Die Akte schien geschlossen, da ging sie noch mal auf: Der Poker um Fußball-Nationalspieler Nick Woltemade hat kurz vor dem Ende der Transferperiode eine überraschende Wende genommen. Der 23 Jahre alte Stürmer geht aber nicht etwa vom VfB Stuttgart zum FC Bayern München, sondern steht unmittelbar vor einem Wechsel zum englischen Spitzenclub Newcastle United.
„Kurz vor Schließung der Sommer-Transferperiode ist dem VfB Stuttgart das Angebot eines europäischen Clubs für einen sofortigen Transfer von Nick Woltemade zugegangen“, teilte der DFB-Pokalsieger am Abend mit. Aufgrund der „Rahmenbedingungen dieses Angebots“ sei der Torjäger für entsprechende Gespräche vom Trainings- und Spielbetrieb freigestellt. Bereits am Freitag erwartet der VfB eine Entscheidung.
Als Ablöse kassiert der schwäbische Bundesligist bis zu 90 Millionen Euro - vorausgesetzt, Woltemade besteht den für Freitag geplanten obligatorischen Medizincheck. Entsprechende Medienberichte decken sich mit dpa-Informationen. Zuerst hatte die „Daily Mail“ darüber berichtet. Es ist davon auszugehen, dass sich der VfB bis zum Transferschluss am kommenden Montag noch um einen adäquaten Ersatz für seinen Shootingstar bemüht.
Sollte der Transfer über die Bühne gehen, würde sich der harte Kurs, den der VfB in der Causa Woltemade bislang gefahren ist, auszahlen. Die Bayern hatten wochenlang um den Angreifer geworben, waren aber mit mehreren - vor allem niedrigeren - Angeboten beim DFB-Pokalsieger abgeblitzt.
Rund um den Supercup, den die Münchner vor knapp zwei Wochen in Stuttgart gewannen, hatten die VfB-Bosse Alexander Wehrle und Fabian Wohlgemuth das Thema zumindest aus ihrer Sicht weitgehend abgeräumt. „Die Akte ist geschlossen“, hatte Vorstandschef Wehrle gesagt. Sportvorstand Wohlgemuth erklärte: „Das Thema ist vom Tisch.“ Woltemade werde auch in dieser Saison für den VfB spielen, beteuerten beide unisono. Auch in den Tagen danach waren sie von diesem Kurs nicht abgewichen.
Ob von Wehrle, Wohlgemuth, Sportdirektor Christian Gentner oder Trainer Sebastian Hoeneß - von allen Seiten gab es zuletzt Lob für Woltemades professionelles Verhalten. Der Spieler hatte den Club frühzeitig in diesem Sommer über seinen Wechselwunsch informiert und war sich mit den Bayern bereits einig. Der VfB ließ Woltemade aber nicht aus seinem bis 2028 gültigen Vertrag raus - und der Stürmer sich trotzdem nicht hängen.
Beim dramatischen Erstrunden-Sieg im DFB-Pokal bei Eintracht Braunschweig am Dienstag traf Woltemade sowohl aus dem Spiel heraus als auch später im Elfmeterschießen. Zuvor war er in den ersten Pflichtspielen der Saison torlos geblieben und hatte gegen die Bayern eine riesige Chance vergeben.
Jetzt, wo alles danach aussah, als würde Woltemade zähneknirschend bleiben, geht er also doch. Statt an die Isar zieht es den Torschützenkönig der zurückliegenden U21-Europameisterschaft auf die Insel. Wirtschaftlich ist es ein riesiger Erfolg für den VfB, der Woltemade erst vor einem Jahr ablösefrei von Werder Bremen geholt hatte und dessen bisheriger Rekordverkauf Benjamin Pavard 2019 für rund 35 Millionen Euro gewechselt war - übrigens zu den Bayern.
Sportlich ist der sich abzeichnende Abgang des Bundesliga-Senkrechtstarters womöglich aber ein herber Verlust für die Stuttgarter, die am Samstag (15.30 Uhr/Sky) auf Borussia Mönchengladbach treffen. Coach Hoeneß dürfte auf einen neuen Stürmer pochen, doch die Zeit auf dem Transfermarkt drängt.
Der Woltemade-Poker war einen ganzen Sommer über das Topthema auf dem nationalen Transfermarkt. Bayern-Patron Uli Hoeneß und der deutsche Rekordnationalspieler Lothar Matthäus lieferten sich ein Verbal-Duell ob der angeblich angemessenen Ablösesumme, Woltemade-Berater Danny Bachmann kritisierte den VfB für sein Veto scharf - und nun gibt's doch noch die Wende.
© dpa-infocom, dpa:250828-930-968770/3