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Veröffentlicht am 25.03.2025 15:16, aktualisiert am 25.03.2025 17:30

Söders Wunschkandidat gibt Rennen um Agrarministerium auf

Günther Felßner zieht zurück: Er will nicht mehr Minister werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
Günther Felßner zieht zurück: Er will nicht mehr Minister werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)
Günther Felßner zieht zurück: Er will nicht mehr Minister werden. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

CSU-Chef Markus Söder muss sich einen neuen Bewerber um das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers suchen. Sein Wunschkandidat, Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner, hat nach Protesten gegen seine Person aufgegeben, wie er selbst überraschend in einer persönlichen Erklärung in München mitteilte. Söder reklamiert das Amt innerhalb einer möglichen schwarz-roten Koalition jedoch weiter für seine Partei. Namen möglicher Kandidaten nannte er zunächst nicht. 

Vorausgegangen waren breite Proteste von Umwelt- und Tierschützern gegen Felßners mögliche Kür, die am Montag in einer Aktion auf Felßners Hof gipfelten: Aktivisten der Organisation „Animal Rebellion“ protestierten direkt auf dem Gelände – die Polizei ermittelt nach Angaben eines Sprechers wegen Verdachts auf Hausfriedensbruch.

Felßner sah durch die Proteste, die er als „Überfall“ sowie als „Einbruch“ auf seinen Hof und in die Privatsphäre seiner Familie bezeichnete, die persönliche Sicherheit in Gefahr. „Ich bin nicht bereit, die Sicherheit meiner Familie aufs Spiel zu setzen oder den Hof und seine Tiere durch Einbrüche zu gefährden“, sagte Felßner. 

Spekulationen, wonach er im Laufe der Koalitionsverhandlungen den Rückhalt in der CSU-Landesgruppe verloren haben könnte, bezeichnete Felßner als „Schwachsinn“. Die Unterstützung der CSU und auch von Parteichef Markus Söder persönlich sei vorbildlich gewesen. Er werde als bayerischer Bauernpräsident und Bundesvize des Deutschen Bauernverbandes weiterarbeiten. 

Söder selbst zeigte sich empört über die Übergriffe auf Felßner und dessen Familie. Diese stellten auch einen Angriff auf die bäuerliche Lebensweise dar. Der mittelfränkische CSU-Bezirksvorsitzende Joachim Herrmann sagte: „Felßner hat hervorragende Arbeit geleistet, er wäre mit seiner Expertise und auch mit seiner emphatischen Art eine große Bereicherung für ein künftiges Bundeskabinett gewesen.“

Rückendeckung kam auch vom zuletzt von der CSU schwer gescholtenen politischen Gegner: Der geschäftsführende Amtsinhaber Cem Özdemir (Grüne) schrieb auf der Plattform X: „Einschüchterungen & Drohungen haben in unserer Demokratie nichts, aber auch gar nichts verloren. Nicht gegen Günther #Felßner und seine Familie und auch gegen niemand anderen. Das gilt für alle und das gilt ganz genauso für Galgen, Blockaden von Fähren & alle anderen Übergriffe.“ 

Die bayerische Grünen-Politikerin Katharina Schulze erklärte auf derselben Plattform: „Proteste sind in einer Demokratie legitim, Gewalt oder Einschüchterung dürfen dabei aber nie das Mittel der Wahl sein - egal ob auf einer Fähre oder auf einem Bauernhof. Ich hoffe, die Familie #Felßner erholt sich schnell von dem Schock.“

Felßner war vor mehr als einem Jahr in seiner Eigenschaft als oberster Präsident des bayerischen Bauernverbandes bekanntgeworden, als er selbst in die Rolle des Demonstranten schlüpfte und sich an vorderster Front an den Bauernprotesten gegen die Abschaffung von Agrarsubventionen beteiligte. Bei den Protesten wurde von Landwirten häufig der Bogen überspannt, unter anderem wurden symbolisch „Ampeln“ an Galgen aufgehängt.

Bei einer Rede des damaligen Bundesfinanzministers Christian Lindner (FDP) auf einer Bauerndemonstration in Berlin krümmte er sich demonstrativ vor Lachen und animierte die Bauern dazu, Lindner auszubuhen. Fernsehbilder davon machten tagelang die Runde. 

Nach seiner Rückzugsankündigung rief Felßner zu einer Kurskorrektur beim politischen Umgang unter Andersdenkenden auf. Unterschiedliche Meinungen müssten akzeptiert werden. Die Aktionen auf seinem Hof am Vortag nannte er eine „andere Qualität“ als etwa das Vorgehen von wütenden Landwirten gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der vom Verlassen einer Fähre nach seinem Urlaub gehindert worden war. 

Felßner galt quasi als gesetzt

Die Union muss sich damit einen neuen Ministerkandidaten suchen. Söder hatte Felßner, der seit 2022 Präsident des Bayerischen Bauernverbandes und seit 2023 auch Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes ist, schon zum Wahlkampfauftakt im November als CSU-Wunschkandidaten für das Amt des Bundesagrarministers präsentiert.

Der 58-Jährige blieb dafür auch gesetzt, als er den Bundestagseinzug über die CSU-Landesliste verpasste. Zuletzt sah es so aus, als wäre die Personalie auch schon von CDU-Chef Friedrich Merz abgesegnet. Und von der SPD war bislang kein gesteigertes Interesse an dem Ressort bekannt. Felßners Kür galt damit mindestens als sehr wahrscheinlich.

Gleichzeitig wurden Proteste gegen Felßners möglichen Karrieresprung lauter. Kritiker erinnerten etwa an einen Strafbefehl, den der Landwirt vor einigen Jahren akzeptierte, wegen Boden- und Gewässerverunreinigung – es ging dabei um die Einleitung von Sickerwasser aus Silos in den Boden.

Petitionen und Proteste gegen Felßners Kür

Zudem starteten die Organisation Campact und das Umweltinstitut München jeweils Online-Petitionen gegen eine Ernennung Felßners zum Bundesagrarminister: Felßner vertrete einseitig die Interessen der Agrarindustrie, er wolle Klimaschutzmaßnahmen abschaffen, sei ein Umweltsünder und leugne die Gefährdung der Artenvielfalt durch Pestizide.

Am Montag schließlich protestierten 15 Aktivisten der Organisation „Animal Rebellion“ mit einem Banner auf Felßners Hof – zwei davon seien mit Hilfe von Leitern auf das Dach der Rinderhaltung geklettert, teilte die Organisation selbst mit. Ein Polizeisprecher sprach von mehreren Personen, die angetroffen worden seien, es werde nun wegen des Verdachts auf Hausfriedensbruchs ermittelt.

© dpa-infocom, dpa:250325-930-413925/4


Von dpa
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