Die einen bleiben für die Karriere, die anderen gehen für den Aufstieg. Beide Wege können eine kluge Entscheidung sein – und beide bringen auch Risiken mit sich. Wann ist der Wechsel die bessere Wahl? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Ein externer Wechsel bringt oft größere Sprünge bei Gehalt, Titel und Verantwortung. „Ein Gehaltssprung von 10 bis 20 Prozent ist durchaus realistisch“, sagt Karriere-Coach Bernd Slaghuis. Intern steigen Gehalt, Titel und Verantwortung eher schrittweise und moderater. Arbeitgeber orientieren sich dabei stärker an den Gehaltsstrukturen des Unternehmens und dem bisherigen Einkommen des Mitarbeiters.
Externe Bewerber können dagegen für die gleiche Position problemlos ein höheres Gehalt fordern – und es auch bekommen. „Wer schon mehrfach den Arbeitgeber gewechselt hat, bringt deutlich mehr wertvolle Erfahrungen mit als jemand, der sich seit Jahren im selben Unternehmen entwickelt hat“, sagt Slaghuis.
Ein interner Aufstieg bietet vor allem Sicherheit, sagt Slaghuis. Bekannte Strukturen, vertraute Kollegen und ein bestehendes Netzwerk erleichtern die Einarbeitung. Hinzu kommt: „Intern habe ich ein Standing, das ich mir nach einem Wechsel erst wieder erarbeiten muss“, so Bernd Slaghuis.
Doch der interne Bekanntheitsgrad kann auch hinderlich sein. „Wer im Unternehmen als Azubi angefangen hat, bleibt für viele der Azubi, dem man neue Aufgaben nicht zutraut“, sagt der Karrierecoach. Zudem hängt der interne Aufstieg komplett von den Rahmenbedingungen im Unternehmen ab: Ist zeitnah überhaupt eine geeignete freie Position verfügbar? Unterstützt der eigene Vorgesetzte den Aufstieg? Oder ist die derzeitige Tätigkeit vielleicht zu wichtig, um überhaupt eine Aufstiegschance zu erhalten?
Ein externer Wechsel kann dagegen der Karriere einen deutlichen Schub verpassen. „Er schafft neue Perspektiven, Erfahrungen, Impulse und Kontakte“, sagt Bilgi Yildirim vom Personaldienstleister Robert Half. Das steigert langfristig den eigenen Marktwert.
Andererseits bedeutet ein Wechsel mehr Aufwand, nicht nur für die damit verbundenen Bewerbungen: „Bei einem neuen Arbeitgeber muss ich mich erst neu positionieren und alles neu kennenlernen“, so Yildirim. Zugleich ist die Unsicherheit größer: Überstehe ich die Probezeit? Passe ich wirklich in dieses Unternehmen? Wie wirtschaftlich stabil ist der neue Arbeitgeber? „Das ist immer das Risiko: Man wechselt irgendwohin, wo es am Ende vielleicht nicht passt“, sagt der Berater.
Bilgi Yildirim sieht die besten Chancen dort, wo Fachkräftemangel herrscht. „Da geht es immer schneller, weil der Engpass auch bei den Führungskräften spürbar ist“, sagt Yildirim. Das gelte derzeit ganz besonders für die IT-Branche: „Dort entstehen durch den ständigen Wandel immer wieder neue Rollen und Positionen.“ Auch in derzeit boomenden Branchen wie der Rüstungsindustrie sieht Yildirim gute Chancen für einen internen Aufstieg. „Da geht es um sicherheitsrelevante Expertise und dadurch ist ein externer Wechsel in die Branche hinein gar nicht so einfach“, so Yildirim.
Externe Wechsel sind hingegen vor allem in Branchen und Berufen üblich, die von Veränderung leben. „In Marketing, Vertrieb und Beratung dreht sich viel um frische Impulse, Netzwerke und Kundenkontakte“, sagt Yildirim. Entsprechend hoch sei die Nachfrage nach wechselbereiten Talenten.
Diese Entscheidung muss jeder selbst treffen. Yildirim rät zur Selbstreflexion: „Was sind die persönlichen Karriereziele: Steht ein schneller Hierarchiesprung im Vordergrund oder ist eine langfristige Entwicklung wichtiger?“ Dabei sollten Arbeitnehmer ihre Präferenzen und Lebenssituation im Blick behalten: Welche Werte sind gerade wichtig: Sicherheit oder Abwechslung, Gehalt oder Work-Life-Balance?
Auch ein Blick auf den derzeitigen Arbeitgeber kann bei der Entscheidung helfen: Ist die angestrebte Position überhaupt verfügbar? Wie schätzt der Vorgesetzte die Aufstiegschancen ein? Ein Vergleich mit den Alternativen lohnt sich ebenfalls. Wer fördert Talente und bereitet sie auf Führungsaufgaben vor? Wer bietet klare Karrierepfade und Mentoring-Programme?
Bernd Slaghuis warnt davor, sich unnötig unter Druck zu setzen. Er hält nichts von der alten Faustformel vom karrierefördernden Wechsel alle drei bis fünf Jahre. Sie setze Menschen unnötig unter Druck. „Eine Wechselentscheidung sollte auf der eigenen Zufriedenheit und Selbstreflexion basieren, nicht auf irgendwelchen Regeln“, sagt der Coach.
Zudem bedeutet Karriere mehr als Aufstieg und Gehalt, sagt Slaghuis. Auch ein bewusster Schritt zurück könne in bestimmten Lebensphasen eine kluge Karriereentscheidung sein. „Wer sich mit seinen Werten und der aktuellen Lebenssituation auseinandersetzt, bleibt motiviert, gesund und steht morgens gerne auf“, betont der Coach.
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