert. Und auch nicht übermäßig viel zu trinken - sonst besteht das Risiko, dass das Durchschlafen nicht möglich ist, weil man nachts zur Toilette muss.
Welche Routine einem nun zu einem guten Schlaf verhilft, ist sehr individuell - Fernsehen, Podcast oder Hörbuch können ein Teil davon sein. Wobei es ja nicht unbedingt Horrorfilme oder Krimis sein müssen. Letztendlich gilt: „Einfach ausprobieren“, rät Penzel.
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