Trinken ist im Kino seit jeher ein männlich geprägtes Thema. Ob Jean Gabin in „Ein Affe im Winter“, Mickey Rourke in „Barfly“ oder Mads Mikkelsen in „Der Rausch“ - der männliche Alkoholiker wird als tragische, bisweilen sogar romantisierte Figur inszeniert.
Doch was geschieht, wenn Frauen trinken? Wenn das Glas in der Hand einer Mutter nicht nach Bohème und Freiheit schmeckt, sondern nach Scham, Kontrollverlust und Stigmatisierung?
„Die guten und die besseren Tage“ von Elsa Bennett und Hippolyte Dard wagt einen mutigen Perspektivwechsel. Im Zentrum steht Suzanne (Valérie Bonneton), die nach einem Autounfall das Sorgerecht für ihre Kinder verliert und in der Entzugsklinik auf Frauen trifft, die an gesellschaftlichen Erwartungen und persönlichen Krisen gescheitert sind.
Sie trifft auf Chantal (Sophia Leboutte), die bereits bei ihrer elften Entzugskur ist, aber weiterhin an ihre Heilung glaubt, auf Diane (Michèle Laroque), eine ehemals gefeierte Schauspielerin, die inzwischen in Vergessenheit geraten ist, und auf Alice (Sabrina Ouazani), eine junge Partygängerin, die heimlich darunter leidet, ihre Eltern nie gekannt zu haben.
Unter jenen, die den gebrochenen Frauen wieder zu Selbstvertrauen helfen wollen, ist Denis, selbst ein ehemaliger Alkoholiker. Der sympathische Sportlehrer schlägt ihnen ein ebenso verrücktes wie befreiendes Ziel vor: die Teilnahme an einer Dünen-Rallye durch die marokkanische Wüste.
Mit unendlicher Geduld bringt er ihnen das Zeltaufbauen bei, erklärt Mechanik-Grundlagen und organisiert Orientierungseinheiten auf dem Parkplatz eines Supermarkts.
Statt steriler Sitzungen stehen nun Dünen, Wüstensonne und gemeinsames Training im Mittelpunkt. Zwischen Wüstensand und nächtlichen Gesprächen entsteht eine fragile Solidarität unter den Frauen, die Verdrängung, Scham und Rückfallängste hinter sich lassen wollen. Am Ende ist die Rallye weniger sportlicher Wettkampf als ein symbolischer Neuanfang - fernab von gesellschaftlichen Urteilen.
Die Inszenierung, die stellenweise an einen Dokumentarfilm erinnert, lässt viel Raum für Improvisation - besonders in den Szenen, in denen sich die Figuren direkt in die Kamera an einen Arzt wenden und ihre Erlebnisse schildern.
Für die Entwicklung der Geschichte traf das Regie-Duo Laurence Cottet, eine ehemalige Alkoholikerin, die sich heute intensiv für Aufklärung und Prävention einsetzt. Durch sie erhielten sie Zugang zu Behandlungszentren und konnten mit betroffenen Frauen sprechen.
Didaktisch, engagiert und zwischen Drama und Komödie angesiedelt, behandelt „Die guten und die besseren Tage“ ohne Tabus alle Facetten des Alkoholismus: Verleugnung, Einsamkeit, Scham, die Schwierigkeit, sich zu befreien, und das ständige Risiko eines Rückfalls.
Indem der Film das Thema so direkt aufgreift und Fiktion mit dokumentarischen Elementen verbindet, entsteht ein eindringliches, authentisches Gruppenporträt - auch wenn es gelegentlich ins Melodramatische kippt.
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