Reifenspuren sind auf dem Asphalt zu sehen. Und neongelbe Markierungen. Von der Polizei aufgesprüht, um den Weg des Wagens zu markieren.
Die gelbe Spur endet an einem Loch: Wo früher ein Gitter war, ist nun nichts mehr. Ein Auto hat die Abgrenzung mitgerissen, als es von der obersten Etage des Parkdecks schoss. Der grüne VW Golf flog mehr als 15 Meter tief und krachte auf den Gehweg. Ein 16-Jähriger und ein 19-Jähriger starben.
Am Tag nach dem Unglück in Essen stehen viele Anwohner noch unter Schock - aber sie sind auch sauer: Das Parkhaus im Stadtteil Borbeck verfällt schon seit längerem. Einige Dauerparkplätze sind vergeben, regulären Betrieb oder Schranken gibt es nicht mehr. Die Menschen berichten, dass es an dem Parkhaus immer wieder Ärger gebe. Auf der obersten Etage würden illegale Partys gefeiert, oft höre man nachts Reifen quietschen. Auch die Polizei habe man schon mehrfach gerufen.
Was an dem Abend des Ostersonntags vorging, wird noch ermittelt. Es war 19.20 Uhr und die Sonne ging langsam unter. Ohrenzeugen hörten plötzlich einen lauten Knall. Dann lag das Auto unten. Auf der Seite, „total deformiert“, wie die Feuerwehr später mitteilte. Die Einsatzkräfte stemmten das Dach auf, zogen die beiden jungen Männer raus - und begannen mit der Reanimation. In der Klinik wurde wenig später der Tod der Verunglückten festgestellt.
Die Ermittler wollen anhand von Zeugen und Spuren im Wrack klären, welcher der beiden jungen Männer am Steuer gesessen hatte. Wem das Auto gehörte, ob Alkohol oder Drogen im Spiel waren - all das kann die Polizei offiziell noch nicht beantworten. Am Abend selbst kamen schnell Angehörige zum Wrack. Sie mussten betreut werden. Der 19-Jährige soll in der Nähe gewohnt haben. Der 16-Jährige war im gut 20 Kilometer entfernten Herne gemeldet.
Allein der Verdacht, dass die beiden auf dem Parkdeck „gedriftet“ haben könnten, wirft ein Schlaglicht auf ein gefährliches Phänomen in NRW. Die Polizei geht inzwischen in vielen Städten - darunter Düsseldorf und Dortmund - streng gegen die sogenannte „Auto-Poser“-Szene vor. Immer wieder gibt es Kontrollen wegen getunten Wagen, die zum Beispiel an der bekannten Düsseldorfer Königsallee lautstark für Instagram in Szene gesetzt werden. Im Sauerland war es im Winter zu großen illegalen Versammlungen gekommen, bei denen junge Leute im Schnee „drifteten“. Man lässt das Heck ausbrechen, um Spuren zu ziehen.
Bundesweit ist der Karfreitag inzwischen als „Car-Freitag“ förmlich ein Feiertag der Szene. In Nordrhein-Westfalen war die Polizei mit einem Großaufgebot auf der Straße. In Düsseldorf wurden 121 Fahrzeuge und Fahrzeugführer überprüft. In Gelsenkirchen stellte die Polizei mehr als 100 Fälle von Geschwindigkeitsüberschreitungen fest.
Verletzte oder gar Tote gab es am „Car-Freitag“ in NRW nicht. Doch dann kam der Ostersonntag. „Schon am Nachmittag hörten wir immer wieder Motoren heulen und Reifen quietschen. Erst dachten wir an ein Straßenrennen, aber die Geräusche kamen vom Parkhaus“, sagte eine Anwohnerin der „Bild“-Zeitung. Was dort oben wirklich passiert ist, „müssen die Ermittlungen zeigen“, so eine Sprecherin der Polizei.
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