Scheidung. Allein das Wort dürfte ausreichen, um bei vielen sofort eine Reihe von Assoziationen in den Kopf zu zaubern: Das dauert ewig. Das kostet ein Vermögen. Und das Sorgerecht ist damit ebenfalls weg. Doch was stimmt davon?
Rund um das Ende einer Ehe ranken sich zahlreiche Mythen, die Betroffene verunsichern und im schlimmsten Fall von wichtigen Entscheidungen abhalten können. Wir haben uns gängige Irrtümer gemeinsam mit zwei Expertinnen angeschaut und klären, was tatsächlich gilt.
„Das ist Quatsch“, sagt Rechtsanwältin Eva Becker, Vorsitzende des Ausschusses Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins. Der Grund: Gerichts- und Anwaltskosten richten sich nach den Netto-Einkünften und dem Vermögen der Eheleute. Je schlechter es also um die finanziellen Verhältnisse bestellt ist, desto geringer fallen auch die Kosten für eine Scheidung aus.
Hinzu kommt der Rechtsanwältin und Autorin Sandra Günther zufolge, dass Sozialhilfeempfänger und Menschen ohne Einkommen Verfahrenskostenhilfe beantragen können. Der zuständige Familienrichter müsse prüfen, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind und die Leistung gegebenenfalls bewilligen. In diesem Fall würden die Kosten des Scheidungsverfahrens von der Landeskasse übernommen. Verbessert sich innerhalb von vier Jahren die finanzielle Situation, kann es aber sein, dass die Unterstützung zurückgezahlt werden muss.
Falsch. Denn egal, ob die Ehe drei Wochen oder 20 Jahre gedauert hat - es muss grundsätzlich das sogenannte Trennungsjahr eingehalten werden. „Die Eheleute müssen somit mindestens ein Jahr von Tisch und Bett getrennt leben, damit die Scheidung beantragt werden kann“, sagt Sandra Günther. Auch eine Härtefallscheidung - etwa aufgrund von Gewalt in der Ehe - benötige Zeit. Ein solches Verfahren setze schwerwiegende Verfehlungen voraus und sei mit hohen Beweisanforderungen verbunden. „Bis ein solches Verfahren beendet ist, ist das Trennungsjahr gewiss längst abgelaufen, sodass normal geschieden werden kann“, sagt Günther.
Die Scheidung selbst kann nach Ablauf des Trennungsjahrs bei kurzen Ehen aber oft schneller vollzogen werden, weil die finanziellen Verhältnisse weniger verwoben sind. Zumal bei Ehen, die weniger als drei Jahre gedauert haben, nur auf Antrag ein Versorgungsausgleich durchgeführt wird.
Übrigens: Auch eine Annullierung der Ehe ist entgegen landläufiger Meinungen nicht ohne Weiteres innerhalb weniger Wochen nach Eheschließung möglich - dafür braucht es laut Gesetz triftige Gründe. Zum Beispiel einen Eheschluss mit einer oder einem Minderjährigen, eine vorübergehende Bewusstseinsstörung zum Zeitpunkt der Eheschließung oder Bewusstlosigkeit einer der Getrauten oder einen Eheschluss unter Drohung.
Nein, müssen Sie nicht. Voraussetzung für die Scheidung sind Eva Becker zufolge lediglich zwei Dinge: erstens der Ablauf des Trennungsjahrs und zweitens der sogenannte Abkehrwille eines Ehegatten von der Ehe. „Dem Gericht ist vollkommen egal, ob sie einen neuen Lebenspartner haben oder ob Ihr Ex Sie betrogen oder geschlagen hat“, sagt Becker. All das dürfe man gern bei der Rechtsanwältin oder dem Rechtsanwalt erklären, vor Gericht sei das für die reine Scheidung kein Thema.
Falsch. Scheidung, Umgangsrecht oder Sorgerecht sind verschiedene Angelegenheiten. „Das Umgangsrecht bezüglich gemeinsamer Kinder wird im Streitfall immer erst beim Jugendamt besprochen“, sagt Sandra Günther. Wird dort keine Lösung gefunden, muss ein Umgangsantrag beim Familiengericht gestellt werden. Auch eine Sorgerechtsregelung wird nicht im Rahmen einer Scheidung getroffen. Eltern behalten dieses auch danach gemeinsam.
„Das ist Kokolores“, sagt Eva Becker. Für eine Scheidung ausreichend sind bereits erwähntes Trennungsjahr sowie der Trennungswille eines Ehepartners. „Ist beides erfüllt, hat die andere Seite nicht die Möglichkeit, das zu blockieren - so sehr sie es auch möchte.“
Auch das ist ein weit verbreiteter Irrglaube. „Alles, was Sie in die Ehe eingebracht haben, gehört ganz allein Ihnen - auch im Falle einer Scheidung“, sagt Rechtsanwältin Becker. Nur das Vermögen, dass Eheleute im Laufe der Ehe angehäuft haben, wird bezogen auf dessen jeweilige Wertsteigerung verglichen und muss genau hälftig geteilt werden. Derjenige, der mehr erwirtschaftet hat, muss dem anderen daher die Hälfte der Differenz ausgleichen.
Aber aufgepasst: Der schuldrechtliche Ausgleichsanspruch ist immer ein Baranspruch. Es besteht kein Anspruch auf bestimmte Vermögensgegenstände wie den Picasso oder das Familienauto.
„Das geht nicht“, sagt Eva Becker. „Anwälte sind immer nur Interessenvertreter einer Seite.“ Was hingegen geht: dass nur ein Partner einen Anwalt nimmt und mit dessen Hilfe einen Scheidungsantrag einreicht. Auf diese Weise lässt sich wirklich Geld sparen, weil man sich nur einmal Anwaltskosten teilt. Die Gegenseite kann dem Antrag ohne anwaltliche Vertretung vor Gericht einfach zustimmen. „Dafür sollte man sich aber zumindest halbwegs einig sein und im Idealfall auch ähnlich verdienen“, rät Becker. Andernfalls kann es zur Benachteiligung des Partners ohne eigenen Anwalt kommen.
Auch das stimmt nicht. Lediglich im Trennungsjahr können Ex-Partner noch vom oft vorteilhaften Ehegattensplitting profitieren. Wer sich im Januar 2025 getrennt hat, kann somit noch in diesem Jahr einmalig einen möglichen Steuervorteil mitnehmen, danach ist Eva Becker zufolge Schluss. Aber Achtung: Wollen Ex-Partner noch einmal zusammen veranlagt werden, müssen beide damit einverstanden sein und einen entsprechenden Antrag beim Finanzamt stellen.
Das ist Unsinn. „Wer einen Kredit aufnimmt, haftet immer nur selbst“, sagt Eva Becker. Und zwar ganz egal, ob man verheiratet, getrennt lebend oder geschieden ist. Aus Angst vor diesem Risiko muss sich also niemand schneller scheiden lassen.
Anders sieht es aus, wenn etwa für eine gemeinsame Immobilie beide Partner einen Kreditvertrag unterzeichnet haben. Dann haften auch beide gemeinsam für die Rückzahlung der Schulden.
Falsch. „Eine familienrechtliche Verhandlung ist grundsätzlich nicht öffentlich“, sagt Sandra Günther. Das dient dem Schutz der Privatsphäre. Unbeteiligte Dritte dürfen den Gerichtssaal lediglich zur Verkündung des Scheidungsausspruchs betreten.
Eva Becker zufolge könnten zwar beide Partner wechselseitig einen Verzicht auf das Recht der Nichtöffentlichkeit erklären. Dann obliege es aber noch immer dem Richter, die Öffentlichkeit tatsächlich für die Verhandlung zuzulassen.
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