Die Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Atommüll muss nach Ansicht des Präsidenten des Bundesamts für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE), Wolfram König, bis 2046 abgeschlossen sein. „2046, also der Zeitpunkt, der von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) als schnellster Zeitpunkt angenommen wird, müssen wir jetzt als Benchmark nehmen. Das ist das, wonach wir alles prüfen müssen in dem Verfahren“, sagte König der Deutschen Presse-Agentur in München. Weitere Verzögerungen müssten vermieden werden.
„Die Sicherheit hat Vorrang, bei radioaktiven Abfällen ist die Sicherheit aber nicht losgelöst von der Zeit. Wird das Thema zu weit vertagt, dann wird die Zeit selbst zu einem Sicherheitsfaktor“, betonte er. Deshalb sei es wichtig, einen realistischen, aber zugleich ehrgeizigen Zeitplan zu haben.
König verwies darauf, dass schon 2046 eine Verzögerung von 15 Jahren zur ursprünglichen Zeitplanung bedeute. „Ich halte es nicht für vertretbar, dass wir einfach hinnehmen, dass es bis weit in diesem Jahrhundert dauern soll, bis wir überhaupt einen Standort haben, der dann natürlich noch realisiert werden muss“, betonte er. Im Anschluss müsse noch für Planung, Bau und Genehmigung mit 20 Jahren gerechnet werden und die Einlagerung für 30 bis 40 Jahre betrieben werden.
Im vergangenen November war bekannt geworden, dass der angepeilte Termin, bis 2031 einen Standort festzulegen, nicht zu halten sei. Die BGE rechnet stattdessen im besten Fall mit dem Jahr 2046, ein anderes Szenario sieht gar einen Zeitkorridor bis 2068 vor.
Die BGE müsse nun schauen, wo Beschleunigungspotenziale im Verfahren möglich seien, sagte König. Es sei notwendig, sich in der Debatte „ehrlich zu machen“. Er glaube, dass es Steuerungsmöglichkeiten gebe, gegebenenfalls müsse „grundsätzlich nachjustiert“ werden. Er sehe hier die BGE, seine Behörde und das Bundesumweltministerium in Pflicht, „sich hinzusetzen und zu analysieren, was hat gut funktioniert, was nicht so gut und wo muss man gegebenenfalls auch noch mal an die bisherigen Maßstäbe rangehen“.
Die komplizierte Suche nach einem Endlager zeige, so König, dass Deutschland mit der Atomkraft einen Weg gegangen sei, ohne dass alle Konsequenzen bis zum Ende gedacht worden seien. „Und wir sind dafür da, dass das nicht in Vergessenheit gerät und dass es da vorangeht.“ Letztlich sei der Atomausstieg erst vollendet, wenn die radioaktiven Abfälle sicher unter der Erde verschlossen lägen und sich keine zukünftigen Generationen mehr damit beschäftigen müssten.
Nach dem Atomausstieg komme zumindest kein neuer Atommüll hinzu. „Aber was geblieben ist und was bleibt, ist: Wie können wir die Sicherheit gewährleisten auf eine unendliche Zeit, dass diese hochgiftigen, hochgefährlichen Stoffe nicht in die Umwelt kommen.“ Nun gelte es, fernab der früheren Kampfzonen, nach wissenschaftlichen Maßstäben den bestmöglichen Standort in Deutschland zu finden.
Letztlich sei eine sich endlos hinziehende Endlagersuche auch eine Sicherheitsfrage. Die Castorbehälter, in denen derzeit in den Zwischenlagern der Atommüll lagere, hätten keine endlose Genehmigung. Und jeder der Castoren enthalte ein radioaktives Inventar, das vergleichbar mit dem sei, was bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl freigesetzt wurde.
„Auch bei einer längeren Zwischenlagerung müssen die aktuellen Sicherheitsstandards gelten, damit Mensch und Umwelt zuverlässig vor den Gefahren der radioaktiven Hinterlassenschaften geschützt werden“, so König. Daher müsse rechtzeitig überprüft werden, ob und welche Wechselwirkungen es auf Abfälle und Behälter bei einer deutlich längeren Zwischenlagerung gebe. Gleichzeitig müsse die Zeit bis zu einer Endlagerung möglichst gering gehalten werden. Auch wirtschaftlich sei es wichtig, das Verfahren zu beschleunigen, da sonst viel Geld aus dem Endlagerfonds in die Zwischenlager abfließe.
Für die Zukunft erhoffe er sich, dass die Standortsuche ohne die für Deutschland typische Verlierer-Diskussion stattfinde, sagte König. „In anderen Ländern läuft das anders. Da bewirbt man sich sogar für diesen Standort.“ Vielleicht ergebe sich hierzulande eine Chance durch den Generationswechsel: „Ich glaube, jüngere Leute, neue Leute werden vielleicht auch nüchterner rangehen, gerade vor dem Hintergrund, dass wir nicht mehr mit dieser Metadiskussion pro und contra Atomenergie durch die Gegend rennen.“
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