FLZ-Auszeichnung: Manfred Riedel ist Ehrenamtlicher des Monats Juli | FLZ.de | Stage

foobarious
arrow_back_rounded
Lesefortschritt

FLZ-Auszeichnung: Manfred Riedel ist Ehrenamtlicher des Monats Juli

Manfred Riedel engagiert sich in Neuendettelsau für Geflüchtete. (Foto: Andrea Walke)
Manfred Riedel engagiert sich in Neuendettelsau für Geflüchtete. (Foto: Andrea Walke)
Manfred Riedel engagiert sich in Neuendettelsau für Geflüchtete. (Foto: Andrea Walke)

Schon seit seiner Jugend engagiert sich Manfred Riedel aus Neuendettelsau. Heute liegt sein Fokus auf der Leitung des Unterstützungskreises „Sicherer Hafen”. Dafür hat die Jury den 69-Jährigen für den Monat Juli mit dem FLZ-Ehrenamtspreis ausgezeichnet.

„Das Ehrenamt gibt Sinn und es macht glücklich, zu sehen, wie sich die Menschen freuen und wie dankbar sie sind”, sagt Riedel mit Blick auf die Geflüchteten. Der Neuendettelsauer wuchs bei Gunzenhausen auf einem Bauernhof auf. Sein Engagement begann mit 17 Jahren, als er Leiter einer Landjugendgruppe wurde. Nach der Schule machte er eine Ausbildung zum Krankenpfleger und Lehrer, leitete 27 Jahre lang eine Krankenpflegeschule. Währenddessen setzte er sich im Berufsverband für Pflegeberufe für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege ein.

Rund 400 Geflüchtete leben in der Gemeinde

2008 ging er in die Kommunalpolitik, wurde Fraktionssprecher der SPD im Gemeinderat und kandidierte für das Amt des Bürgermeisters. Rathauschef wurde er zwar nicht, bringt sich aber im Gemeinderat ein und ist Seniorenbeauftragter. Beim Ansbacher Verein Rauhreif, der Opfern sexualisierter Gewalt hilft, ist er Beisitzer – genau wie im Bündnis für Familie Neuendettelsau.

Rund 400 Geflüchtete leben derzeit in der Gemeinde. Die etwa 140 Asylbewerber, überwiegend aus Syrien, werden von einer Flüchtlings- und Integrationsberaterin der Diakonie Ansbach betreut. Der Unterstützungskreis „Sicherer Hafen” kümmert sich dagegen schwerpunktmäßig um die afghanischen und ukrainischen Menschen. Den Kern bilden 20 Ehrenamtliche, die von etwa 20 weiteren Freiwilligen im Hintergrund unterstützt werden.

In Neuendettelsau gibt es auch eine Integrationsfachkraft, die über die Gemeinde sowie Stiftungsgelder finanziert wird. Riedel hatte sich im Gemeinderat selbst dafür eingesetzt, dass die Kommune dafür eine halbe Stelle schafft. „Es geht darum: Wie kann man die Menschen langfristig integrieren?”, erklärt er. Die Integrationsfachkraft vermittelt zum Beispiel Kontakte zu Vereinen oder der Gemeinde.


„Nicht nur reden und motzen, sondern machen.”

Manfred Riedel

Auch wenn es in der Bevölkerung zum Teil noch immer Unsicherheiten und Ängste gebe – vor allem mit Blick auf die syrischen Männer – würden die Geflüchteten in Neuendettelsau alles in allem doch gut aufgenommen, glaubt Riedel. „Insgesamt ist eine große Akzeptanz da.”

„Nicht nur reden und motzen, sondern machen”, pflegt er zu sagen. Riedel ist selbst so ein Macher. „2021 habe ich initiiert, dass sich Neuendettelsau zum Sicheren Hafen erklärt”, erzählt er. „Das heißt, dass wir uns verpflichten, Geflüchtete aufzunehmen und ein sicheres Ankommen gewährleisten.” Nicht lange und die ersten afghanischen Ortskräfte erreichten mit ihren Familien Neuendettelsau. Sie hatten nach der Machtübernahme der Taliban fluchtartig ihre Heimat verlassen. Und kurze Zeit später kam dann ein Bus mit Ukrainerinnen und ihren Kindern.

Es gab viel zu organisieren. „Eine 50-Stunden-Woche hatte ich da schon”, erinnert sich Riedel. Er gründete Fachgruppen: Die einen unterstützten die Neuankömmlinge zwecks Anmeldung beim Einwohnermeldeamt, die anderen bei der Eröffnung eines Kontos oder der Kita- und Schulanmeldung. Das sind nur einige Beispiele von vielen.

Die Sprache ist der Schlüssel zur Integration

Wichtig sei, flexibel zu bleiben und die Bedürfnisse der Menschen im Blick zu behalten, stellt Riedel fest. „Am Anfang ging es um ein Dach über dem Kopf oder darum, Tafelausweise zu organisieren.” Inzwischen liegt der Fokus des Unterstützungskreises vor allem darauf, beim Deutschlernen und der Arbeitssuche zu helfen.

„Die Arbeitgeber fragen: Wie ist es mit der Sprache?” Und auch die Kinder müssen Deutsch können, um in der Schule mitzukommen. „Anfang des Jahres haben wir von den Sprachschulen die Information bekommen, dass ein großer Teil der Kurse gestrichen ist”, berichtet Riedel. „Die hatten keine Zusage für die Finanzierung.”

Einige der Geflüchteten kamen bei der Volkshochschule unter, müssen den Kurs dort aber selbst bezahlen. Außerdem bieten die Ehrenamtlichen Nachhilfe an (auch für die Syrer). Manche Inhalte der Prüfungsbücher findet Riedel absurd: „Da wird gefragt: Wie wird der Bundespräsident von Deutschland gewählt? Das soll man dann wissen als Afghane.”

Viele Geflüchtete nehmen eine Arbeitsstelle an, die unter ihrer beruflichen Qualifikation liegt, weil ihr Abschluss in Deutschland nicht anerkannt wird oder die fremde Sprache noch eine zu große Barriere darstellt. So arbeitet ein ehemaliger Hochschuldozent aus Afghanistan beispielsweise in der Mittagsbetreuung der Grundschule. Andere sind in der Gastronomie oder der Textilreinigung beschäftigt, lassen sich im medizinischen oder pflegerischen Bereich ausbilden. Einer arbeitet ehrenamtlich im Sozialkaufhaus.

Es gibt aber auch richtige Erfolgsgeschichten, freut sich Riedel: „Ein Jurist ist in Kontakt mit der Uni Erlangen, und ein Professor für Mathematik, der schon einmal an einer Uni in Deutschland gearbeitet hat, ist im Dezember gekommen und bereits im Februar nach Erlangen gezogen. Jetzt ist er Fachbereichsleiter für Mathematik.”

Kinderbetreuung und Job unter einen Hut bekommen

Ebenfalls schwierig ist die Arbeitssuche für die Ukrainerinnen, die zum Großteil ohne ihre Männer hier sind: Sie müssen Kinderbetreuung und Job unter einen Hut bekommen. Trotzdem arbeiten laut Riedel 50 Prozent oder machen eine Ausbildung – und zwar in ganz unterschiedlichen Bereichen: als Bürokauffrau, als Küchen- oder Haushaltshilfe, als Schulbegleitung oder in der Altenpflege.

Auch sie sind sich nicht zu schade, eine Arbeit unter ihrer Qualifikation anzunehmen: Eine Bauingenieurin arbeitet als Betonwerksarbeiterin, eine ehemalige Grundschullehrerin lässt sich zur Erzieherin ausbilden. Ein Kriegsversehrter, der einen Arm und ein Bein nur eingeschränkt nutzen kann, ist als Hausmeister angestellt. „Ich habe erst kürzlich mit dem Haupt-Hausmeister gesprochen: Er ist sehr zufrieden mit ihm.”

Leider wollen aber auch viele Arbeitgeber die Geflüchteten nicht einmal für ein Praktikum einstellen, weil keine Zeit da ist, um sie einzulernen, bedauert Riedel. Wie geht man mit der Frustration um, wenn etwas nicht klappt? „Ich sage, das ist ein Triathlon und ich bin jemand, der einen langen Atem hat.” Außerdem tauschen sich die Ehrenamtlichen regelmäßig bei Treffen aus. Dabei fangen sie sich auch gegenseitig auf.

Vorbehalten in der Bevölkerung kann man nur durch Information entgegenwirken, ist Riedel überzeugt. Immer wieder verfasst er Artikel fürs Amtsblatt, verschickt drei- bis viermal im Jahr einen Newsletter, in dem er über die Tätigkeit des Unterstützungskreises informiert. Er organisiert auch die Treffen der Ehrenamtlichen, ist Ansprechpartner für die Kommune – und Problembekämpfer. Aufgeben ist nicht sein Ding: „Es gibt keine Probleme – es gibt nur Lösungen.”

Stellvertretend für die Helferinnen und Helfer

Neulich fragte ihn eine Kollegin aus dem Gemeinderat: „Bist du stolz auf deine Arbeit?” Riedel antwortete: „Stolz eigentlich weniger, aber dankbar, dass ich das machen kann und auch sehe, dass es von Erfolg gekrönt ist – dass Menschen in Arbeit kommen.” Im Rahmen seines Engagements sind auch neue Freundschaften entstanden. Zum Beispiel kümmert sich Riedel um einen afghanischen Familienvater, der durch Granatsplitter verletzt wurde. Er hat ein verkürztes Bein und braucht eine Erhöhung für seine Schuhe. „Mit dem fahre ich ab und zu zum Orthopädieschuhmacher. Wenn wir aus Neuendettelsau herausfahren, sagt er: ,Mister Manfred – Neuendettelsau super, alle Menschen freundlich.‘”

Riedels Frau Irene engagiert sich ebenfalls beim „Sicheren Hafen”. Sie unterstützt afghanische Familien bei allem, was mit Kita und Schule zu tun hat. Außerdem hat sie einen Frauentreff mit auf den Weg gebracht, bei dem sich deutsche und afghanische Frauen über ihre Kultur austauschen und auch einmal gemeinsam kochen.

Den Ehrenamtspreis nehme er „stellvertretend für die Helferinnen und Helfer” entgegen, meint Manfred Riedel. „Ohne die geht es nicht. Ich mache ja nur die Koordination.” Das „nur” kann man getrost streichen, denn ohne ihn würde es den Unterstützungskreis in dieser Form wohl nicht geben.

Für sein Engagement wird Manfred Riedel bei der Aktion „Mein Ehrenamt” mit dem Preis für den Monat Juli ausgezeichnet. Sie kennen auch eine Person aus der Region, deren ehrenamtliches Engagement einen Preis verdient hätte? Dann schlagen Sie sie über unser Bewerbungsformular vor. Hier finden Sie alles zur Aktion.


Andrea Walke
Andrea Walke
... ist Redakteurin in der Lokalredaktion Ansbach und seit Dezember 2012 bei der FLZ. Sie fühlt sich in Rathäusern genauso wohl wie in Gerichtssälen und trifft am liebsten Menschen, die eine interessante Geschichte zu erzählen haben. Seit 2017 betreut sie redaktionell die Aktion "FLZ-Leser helfen".
north