Wenn Rente, Vermögen und die Zuzahlung der Pflegekasse nicht ausreichen, übernimmt das Sozialamt Heimkosten für Senioren. Dieses Geld fordert das Amt unter Umständen von Kindern der Betroffenen zurück: Sie werden zum Elternunterhalt herangezogen - vorausgesetzt, die Kinder sind wohlhabend. Aber was bedeutet das genau? Wichtige Fragen und Antworten zum Elternunterhalt.
Elternunterhalt kommt grundsätzlich auf gut verdienende Kinder mit einem Jahresbruttoeinkommen ab 100.000 Euro zu. Enkel und Schwiegerkinder bleiben generell außen vor. So legt es das Angehörigen-Entlastungsgesetz fest, das seit 2020 gilt.
Vorher gab es keine Einkommensgrenze. „Die Kinder wurden deshalb viel stärker in Anspruch genommen“, sagt Guido Klumpp von der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenorganisationen (BAGSO). Häufig blieb ihnen lediglich ein Selbstbehalt von etwa 2.000 Euro übrig. Die 2020 eingeführte Einkommensregel entlaste die Kindergeneration mit dem Ziel, dass sie selbst stärker fürs Alter vorsorgen können als die Eltern.
Verdienst, Rente, Zinsen, Dividenden, Miet- und Pachteinkünfte, Boni, Weihnachtsgeld – alles, was im Laufe des Jahres reinkommt, zählt zum relevanten Bruttoeinkommen. „Es geht ausschließlich um die Einnahmen des Kindes, nicht um das Haushaltseinkommen“, sagt Margret Böwe vom Sozialverband VdK. Sprengt ein Kind also zum Beispiel erst gemeinsam mit den Einkünften des Ehepartners die 100.000-Euro-Grenze, spielt das keine Rolle.
Vermögen, zum Beispiel Wertpapiere, Schmuck, Bargeld und Immobilien, bleibt Böwe zufolge unberücksichtigt.
Prinzipiell ja. So wird es von Amts wegen nicht berücksichtigt. „Familien sollen ihr Dach über dem Kopf behalten und nicht selbst in Not geraten“, sagt Klumpp. Die dadurch eingesparte Miete wird allerdings dem Einkommen zugeschlagen, was sich dadurch folglich erhöht.
Sozialämter dürfen nur die Miete für angemessenen Wohnraum ansetzen, erläutert Familienrechtler Jürgen Wabbel. Zur Orientierung können statistische Werte herangezogen werden. Im Streitfall schätzen Gerichte, welche ersparten Wohnkosten angemessen sind. Ämter hingegen orientierten sich häufig an den tatsächlichen Mietkosten und setzen damit überhöhte Beträge an. Auf die Werte sollte man bei den Berechnungen des Amts genau achten.
Sozialämter brauchen zunächst konkrete Hinweise auf mutmaßliche Einnahmen jenseits der 100.000-Euro-Marke. „Es ist nicht erlaubt, auf blauen Dunst hin zu fragen“, sagt Wabbel. Allerdings dürfen die Behörden recherchieren.
Soziale Netzwerke erweisen sich häufig als weit geöffnete Einfallstore. Fänden sich dort Berufsangaben wie Managerin, Geschäftsführer, Ärztin, Anwalt oder Vorstandsmitglied „ist es nicht ganz aus der Welt, dass jemand viel verdient“. Die Einträge können also als Anhalts- und Startpunkt für einen Einkommenscheck dienen.
Eine Sollbruchstelle bilden nach Erfahrungen des Anwalts auch Eltern, die den Antrag auf Übernahme der Heimkosten selbst ausfüllen und bei der Frage, „Verdient eines Ihrer Kinder mehr als 100.000 Euro?“ „Ja“ ankreuzen. Dabei sei es legitim, stattdessen selbst formulierte Sätze wie „Weiß ich nicht“, oder „In unserer Familie reden wir nicht über Geld“ ins Formular zu schreiben, um sich aus der Affäre zu ziehen.
Zur Berechnung des Elternunterhalts legen Sozialämter das zu versteuernde Einkommen der Kinder minus Fahrtkosten zugrunde. Zusätzlich werden Belastungen durch Hypotheken, Kindesunterhalt, die allgemeine Krankheitsvorsorge und die private Altersvorsorge berücksichtigt.
Die Behörden fordern in der Regel die Einkommensnachweise der vergangenen zwölf Monate an; bei Selbstständigen der vergangenen 36 Monate. Zudem wollen Sozialämter von abhängig Beschäftigten den letzten Steuerbescheid, von Selbstständigen die letzten drei Bescheide einsehen.
Das Überschreiten der Einkommensgrenze bedeutet nicht unbedingt, dass Kinder die elterlichen Heimkosten tatsächlich zahlen müssen. Sozialämter dürfen beim Nachwuchs im Prinzip nur so viel abschöpfen, dass er erstens Unterhaltsverpflichtungen gegenüber eigenen Kindern und Partnern weiter erfüllen kann. Zweitens soll der gewohnte Lebensstil ohne große Einschränkungen erhalten bleiben. Am Ende könne es also trotz eines guten Einkommens sein, dass Kinder die Rechnung fürs Pflegeheim ihrer Eltern nicht komplett oder teilweise übernehmen müssen, sagt Margret Böwe.
Es gibt keinen gesetzlich festgelegten Selbstbehalt. Es kommt immer auf den Einzelfall an. In Streitfällen hielten Ämter und Gerichte für Singles bislang mindestens um die 5.000 Euro für angemessen, für Paare um die 9.000 Euro.
Der Bundesgerichtshof hat jedoch mit einem Urteil vom 23. Oktober 2024 (Az. XII ZB 6/24) den monatlichen Mindestselbstbehalt auf 2650 Euro für Alleinstehende und 4000 Euro für Verheirate gekürzt. Von darüber hinaus gehenden Beträgen werden Kinder sehr wahrscheinlich 30 Prozent für den Elternunterhalt einsetzen müssen. „Zwischen Amt und Kind wird künftig um jede Ausgabe gerungen werden“, skizziert Familienrechtler Jürgen Wabbel die Urteilsfolgen.
Das kommt darauf an. Reißen mehrere Kinder die Einkommensgrenze, nimmt das Sozialamt sie gemeinsam in Regress. Jeder zahlt anteilig. Die genaue Höhe errechnet das Amt. Reißt nur ein Kind die Grenze, kann es passieren, dass nicht unterhaltspflichtige Geschwister trotzdem mit ran müssen. Manche Ämter ermitteln eine Quote aus den Einkünften der Geschwister, um den oder die Zahlungspflichtige zu entlasten.
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