Naturkatastrophen, Armut, Hunger und immer wieder aufbrechende Krisenherde - die Hilferufe betroffener Länder an die internationale Gemeinschaft sind gewaltig. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) stehen unter dem Druck, deutlich mehr zu machen als bisher, um die globalen Krisen abzufedern - und das in einer Zeit, in der manchen Geberländern selbst die Kraft für Entwicklungshilfe auszugehen scheint.
Vor diesem Hintergrund treffen sich die Finanz- und Entwicklungsminister gerade im vom Erbeben gebeutelten Marrakesch mit Weltbank und IWF-Vertretern. Eins der Ziele: Die Weltbank fit machen für neue Anforderungen. Geht es nach Deutschland, den USA und anderen soll die Entwicklungsbank, die ärmeren Ländern über Darlehen zu billigem Geld verhilft, einen neuen Auftrag bekommen.
Bisher konzentriert sich die Bank vor allem auf die Bekämpfung von Armut. Künftig, so die Vorstellung etwa von Entwicklungsministerin Svenja Schulze, soll sie bei Kreditentscheidungen immer mit bedenken: Wie trägt das zum Klimaschutz, zum Schutz bedrohter Arten, zur allgemeinen Bildung oder zur Bekämpfung ansteckender Krankheiten bei?
„Armut beenden auf einem lebenswerten Planeten“, so soll das neue Geschäftsmodell der Weltbank lauten. Im Fokus stehen sogenannte globale öffentliche Güter. Das sind Dinge, die alle Menschen weltweit zum Überleben brauchen. Eine saubere Umwelt, ein stabiles Klima, Frieden, globale Gesundheit. Sie im globalen Süden bereitzustellen oder zu schützen, kostet nach Schätzungen der Bundesregierung bis 2030 jährlich 2,4 Billionen US-Dollar (rund 2,26 Billionen Euro)
Der neue Auftrag soll konkrete Auswirkungen auf die Kreditvergabe haben. So sollen Gelder zum Beispiel auch für Impfkampagnen oder Projekte vergeben werden, die zum Klimaschutz beitragen. „Ein Landwirtschaftsprojekt, das nicht darauf ausgelegt ist, klimabedingten Schocks und langfristigen Belastungen wie Dürren, verkürzten Jahreszeiten und unberechenbaren Wettermustern standzuhalten, wird die angestrebten Ergebnisse nicht erreichen. Ein Projekt mit dürreresistenten Pflanzen und einer effizienteren Wassernutzung wird jedoch zu höheren Erträgen führen, die Lebensgrundlagen verbessern und die Ernährung der Bevölkerung sichern“, erklärte US-Finanzminister Janet Yellen in Marrakesch.
Ärmere Länder, die aktuell viel Unterstützung bekommen, sehen die Reform auch kritisch. Sie befürchten, dass die Weltbank zur „Klimabank“ wird - und sie weniger vom Kuchen abbekommen, wenn der Auftrag erweitert wird. Befürworter dagegen argumentieren, auch diese Länder profitierten von mehr Klimaschutz und grenzenüberschreitenden Initiativen. Außerdem solle das Geld der Weltbank nur der Hebel sein, um ein Vielfaches an privatem Kapital zu aktivieren. Dann könne man die staatliche Entwicklungshilfe wieder stärker auf die ärmsten Länder richten.
Doch das Problem bleibt: Die Weltbank muss mehr Geld mobilisieren. Dafür soll sie zum einen privates Kapital eintreiben, aber auch mehr Risiko für Finanzierung gerade in den ärmsten Ländern schultern, damit Investoren nicht weiter einen Bogen um diese machen. Dabei, so betont auch die Bundesregierung, dürfe aber das AAA-Rating der Weltbank - die höchste Bonitätsnote der Rating-Agenturen - nicht in Gefahr geraten.
Im Frühjahr in Washington beschloss die Weltbank zudem bereits erste Maßnahmen, um ihre Finanzkraft auf zehn Jahre um 50 Milliarden US-Dollar zu steigern. Mit weiteren Instrumenten könnten mehr als 100 Milliarden mobilisiert werden.
„Wir erwarten sehr bald weitern Fortschritt“, sagte Yellen. Doch die deutsche Regierung ist die einzige, die bisher eine belastbare Kapitalzusage gemacht hat, die das Ausleihvolumen der Weltbank um rund 2,5 Milliarden Euro erhöhen soll. Generell gilt: der Ukraine-Krieg, die hohe Inflation, explodierende Staatsschulden zehren gerade auch an den Kräften vieler reicher Länder, die selbst mit dem klimagerechten Umbau ihrer Wirtschaft zu kämpfen haben.
Die Entwicklungsorganisation One warnt jedoch, dass Warten noch viel teurer werden könnte. „Nichts ist so teuer wie eine verpasste Chance“, sagte Deutschland-Direktor Stephan Exo-Kreischer. „2023 war erneut ein Jahr vieler tödlicher Katastrophen - Weckrufe, die wir nicht länger überhören dürfen.“
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