Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vor einem Jahr sind in Bayern fast 700 antisemitische Straftaten registriert worden - ein Rekordwert. Insgesamt 687 Taten wurden vom Landeskriminalamt (LKA) binnen der vergangenen zwölf Monate - bis einschließlich Ende September - erfasst, wie das Innenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Nachdem allein im letzten Quartal 2023 insgesamt 317 antisemitische Straftaten gezählt wurden, kamen bis Ende September noch einmal 370 dazu.
Unter den in diesem Jahr bislang erfassten Taten sind 198 Volksverhetzungs- und 75 Propagandadelikte, aber auch 23 Sachbeschädigungen und acht Körperverletzungsdelikte. Ebenso ging der mutmaßliche Terroranschlag in München am 5. September in die Statistik ein: Ein 18-jähriger Österreicher hatte auf das israelische Generalkonsulat und das NS-Dokumentationszentrum geschossen, bevor er von der Polizei getötet wurde. Die Tat wird in der Statistik des LKA aktuell als versuchtes Tötungsdelikt und als antisemitisch geführt.
Für das vergangene Kalenderjahr 2023 hatten die Behörden mit insgesamt 589 antisemitischen Straftaten ebenfalls schon einen Rekordwert vermeldet, nach einer Explosion der Zahlen seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. In den ersten neun Monaten 2023 waren lediglich 272 Taten gezählt worden. In den ersten neun Monaten dieses Jahres waren es mit 370 Taten rund 100 mehr als im Vorjahreszeitraum.
Zum Vergleich: 2019 hatte das Landeskriminalamt 310 antisemitische Straftaten gezählt, 2020 waren es 353, 2021 waren es 510 und im Jahr 2022 waren es 358 derartige Taten.
Die Sicherheit israelischer und jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie der Schutz von deren Einrichtungen habe sehr hohe Priorität, betont das Innenministerium. „Wir unternehmen alles rechtlich und tatsächlich Mögliche, um jede Form von Gewalttaten zu verhindern bzw. zu unterbinden, auch wenn keine hundertprozentige Sicherheit garantiert werden kann.“ Und man werde den Kampf gegen Hasskriminalität erheblich verstärken: „Kein Täter kann sich in Bayern in Sicherheit wiegen, Geschädigte lassen wir nicht allein.“
Jüdische und israelische Personen und Einrichtungen unterlägen einer hohen besonderen Gefährdung, betont das Innenministerium - wenngleich es für Bayern derzeit keine konkreten Gefährdungshinweise gebe. „Vor allem der Nahost-Konflikt verschärft das Gefährdungspotential. Unsere Sicherheitsbehörden sind deshalb höchst wachsam.“
Zuletzt hatte die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Bayern, die aber nicht ausschließlich Straftaten zählt, bereits von einem drastischen Anstieg der Fallzahlen nach dem 7. Oktober 2023 berichtet. Rias dokumentierte im Freistaat allein in den ersten sechs Monaten nach dem Hamas-Angriff 527 antisemitische Vorfälle mit Bezug zu Israel. Darunter waren fünf Angriffe, zwölf gezielte Sachbeschädigungen, 19 Bedrohungen, elf Massenzuschriften und 480 Fälle verletzenden Verhaltens, darunter 127 Versammlungen.
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