Ärztepräsident Klaus Reinhardt will nach seiner knappen Wiederwahl in den nächsten vier Jahren massiv Druck in der Gesundheitspolitik machen.
„Wir brauchen einen echten Paradigmenwechsel“, sagte er beim Deutschen Ärztetag in Essen. Die Probleme im Gesundheitswesen seien für die Gesellschaft genauso bedeutend wie die Erderwärmung. „Deshalb streite ich dafür, dass das Thema Gesundheit ebenso zukunftsweisend diskutiert wird wie das Thema Klima“, sagte er.
Die 250 Delegierten bestätigten Reinhardt für weitere vier Jahre in seinem Amt an der Spitze der Bundesärztekammer. Sie vertritt die Interessen von 550.000 Ärztinnen und Ärzten. Der 62-Jährige bekam 125 Stimmen - drei mehr als die Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, Susanne Johna. Die 57-Jährige wurde anschließend zur Vize-Präsidentin der Bundesärztekammer gewählt.
Von vielen Politikern werde die Tragweite der Probleme im Gesundheitswesen noch verkannt, kritisierte Reinhardt. Vor allem der Fachkräftemangel bedrohe die Versorgungssicherheit. „Was da zum Teil an Lösungsansätzen in der Politik diskutiert wird, ist abenteuerlich bis absurd.“
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse etwa bei der geplanten Krankenhausreform dafür sorgen, „dass Ärztinnen und Ärzte in Kliniken ohne ökonomische Vorgaben und Kostendruck mit ausreichend Zeit und Möglichkeit der empathischen Zuwendung ihre Patienten behandeln können“, forderte er.
Reinhardt hatte das Amt als Ärztepräsident vor vier Jahren von Frank Ulrich Montgomery übernommen. Er arbeitet als Hausarzt in Bielefeld, wo er die von seinen Eltern gegründete Praxis weiterführt. Der 62-Jährige ist außerdem Vorsitzender der Medizinervereinigung Hartmannbund.
Kritiker hatten ihm vorgeworfen, dass die Bundesärztekammer unter seiner Führung zu wenig in wichtigen Strukturfragen der Gesundheitspolitik bewegt habe. Reinhardt entgegnete in seiner Bewerbungsrede, die Corona-Pandemie habe in den vergangenen Jahren alles überlagert. „Glauben Sie mir: So hatte ich mir meine Präsidentschaft vor vier Jahren nicht vorgestellt.“
Seine Gegenkandidatin Susanne Johna wäre die erste Frau an der Spitze der Bundesärztekammer gewesen. Die 57-Jährige hatte in ihrer Bewerbungsrede gefordert, die Mediziner müssten sich stärker mit konkreten und abgestimmten Vorschlägen in die Gesundheitspolitik einmischen. „Dann wird auch die Politik an unseren Vorschlägen nicht mehr vorbeikommen.“
Unter anderem forderte sie einen massiven Abbau von Bürokratie. Derzeit verbrächten Ärzte drei Stunden am Tag „mit Dokumentationswahnsinn“. „Dafür sind wir nicht Ärztinnen und Ärzte geworden. Wir wollen Patienten versorgen“, sagte sie.
Der viertägige Ärztetag geht an diesem Freitag zu Ende.
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