Sören Geiping war 17, als er die Feuerwehr zu seinem Beruf machen wollte. Dafür ging er aus dem Ruhrgebiet nach Burghaslach. Was er dort leistet, hat die Jury bei der FLZ-Aktion „Mein Ehrenamt“ überzeugt. Der 25-Jährige ist der Gewinner für den Monat März.
Erst waren es kurze Wege, die den angehenden Abiturienten aus Lünen in Westfalen zur Feuerwehr führten. Mit dem Hund ging er fast täglich am Bau einer neuen Wache in der Stadt mit knapp 90.000 Einwohnern nördlich von Dortmund vorbei. „Da hab ich das erste Mal realisiert, dass es Freiwillige Feuerwehren gibt, zu denen jeder darf.“
Die neue Wache für einen der Stadtteile von Lünen weckte das Interesse des Jugendlichen. „Ich hab den kompletten Bau mitgemacht. Als es fertig war, bin ich hin und hab gefragt: Darf ich dazu?“
Er durfte. Bei der Berufsfeuerwehr in Lünen folgte die Ausbildung zum Freiwilligen Feuerwehrmann. „Danach wusste ich: Ich will zur Berufsfeuerwehr. Aber dafür brauchte ich eine handwerkliche Ausbildung.“
Nach dem Abi schrieb er 26 Bewerbungen, quer durch die Möglichkeiten des Handwerks. Und kassierte 26 Absagen. Trost kam aus der Ferne, von einer Großtante aus dem Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. Sie hatte einen Bruder, der bei einer Zimmerei in Burghaslach gearbeitet hatte. Da gab es eine Azubi-Stelle als Schreiner. Sören Geiping schaute sich den Betrieb an, arbeitete eine Woche zur Probe mit und wagte den Sprung aus der großen Stadt im Ruhrgebiet in den kleinen Ort im Steigerwald, 400 Kilometer weg von zu Hause.
Statt des vorher angepeilten Chemie-Studiums in Nordrhein-Westfalen lernte der damals 18-Jährige das Schreinerhandwerk in Burghaslach. „Nach drei Monaten dachte ich: Eigentlich ist das Landleben ganz schön. Man hat seine Ruhe, man kennt sich, man grüßt sich. Ich hab gern Menschen um mich herum. Das hat man in der Großstadt nicht. Dort hat man nur Fremde um sich herum, hier kenne ich fast jeden. Das ist schöner.“
Heimweh hatte ich nicht einmal.
Was auch daran liegt, dass in dem Ort mit rund 2500 Einwohnern ebenfalls ein Feuerwehrhaus steht. Und am Gürtel eines Unbekannten, den Sören Geiping traf, ein Funkmeldeempfänger hing. „Ich hab ihn gefragt: Bist du bei der Feuerwehr? Magst mir das mal zeigen? Ich möchte auch dazu.” Die folgenreiche Begegnung hat er genau im Kopf. „Das war am fünften Tag, an dem ich hier war. Und zwei Tage später hatte ich meinen Spind und meine Klamotten. Meine Grundausbildung in Nordrhein-Westfalen wurde anerkannt. Dann war ich dabei.“
Die offenen Arme, mit denen der junge Mann aus dem Ruhrpott im Steigerwald aufgenommen wurde, haben ihn schwer beeindruckt. „Heimweh hatte ich nicht ein einziges Mal.“ Er absolvierte seine Lehre und hängte noch ein Jahr als Geselle dran. Bei der Feuerwehr half er in der Jugendarbeit und machte mit sechs Kameraden einen Sanitätskurs. Dabei wuchs ein neuer Berufswunsch.
„Helfen war zu Hause immer ein Thema.“ Die Eltern, beide Mediziner, hatten sich im Notarztdienst kennengelernt. Sören Geiping gab das Schreinerhandwerk auf und machte eine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Seitdem arbeitet er auf den Wachen des Arbeiter-Samariter-Bundes vor allem in Bad Windsheim, manchmal auch in Herzogenaurach oder Erlangen. „Rettungsdienst ist ein absolut schöner Beruf. Man hat viel Action, es wird einem nicht langweilig. Ich komme früh auf die Arbeit und weiß nicht, was ich heute tue.“
Mit einem Notfall rechnet keiner.
Oft fährt er das Notarztauto und gehört damit zu den ersten am Einsatzort. „Mit einem Notfall rechnet keiner, das ist eine stressige Situation. Wir können Ruhe reinbringen, wir können helfen. Alleine, dass wir da sind, beruhigt ganz viel.“
Durch seine Arbeit kennt er auch die schwierigen Seiten des Rettungsdienstes in einer Gegend, die weitläufig und dünn besiedelt ist. Bis Rettungswagen und Notarzt eintreffen, kann es dauern. Erst recht, wenn irgendwo in der Nähe gleichzeitig ein zweiter Notfall ist. Mit einigen Gleichgesinnten beschloss Sören Geiping im vergangenen Jahr, etwas zu tun, um eine gefährliche Lücke für die Menschen in und um Burghaslach zu verkleinern. Es entstanden die „First Responder“ – eine schnelle Truppe, die im Notfall hilft, bis Rettungswagen und Notarzt eintreffen.
Bis heute haben sich rund 20 Frauen und Männer gefunden, die nachts und am Wochenende auch tagsüber ein zweiköpfiges Bereitschaftsteam stellen. Sie haben eine Qualifikation für die wichtigen ersten Maßnahmen im Notfall. Etwa ein Drittel ist auch in der Feuerwehr, die anderen sind beruflich im Rettungsdienst, in Kliniken oder Arztpraxen aktiv.
Die „First Responder“ können Leben retten, doch für sie gibt es kein Geld. Alles läuft auf Spendenbasis. Nach einem Startkapital von der Gemeinde hat sich gerade ein Förderverein gegründet, um erst einmal ein dringend nötiges neuen Fahrzeug zu finanzieren. Die ersten vier Einsätze sind gelaufen. „Wir waren schnell da und haben helfen können. Ich bin unfassbar stolz, dass wir das geschafft haben. Das zeigt, dass wir zusammenhalten“, freut sich Sören Geiping. „Es gibt viel Unterstützung von der Bevölkerung. Das ist mein Herzensprojekt.“
Als ob ich schon immer hierher gehörte.
Bei der Freiwilligen Feuerwehr Burghaslach ist er inzwischen in der Vorstandschaft, engagiert sich in der Jugendarbeit und leitet die Sanitätsausbildung. „Mich reizt es, mein Wissen weiterzugeben. Feuerwehr ist viel Spaß. Aber wenn ein Einsatz kommt, muss man funktionieren.“
Häufig telefoniert er mit seinen Eltern, die inzwischen Burghaslach bei Besuchen kennengelernt haben. „Sie finden es hier genauso schön wie ich. Sie verstehen, dass ich nicht zurückkomme.“ Der 25-Jährige hat seinen Aufbruch ins Ungewisse nicht bereut. „Hier bin ich mit der Feuerwehr und dem Ort unfassbar zufrieden. Diese Region fühlt sich für mich heimisch an. Als ob ich schon immer hierher gehörte. Ich will nicht weg. Hier ist Heimat.“
Die Hintergründe unserer Aktion und das Bewerbungsformular für den FLZ-Ehrenamtspreis finden Sie hier.