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Die Riviera über dem Taubertal

Für manche ist Rothenburg eine perfekte Synthese zwischen Landschaft und Stadtgestaltung. (Foto: Nicolas Armer/dpa/dpa-tmn/Archiv)
Für manche ist Rothenburg eine perfekte Synthese zwischen Landschaft und Stadtgestaltung. (Foto: Nicolas Armer/dpa/dpa-tmn/Archiv)
Für manche ist Rothenburg eine perfekte Synthese zwischen Landschaft und Stadtgestaltung. (Foto: Nicolas Armer/dpa/dpa-tmn/Archiv)

Hellmuth Möhring lässt keinen Zweifel: „Rothenburg ist eine perfekte Synthese zwischen Landschaft und Stadtgestaltung.“

Nur: Oft werde das Grün bei der Fülle an Monumenten, Gassen und romantischen Winkeln übersehen, sagt Möhring, der sich im Vorstand des Vereins Alt-Rothenburg für den Erhalt der Altstadt engagiert. Er rät: Man sollte einmal um die Stadt herumgehen, um zu begreifen, wie gut und wie stark sich Rothenburg dem Landschaftsbild angepasst und es gleichzeitig geprägt hat.

Zum Beweis führt Möhring im Rothenburg-Museum vor das Gemälde „Das kleine Rothenburg“ des niederländischen Malers Martin Monnickendam (1874-1943). Das Grün beherrscht das Panorama des Kunstwerks.

Möhring schwärmt: „Rothenburg bekrönt zwar den Berg, aber das Fantastische ist, dass Monnickendam die wahnsinnig wuchernde Natur so stark in den Vordergrund gerückt hat. Viele Maler begriffen das als Kampf zwischen Architektur und Natur, wobei hier die Natur überwiegt.“

Nach Süden und Westen erhebt sich Rothenburg hoch über dem Taubertal. Dort, wo sich zuvor die Festungsanlage befand, schiebt sich heute der Burggarten weit hinaus. „Das ist unser Rosenparadies“, sagt Jutta Striffler vom örtlichen Verkehrsverein.

Sie schärft den Blick für die blühenden Seiten und schwärmt von Rothenburgs „Riviera“, dem sommerwarmen Südhang der Stadt. „Das ist eine einzige Bildergalerie der Natur.“ Sie deutet auf Japanische Zierkirschen, Schlehen, Wilde Tulpen, Apfel- und Pflaumenbäume.

Die Grünfacetten setzen sich am Stadtmauerring und selbst mittendrin in den Gassen fort. „In der Altstadt habe ich über hundert Rosenstöcke vor Häusern gezählt“, sagt Striffler.

Sie deutet auf alte Steintröge aus Muschelkalk, die heute als Blumenbeete dienen und vom städtischen Gärtnerteam saisonal wechselnd bepflanzt werden. Spalierobst rankt sich an einer Fassade hoch. In einer Blütenschale steckt ein Plüschbär.

Ein Tipp für Ruhesuchende in der Altstadt ist der historische Klostergarten der Dominikanerinnen. Dieses Eck kennt nicht jeder. Der Trubel verstummt. Es gibt Wildblumenbeete und einen Heilkräutergarten mit Lavendel, Rosmarin, Schafgarbe, Spitzwegerich. Namensschildchen weisen Wiesenschlüsselblumen, Portugiesische Birnenquitte oder Konstantinopeler Apfelquitte aus.

Entfernt man sich von der Altstadt abwärts ins Taubertal, erreicht man frei zugängliche Gärten, die sich um das einstige Kur- und jetzige Tagungshotel Wildbad legen. Das Ganze ist ein kleines Naherholungsgebiet, das an die Tauber stößt und mit Kunstwerken der Moderne bestückt ist: fast erschreckend lebensechte Figuren im Wald, eine Klanginstallation in einer Grotte und ein Köhler-Ofen aus Beton nahe der Flussbrücke.

Eine Besonderheit in Rothenburg: Zwischen Mai und Ende September öffnen Privatleute für Besucher nach Voranmeldung die Gartenpforten und gewähren Einlass in ihre versteckten Stadtoasen.

Dazu zählt der Striffler-Garten, der genau unter der Aussichtsplattform am Burggarten und oberhalb des Weinbergs An der Eich liegt. Der Zugang führt durch eine unscheinbare Holztür, in der man den Kopf einziehen muss, und über einen steilen Treppenknick. Dann landet man in einem Nutz- und Streuobstgarten mit Äpfeln, Pflaumen, Zitronenmelisse, Schnittlauch und Kirschen.

Dieter Babel kümmert sich hier mit um die Pflege des Gartens. Neben den Pflanzen hat er auch die Tiere ins Herz geschlossen - zuvorderst die Holzbienen. Auch wenn sie durchaus ganze Baumstämme perforieren können und als schwarze Hornissen bekannt seien, sagt Babel: „Das sind meine Lieblingsviecher und völlig harmlos.“

Im Grünterrain hat er schon Blindschleichen gesehen, Eidechsen, Kohlmeisen, Rotkehlchen, einen Uhu und sogar Buntspechte. Da fühlt man sich weit weg von der Stadt - und ist trotzdem ganz nah dran.

Mittendrin in der Altstadt pflegt Hildegard Kistenfeger ihre Oase, die sich hinter historischen Fassaden versteckt. Einst war dies der Garten der Schwiegereltern, in den sie erst langsam hineinwuchs. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er vorübergehend ein Kartoffelacker. Heute fühlt sich Kistenfeger in einem Dauerrausch der Blütenpracht. Flieder und Forsythien. Tamarisken und Astern. Rosen. Iris. Spiersträucher.

Für eine Garnitur ihres Grüns sorgen Engels- und Buddhaskulpturen. Mittlerweile nutzt Kistenfeger auch das, was sie früher als Unkraut ansah und „schrecklich“ fand. Jetzt macht sie Smoothies aus Giersch, Brennnesseln, Scharbockskraut und Gutem Heinrich - dem „Spinat für Arme“, wie sie sagt.

Besuchern gibt die pensionierte Förderlehrerin gerne Tipps und animiert sie dazu, bei der persönlichen Gartenpflege „Fünfe gerade sein zu lassen“. Denn: „Wenn es blüht, ist alles ein Labsal. Man muss nicht alles picobello haben. Das dient auch der Vielfalt der Insekten, dass man einen kunterbunten Garten hat.“

© dpa-infocom, dpa:220401-99-760339/3

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