„Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin.“ Beim Deutschen Filmpreis hat das Porträt „Lieber Thomas“ die meisten Auszeichnungen gewonnen.
Regisseur Andreas Kleinert erzählt darin mit eindrucksvollen Schwarz-Weiß-Bildern vom Leben des Schriftstellers Thomas Brasch (1945-2001). Das Drama erhielt neun Auszeichnungen, darunter die Goldene Lola für den besten Spielfilm. Die Preise wurden am Freitagabend in Berlin verliehen.
Der Film wurde zudem für Regie und Drehbuch ausgezeichnet. Albrecht Schuch, der den Thomas spielt, wurde als bester Hauptdarsteller geehrt. Der 36-Jährige gewann damit nach „Systemsprenger“ und „Berlin Alexanderplatz“ seine dritte Lola. Schauspielerin Jella Haase, die in „Lieber Thomas“ dessen Partnerin spielt, wurde als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet.
Der Film war im Herbst in die Kinos gekommen, mittlerweile kann man ihn auch bei Streamingplattformen ansehen. Als Kleinert den Preis für die beste Regie entgegennahm, nutzte er den Moment für eine Rede. Wenn er jetzt an Thomas Brasch denke, dann denke er, er müsse eine anarchistische und anti-kapitalistische Rede halten, sagte Kleinert und mahnte, eine Aufrüstung von Konzernen, die Waffen produzierten, werde keinen Frieden bringen.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine prägte die Verleihung an mehreren Stellen. Während der Show wurde eine Videobotschaft von Wladimir Klitschko eingeblendet. Der 46-Jährige sprach darin vom Krieg und würdigte die Bedeutung von Dokumentarfilmen. „Meine lieben Freunde. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder“, sagte Klitschko.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erzählte zu Beginn von ihrer Reise in die ukrainische Hafenstadt Odessa. „Der Krieg verändert alles, auch einen Abend wie diesen“, sagte Roth. Könne man den Film dennoch feiern? „Man kann es nicht nur - man soll es, man muss es.“
Der Deutsche Filmpreis gilt als wichtigste nationale Auszeichnung in der Branche. Die Auszeichnungen sind mit rund drei Millionen Euro für neue Projekte verbunden, das Geld stammt aus dem Haus der Kulturstaatsministerin. Die rund 2100 Mitglieder der Deutschen Filmakademie hatten über viele der Preisträgerinnen und Preisträger abgestimmt.
So wurden zwei weitere Schauspielpreise für Leistungen im Drama „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ vergeben: Meltem Kaptan wurde als beste Hauptdarstellerin geehrt, Alexander Scheer für die beste männliche Nebenrolle. Der Film von Andreas Dresen gewann zudem eine Lola in Silber, die Auszeichnung in Bronze ging an „Große Freiheit“.
Für den besten Spielfilm waren insgesamt sechs Produktionen nominiert - neben „Lieber Thomas“, „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“ und „Große Freiheit“ waren die Komödie „Contra“, der Episodenfilm „Wunderschön“ und das Drama „Spencer“ vorgeschlagen.
Der Kameramann Jürgen Jürges erhielt einen Ehrenpreis für herausragende Verdienste um den deutschen Film. Er hat mit Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder („Angst essen Seele auf“), Michael Haneke („Funny Games“) und Uli Edel („Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“) zusammengearbeitet.
Jürges sagte, unter den nominierten Filmen des Abends seien interessante Arbeiten. „Und das macht Hoffnung. Denn wir werden engagierte Menschen und relevante Arbeiten brauchen, um das Kino wieder attraktiver zu machen und Zuschauer zurückzuholen.“ Mit Blick auf Russlands Krieg in der Ukraine sagte er: „Dieser Krieg wird unser aller Leben nachhaltig verändern.“ Er warnte auch, langfristig könne eine weltweite Aufrüstung nicht die Lösung sein.
Rund 1700 Menschen waren zur Preisverleihung am Berliner Messegelände eingeladen. Moderiert wurde der Abend von Katrin Bauerfeind. Unter den Gästen waren etwa Schauspieler Matthias Schweighöfer, Schauspielerin Heike Makatsch und andere Prominente. Schauspielerin Alexandra Maria Lara und Regisseur Florian Gallenberger traten als neue Führungsspitze der Filmakademie auf - die beiden dankten auf der Bühne auch ihrem Vorgänger Ulrich Matthes.
Schauspieler Ulrich Tukur holte während der Show das Akkordeon raus. Christoph Maria Herbst tat so, als hätte er seinen Einsatz verpasst, sagte dann „Frau Roth, kannst du das mal eben...“ und drückte ihr seinen Imbiss in die Hand. Er scherzte auf der Bühne über das vegetarische Catering („Kannste die Pappschachtel mitessen, aus Versehen, merkst' keinen Unterschied. Nein, Spaß.“) und präsentierte die beste weibliche Hauptrolle („Super, nur Frauen.“).
Der Kinderfilm „Die Schule der magischen Tiere“ wurde als besucherstärkster Film ausgezeichnet. Bester Dokumentarfilm wurde „The Other Side of the River“, bester Kinderfilm „Der Pfad“. Der Bernd Eichinger Preis ging an Maren Ade, Janine Jackowski und Jonas Dornbach von der Berliner Produktionsfirma Komplizen Film. Im vergangenen Jahr hatte die Tragikomödie „Ich bin dein Mensch“ die Auszeichnung als bester Spielfilm gewonnen.
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