Im kurzen, aber knackigen Wahlkampf machte CSU-Chef Markus Söder keinen Hehl aus den Forderungen seiner Partei für die Politik der neuen Bundesregierung: „Die Migration ist die rote Linie: Ohne Änderung gibt es keine Koalition“, sagte er bei so ziemlich jeder sich bietenden Gelegenheit.
Nachdem Union und SPD nun ihre wochenlangen Koalitionsverhandlungen beendet haben, lohnt sich ein Blick, welche CSU-Versprechen noch im Vertragsentwurf vorhanden sind. Ob und wann diese dann umgesetzt werden, steht aber auf einem anderen Papier. Eine Auswahl der wichtigsten Punkte:
Wem diese Forderung der CSU wichtig war, der dürfte enttäuscht sein. „Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet“, steht kurz, knapp und unmissverständlich im Vertrag. Söder hatte vor der Wahl argumentiert, dass der individuell einklagbare Anspruch auf Asyl umgewandelt werden müsse in eine objektive Garantie.
Hier ist die Formulierung nicht so konkret, wie man es bei den geäußerten Forderungen im Wahlkampf erwartet hatte: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen“, heißt es im Vertrag. Weiter: „Wir wollen alle rechtsstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren.“ Die Grenzkontrollen sollen bis auf Weiteres bestehen bleiben, die genannte faktische Grenzschließung ist damit aber nicht umgesetzt.
In diesem Punkt hat die CSU Wort gehalten: „Wir werden die Pendlerpauschale zum 01.01.2026 auf 38 Cent ab dem ersten Kilometer dauerhaft erhöhen“, heißt es im Vertrag. Dieser Punkt dürfte insbesondere bei der Bevölkerung im ländlichen Raum in Bayern gut ankommen, wo es oft weite Wege und noch immer keinen ÖPNV gibt.
„Die Mütterrente kommt“, so hatte es Söder bereits gut gelaunt nach der Sondierungsrunde von SPD und Union verkündet. Im Vertrag heißt es konkret: „Wir werden die Mütterrente mit drei Rentenpunkten für alle vollenden – unabhängig vom Geburtsjahr der Kinder –, um gleiche Wertschätzung und Anerkennung für alle Mütter zu gewährleisten.“ Die Finanzierung soll übrigens trotz der klammen Kasse des Bundes aus Steuermitteln erfolgen. Die Mütterrente bilde eine „gesamtgesellschaftliche Leistung“ ab.
Die grundlegende Reform des Ausgleichssystems, die die CSU auch mit ihrer laufenden Klage am Bundesverfassungsgericht anstrebt, kann die angekündigte Neuerung im Koalitionsvertrag zwar nicht liefern. Aber es geht bei dem Dauerstreitthema voran: So sollen die Geberländer - also auch Bayern - beim Länderfinanzausgleich entlastet werden, und zwar um 400 Millionen Euro pro Jahr. Geberländer im System der finanziellen Umverteilung zwischen den Ländern waren zuletzt Bayern, Baden‑Württemberg, Hessen und Hamburg.
Hier kann die CSU ihre Forderungen aus dem Wahlkampf mit Ergebnissen unterfüttern: So soll die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen ebenso gesenkt werden wie die Steuerlast der Unternehmen. Auch die Energiepreise sollen sinken. „Wir entlasten Wirtschaft, aber auch Bürger. Steuern runter, nicht rauf“, betonte Söder nach der Einigung in Berlin. Auch eine weitere CSU-Forderung ist erfüllt: Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie soll von 2026 an dauerhaft auf sieben Prozent reduziert werden - nicht aber für Getränke, wie es die CSU ebenfalls gefordert hatte.
Die klare Ankündigung, das von SPD, Grünen und FDP in der abgelaufenen Legislaturperiode geänderte Wahlrecht wieder abzuschaffen, findet im Vertrag keine direkte Konsequenz. „Wir wollen eine Wahlrechtskommission einsetzen, die die Wahlrechtsreform 2023 evaluieren und im Jahr 2025 Vorschläge unterbreiten soll, wie jeder Bewerber mit Erststimmenmehrheit in den Bundestag einziehen kann und der Bundestag unter Beachtung des Zweitstimmenergebnisses grundsätzlich bei der aktuellen Größe verbleiben kann.“ Ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren solle in der Folge „unverzüglich“ eingeleitet werden.
Im Vertrag fehlt das Wort Erbschaftsteuer vollends und damit auch die von der CSU geforderte Regionalisierung der Abgabe. Die CSU hatte sich im Wahlkampf auch dafür ausgesprochen, dass die Freibeträge erhöht werden sollen, ab denen die Steuer fällig wird. Änderungen sind damit hier keine in Sicht.
Das Heizungsgesetz wird gestrichen. Stattdessen wollen Union und SPD ein neues Gebäudeenergiegesetz „technologieoffener, flexibler und einfacher“ gestalten. Die erreichbare CO2-Vermeidung solle „zur zentralen Steuerungsgröße“ werden. CSU und CDU hatten schon lange vor der Wahl immer wieder angekündigt, das Gebäudeenergiegesetz (GEG), oft als Heizungsgesetz bezeichnet, grundlegend zu überarbeiten.
Hier kann die CSU nicht liefern. Die Worte Kern- oder Atomkraft haben es gar nicht in den Koalitionsvertrag geschafft und somit auch nicht die dahinter stehenden Forderungen der CSU für eine Renaissance der nuklearen Energieerzeugung. Im Vertrag steht nun lediglich, dass die schwarz-rote Koalition die Fusionsforschung stärker fördern möchte: „Unser Ziel ist: Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen.“
Die Klinikreform wird nicht rückgängig gemacht, es soll aber Verbesserungen geben: „Wir ermöglichen den Ländern zur Sicherstellung der Grund- (Innere, Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe) und Notfallversorgung der Menschen besonders im ländlichen Raum Ausnahmen und erweiterte Kooperationen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Und Fristen werden angepasst. Finanzlücken aus Vorjahren sollen mit Mitteln aus dem Sondervermögen Infrastruktur gestopft werden.
Auch hier bleibt die Einigung hinter den Forderungen aus dem Wahlkampf zurück. „Im Herbst 2025 führen wir eine ergebnisoffene Evaluierung des Gesetzes zur Legalisierung von Cannabis durch“, heißt es im Vertrag. Ob in der Folge die gewünschte Abschaffung kommt, muss sich zeigen.
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