Es geht um Kunstwerke, Möbel, Silber und Insignien der Macht von unschätzbarem Wert: Fast 100 Jahre stritt das Haus Hohenzollern mit der öffentlichen Hand um den Besitz Tausender Stücke aus ihren ehemaligen Schlössern. Nun gibt es eine Lösung in diesem Jahrhundertstreit. Die wichtigsten Antworten.
Das Adelsgeschlecht Hohenzollern hatte über mehrere Hundert Jahre in Deutschland erheblichen Einfluss. In Preußen stellte es seit dem 18. Jahrhundert die Monarchen und nach der Gründung des Deutschen Reichs 1871 die deutschen Kaiser. Nach Ausrufung der Weimarer Republik im November 1918 ging der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II. ins Exil. Die Vermögenswerte der Hohenzollern wurden beschlagnahmt. 1926 sollte ein Gesetz Vermögensstreitigkeiten zwischen dem Staat und den Hohenzollern klären. Es blieben jedoch rechtliche Unklarheiten, über die letztlich fast 100 Jahre gestritten wurde - der Hintergrund der jetzigen Einigung.
Offiziell beschrieb die Bundesregierung 2019 den Gegenstand des Streits so: „Es handelt sich zum Beispiel um Memorabilia, Möbel, Textilien und Gemälde, aber auch um Bibliotheks- und Archivbestände. Darunter befinden sich auch Gegenstände und Gemälde von erheblichem Wert und historischer Bedeutung.“ Die meisten der Tausenden Kunstobjekte befinden sich seit Jahrzehnten in öffentlichen Museen in Berlin und Brandenburg. Ein Teil stammt aus dem 1877 eröffneten Hohenzollernmuseum im Schloss Monbijou im heutigen Berlin-Mitte. Es wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt und 1959 auf Beschluss des Ostberliner Magistrats abgerissen.
Verhandelt wurde seit 2014. Die Hohenzollern machten laut Regierungsangaben nach der Deutschen Einheit Ansprüche auf Grundlage des sogenannten Ausgleichsleistungsgesetzes geltend. Das Gesetz sieht vor, dass der Staat unter bestimmten Bedingungen Entschädigungen zahlt für „Enteignungen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage“. Für „bewegliche Sachen“ sieht das Gesetz eine mögliche Rückgabe vor. Zunächst ging es in zähen Runden darum, über welche Objekte genau verhandelt werden soll. Dann stritt man um die Sachen selbst.
Verwirrend ist der Konflikt, weil zwischendurch auch Immobilienansprüche in Rede standen, so etwa ein Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof in Potsdam. Verhandlungen darüber lehnte die öffentliche Hand ab. Das Land Brandenburg wollte die Hohenzollern auch nicht entschädigen.
Es folgten vor dem Verwaltungsgericht Potsdam zwei Klagen auf Entschädigung in Millionenhöhe für enteignete Schlösser und Inventar. In dem Zusammenhang erörterten Historiker ausgiebig die Rolle der Hohenzollern in der NS-Zeit, insbesondere von Wilhelm Kronprinz von Preußen (1882-1951). Denn laut Gesetz bekommt keinen Ausgleich, wer dem NS-System „erheblichen Vorschub geleistet hat“. Schließlich zog Hohenzollern-Chef Georg Friedrich Prinz von Preußen 2023 die Klagen zurück. Seit Herbst 2024 saß man wieder am Verhandlungstisch.
Unterm Strich verbleiben nun die allermeisten umstrittenen Kunstschätze in den Museen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und Deutsches Historisches Museum (DHM). Museumsbesucher können sie also in Ausstellungen besichtigen.
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer nannte als Beispiele das Bildnis Kurfürst Joachim I. von Brandenburg von Lucas Cranach dem Älteren, die barocken Elfenbeinmöbel des Großen Kurfürsten aus dem Besitz von Johann Moritz von Nassau-Siegen oder das Tafelservice für das 1750 von Friedrich II. erworbene Breslauer Stadtschloss.
Rechtlich wird Besitz und Eigentum geklärt. Die umstrittenen Objekte aus dem früheren Hohenzollernmuseum gehen an eine gemeinnützige „Stiftung Hohenzollernscher Kunstbesitz“, in der die öffentliche Hand mehrheitlich das Sagen hat. Einige umstrittene Stücke werden aber auch dem Eigentum der Hohenzollern zugeordnet, darunter sieben sogenannte Tabatieren - das sind prächtig verzierte Tabakdosen. Außerdem erhält das Haus Hohenzollern Objekte, die auf einer 2018 für die Verhandlungen zusammengestellten Liste stehen, der sogenannten C-Liste.
Die Objekte einer zweiten Liste - der sogenannten 19er Liste mit Kunstwerken von herausragender Bedeutung - werden hingegen „eindeutig der öffentlichen Hand zugeordnet“, wie Weimer mitteilte. „Mit der finalen Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche des Hauses Hohenzollern gegenüber den drei kulturgutbewahrenden Einrichtungen abgegolten“, betonte Weimer.
Ein wichtiger Punkt sind die extrem wertvollen sieben Tabatieren. Vereinbart ist, dass zwei davon als Dauerleihgabe in Einrichtungen der öffentlichen Hand bleiben. Über fünf der Stücke kann das Haus Hohenzollern also verfügen, ebenso die Stücke der „C-Liste“. In der neuen gemeinnützigen Stiftung bekommen die Hohenzollern drei Sitze im Stiftungsrat und damit Mitsprache.
Weimer, dessen Vorgängerinnen sich jahrelang mit dem Streit auseinandersetzen mussten, konnte eine Woche nach der Amtsübernahme den Durchbruch verkünden - und äußerte sich sehr zufrieden. „Durch diese Einigung haben wir einen Streit beigelegt, der viele Jahre beide Seiten Zeit, Geld und Kraft gekostet hat.“ Zustimmen müssen nun noch die Gremien Stiftung Preußischer Kulturbesitz und des Deutschen Historischen Museums.
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