Die 23-jährige Bauingenieurin wird für ihr langjähriges Engagement bei den Diespecker Pfadfindern ausgezeichnet. Sie ermöglicht Kindern und Jugendlichen viele Abenteuer in der Natur.
Kein Handy, keine Markenklamotten, keine Ablenkungen. Für Anna-Lena Hofmann geht es bei Kindern und Jugendlichen nicht um Äußerlichkeiten. „Die Botschaft ist: Wir wollen hier mit euch sein und etwas zusammen erleben.“
In der ersten Klasse fiel ihr eine Werbung für die Diespecker Pfadfinder in die Hände. Spannend genug, um mal vorbeizuschauen, fand sie. Die Stunden für die Jüngeren orientieren sich stark am Dschungelbuch. „Da ist das Spiel ein zentraler Faktor, aber es geht auch um bestimmte Regeln, wie das Zusammenleben in einer Gruppe funktioniert“, sagt sie.
Sie blieb, weil ihr das Miteinander gefiel. „Bei uns ist es sehr persönlich. Man wächst hinein und hat dann Freunde fürs Leben.“ Nach den ersten Jahren kam ein weiterer Reiz dazu. Sie wollte das Wissen, das sie erworben hatte, weitergeben, und übernahm Verantwortung. Erst für zwei Gruppen mit Jugendlichen zwischen elf und 14 Jahren, dann als Vorsitzende des Ortsverbands mit rund 80 Kindern und Jugendlichen. „Es ist bereichernd, mit den Kindern zu lernen. Ich entwickle mich mit.“
Dutzende von Kindern hat sie begleitet. „Ich finde es extrem cool, ihre Entwicklung zu sehen, wie sie Menschen mit eigenem Charakter werden, Persönlichkeiten, die wissen, was sie wollen.“ Dafür bieten die Pfandfinder einen ganz eigenen Raum, in dem es nicht darum geht, wer am schnellsten rennen oder am besten einen Ball treffen kann. „Für mich liegt ein wahrer Schatz darin, sich gegenseitig zu unterstützen. Sich in einer Gruppe zurechtzufinden, hat für mich einen hohen gesellschaftlichen Mehrwert.“
Lange, bevor der Outdoor-Trend viele Menschen vom Sofa nach draußen zog, übte die Natur auf die Pfadfinder große Faszination aus. „Wenn man im Wald sein Zelt aufschlägt oder bei jemandem unterkommt, weil die Leute so gastfreundlich sind, verbindet das sehr. Nicht nur mit der Natur, sondern auch mit Menschen“, sagt Anna-Lena Hofmann. Neben den wöchentlichen Treffs gibt es regelmäßig Fahrten am Wochenende mit Wanderungen und Geländespielen.
Mit rund elf Jahren dürfen die Kinder zum ersten Mal mit zum Zelten, lernen technisches Know-how, von Knoten über das Feuermachen bis zum Aufbau der Zelte, die nur aus Holz, Seilen und schwarzen Zeltbahnen bestehen. Es wird viel geredet, gesungen und gelacht. Mehrtägige Lager stehen unter einem bestimmten Motto wie Harry Potter, Wikinger oder Ritter. In den Ferien unternehmen die Älteren zweiwöchige Fahrten auch ins Ausland. „In Schweden lagen wir in den Schlafsäcken unter Bäumen und über uns sind die Eichhörnchen hin und her gesprungen. Das sind Dinge, die man viel bewusster wahrnimmt.“
Bei den Fahrten gilt neben den üblichen Regeln eine zusätzliche Vorgabe: „Wir nehmen keine Handys mit. In Schweden und Polen hatten wir zwei Wochen keine Handys dabei, und alle haben es überstanden. Dafür schrieben wir Postkarten mit dem Wunsch nach einem Lieblingsessen bei der Rückkehr. Es war spannend, ob die Postkarte rechtzeitig angekommen war. Das macht das Heimkommen besonders.“ Der kurze Draht nach Hause ist für Notfälle gesichert. „Die Verantwortlichen haben ein Handy dabei, wenn irgendetwas ist. Die Eltern wissen, wenn sie nichts hören, ist alles in Ordnung.“
Die Diespecker Pfadfinder waren beim Verzicht auf Handys vielen Schulen, die zunehmend Verbote aussprechen, einen Schritt voraus. Die 23-Jährige kann dazu nur ermutigen. „Das Handy nicht dabei zu haben, ist extrem fördernd, um bewusster auf Menschen zuzugehen.“ Alkohol und kein Nikotin sind ebenfalls tabu, ohne Probleme. „Das entwickelt sich über die Zeit. Wenn man es von Anfang an konsequent durchzieht, geht das gut.“
Die Pfadfinder entwickelten sich ab Beginn des 20. Jahrhunderts von England ausgehend zu einer internationalen Bewegung, zu der mehr als 60 Millionen Kinder und Jugendliche gehören. In der Tradition der britischen Schulen tragen alle einheitliche Kleidung, robust genug für viele Formen der Erlebnispädagogik. „Das ist keine Uniform“, stellt Anna-Lena Hofmann ein weit verbreitetes Vorurteil klar. „Unsere Kluft zeigt die Einheit. Sie verdeckt soziale Unterschiede. Es spielt bei uns keine Rolle, was jemand trägt.“
Ebenfalls der Geschichte der Pfadfinder geschuldet sind die ungewöhnlichen Bezeichnungen für Gruppen und Ortsverbände. Letztere heißen Stämme. Der Diespecker gehört zu den ältesten in Deutschland. Schon 1912 wurde in Neustadt/Aisch eine Pfadfindergruppe gegründet, die Anfang der 1980er Jahre ins benachbarte Diespeck umzog. Benannt ist der Stamm nach Veit vom Berg, einem bekannten Pfarrer, der im 17. Jahrhundert im Aischgrund lebte. Im 30-jährigen Krieg wollten ihn feindliche Soldaten erschießen, so die Legende, doch die Bibel in der Tasche über seinem Herzen fing die Kugel auf. Im alten Mesnerhaus der evangelischen Gemeinde St. Johannis hat der Stamm Veit vom Berg, der zur Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands gehört, sein Quartier.
Die Verankerung im christlichen Glauben ist Anna-Lena Hofmann wichtig, aber keine Bedingung. „Es geht nicht darum, Leute zu missionieren. Jeder kann selbst entscheiden, was er mitnimmt.“ Auch Kinder und Jugendliche mit anderer oder keiner Glaubensrichtung sind willkommen.
Bei allem Interesse an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat sich Anna-Lena Hofmann nach dem Abitur in Neustadt nicht für einen pädagogischen Berufsweg entschieden. Vor kurzem hat die 23-Jährige ihr Studium zur Bauingenieurin abgeschlossen, jetzt ist sie in der Bewerbungsphase. „Ich brauche manchmal eine Konzentration auf technische Dinge.“ Oder auf die Ballettstunden, die sie noch länger besucht als die Treffen der Pfadfinder.
Ihr Horizont ist weit, auch Reisen sind eine Leidenschaft. Als 16-Jährige ging sie für sechs Wochen für ein Austauschprogramm nach Amerika. In den Sommerferien in Wisconsin tourte sie mit ihrer Austauschpartnerin und deren Eltern durch sechs Bundesstaaten. „Ich habe da viel mitgenommen. Das fördert das Selbstvertrauen.“ Ebenso wie ihr Umgang mit der Diabetes-Krankheit, die sie mit 15 Jahren bekommen hat. „Das gehört zu mir dazu. Ich möchte nicht, dass es ein Hindernis ist. Sondern eine Herausforderung, die ich schaffe, auch als Vorbild für andere.“
Ihr Ehrenamt will sich Anna-Lena Hofmann weiter bewahren. „Für mich ist elementar, Dinge zu bewegen, etwas umzusetzen, nicht klein zu denken, sondern groß. Es ist so wertvoll, was da entsteht.“
Für ihr Engagement wird Anna-Lena Hofmann bei der Aktion „Mein Ehrenamt” mit dem Preis für den Monat September ausgezeichnet. Sie kennen auch eine Person aus der Region, deren ehrenamtliches Engagement einen Preis verdient hätte? Dann schlagen Sie sie über unser Bewerbungsformular vor. Hier finden Sie alles zur Aktion.