Mazda gilt als Nonkonformist unter den Autobauern. Der japanische Hersteller hat den Wankelmotor länger eingesetzt als alle anderen, erst kürzlich noch einmal neue Diesel entwickelt und dem Benziner die Selbstzündung beigebracht.
Zwar kann sich auch Mazda nicht gegen den Trend der Elektrifizierung sperren, selbst wenn man es länger versucht hat als die meisten anderen. Doch wenn der Autobauer jetzt mit seinem neuen Modell 6e zu Preisen ab 44.900 Euro in der elektrischen Mittelklasse antritt, bewahrt er sich zumindest ein bisschen Eigensinn.
Denn statt wie das Gros der Konkurrenz das Glück im SUV-Segment zu suchen, leistet er sich erst mal eine Limousine. Die hat nur wenige, dafür aber umso gewichtigere Widersacher. Dazu zählen der Mercedes EQE und der BMW i5, de facto allerdings fordert der elektrische Mazda 6 vor allem den VW ID.7 heraus, der die E-Zulassungen in Deutschland im ersten Halbjahr 2025 angeführt hat.
Als wäre die Entscheidung für eine Limousine anstelle eines SUV nicht schon auffällig genug, sticht der Flachmann aus Fernost auch wegen seines Designs heraus. Wo alle in der Welt der Autohersteller den Blick weit in die Zukunft werfen und mit windschnittigen aber charakterschwachen Raumschiff-Designs langweilen, haben sich die Japaner für klassische Eleganz entschieden. Der 6e ist ein Blickfang an der Ladesäule.
Wäre da nicht der mit LED beleuchtete Kühlergrill, könnte der Mazda 6e fast als Oldtimer durchgehen. Und in der Zeit schnelllebiger Designexperimente ist das durchaus als Kompliment gemeint.
Auch der Innenraum erlaubt sich eine gewisse Rückständigkeit. Ja, es gibt einen riesigen Touchscreen, den man - zum ersten Mal bei einem Mazda - endlich auch während der Fahrt benutzen kann. Eine KI-Stimme plappert beständig auf die Insassen ein und die Spiegel lassen sich nur noch über Bildschirm und Lenkrad einstellen.
Aber es gibt auf dem Lenkrad und auf der Mittelkonsole noch erfreulich viele Tasten, so dass auch Menschen ihren Weg in die Zukunft finden, die noch mit der Wählscheibe statt des Smartphones sozialisiert wurden.
Dazu leistet sich der Mazda eine Materialauswahl, die mit kuschelig weichem Veloursleder den VW weit hinter sich und selbst einen Mercedes ganz schön ärmlich aussehen lässt. Das ist fast schon Maybach-Niveau.
Bei all der Kür haben die Japaner ihre Pflichtübungen nicht vergessen: Es gibt bei 4,92 Metern Länge und 2,9 Metern Radstand genügend Platz auf allen Plätzen und unter dem Panoramadach eine lichte Atmosphäre.
Der Kofferraum ist mit 466 bis 1.074 Litern solide bemessen, dazu gibt es noch einen Frunk von 72 Litern unter der vorderen Haube. Spätestens dort halten dann ID.7 oder EQE beschämt die Klappe, weil sie keinen Stauraum vorn zu bieten haben.
Einen Patzer allerdings erlauben sich auch die Japaner: Der Blick nach hinten geht wegen der viel zu schmalen Heckscheibe ins Leere – erst recht, wenn bei 90 km/h noch der Heckspoiler ausfährt, der den Strömungswiderstand drücken und so die Reichweite erhöhen soll.
Während das Design außergewöhnlich ist, bietet der Sechser unter dem Blech nur Mittelmaß – und das auch nur im Basismodell. Da fährt die Limousine mit einem an der Hinterachse montieren 190 kW/258 PS-Motor und einem 68,8 KWh großen Akku, der für 479 Norm-Kilometer reicht und mit bis zu 165 kW geladen wird.
Wer dagegen für 1.600 Euro den Long-Range-Akku bestellt, bekommt zwar 80 kWh und einen Aktionsradius von 552 Kilometern, fährt dann aber nur mit 180 kW/245 PS und braucht vor allem beim Laden deutlich länger. Die maximale Ladeleistung sinkt auf 90 kW und die Zeit für den Hub des Akkus von 10 auf 80 Prozent steigt von 24 auf 47 Minuten. Den Mehrpreis kann man sich deshalb besser sparen und in kleine Erfrischungen bei den häufigeren aber schnelleren Ladestopps im Standardmodell investieren.
Beim Fahrverhalten ist der Mazda 6e wieder vorn dabei. Natürlich ist eine Limousine nicht so agil wie ein Roadster und die zwei Tonnen Gewicht lösen sich nicht in Wohlgefallen auf.
Aber einen Hauch des hauseigenen Roadsters MX-5 spürt man doch, wenn man im 6e unterwegs ist. Man wähnt sich ein wenig besser eingebunden und über die Fahrbahn informiert als im VW ID.7 und hat bisweilen ein breiteres Grinsen im Gesicht, wenn man mal etwas flotter um die Kurve fährt.
Eine klassische Designlinie, Limousine statt SUV und eigenwillige Antriebsoptionen – beim neuen 6e machen die Japaner vieles anders als die anderen und bleiben deshalb ihrer eigensinnigen Art treu.
Allerdings gehören zumindest ein paar der Lorbeeren dem chinesischen Kooperationspartner Changan. Und so ganz gegen alle Trends stellt sich Mazda auf Dauer auch nicht: Als nächsten Ableger des Sechsers haben sie bereits ein SUV angekündigt.
Datenblatt: Mazda 6e
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