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Veröffentlicht am 25.03.2025 14:22, aktualisiert am 25.03.2025 16:19

Lächelnd hinter Panzerglas: Klette-Prozess hat begonnen

Die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette wirkt am ersten Prozesstag gelassen. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters/Pool/dpa)
Die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette wirkt am ersten Prozesstag gelassen. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters/Pool/dpa)
Die ehemalige RAF-Terroristin Daniela Klette wirkt am ersten Prozesstag gelassen. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters/Pool/dpa)

Jahrzehnte lebte die mutmaßliche Räuberin und frühere RAF-Terroristin im Untergrund, nun betritt Daniela Klette freundlich lächelnd den Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Celle. Die weißhaarige, ungeschminkte Frau trägt einen schlichten, schwarzen Pullover. Sie wirkt gelassen und gut gelaunt. Zur Begrüßung umarmt die 66-Jährige ihre Verteidiger in einem Glaskasten, der eigentlich für Angeklagte in Terrorismusverfahren vorgesehenen ist. 

In dem mit Panzerglas gesicherten Raum wird Klette wahrscheinlich viele Tage verbringen. Vor ihr liegt ein langer Prozess. Aus Sicherheitsgründen wird nicht in den Räumen des Landgerichts Verden verhandelt, sondern im Oberlandesgericht Celle. 

Raubüberfälle in drei Bundesländern?

Einiges aus der Anklageschrift, die zwei Staatsanwältinnen gut anderthalb Stunden vortragen, war bereits vorab bekanntgeworden. Die Staatsanwaltschaft wirft der Deutschen versuchten Mord unter anderem aus Habgier vor. Die Anklage spricht zudem von versuchtem und vollendetem schweren Raub als „Mitglied einer Bande“ sowie von unerlaubtem Waffenbesitz. Demnach soll Klette 13 Überfälle gemeinsam mit Ernst-Volker Staub (70) und Burkhard Garweg (56) begangen haben, die wie sie der sogenannten dritten Generation der linksextremistischen Rote Armee Fraktion (RAF) zugerechnet werden. Wo sich die beiden Männer aufhalten, ist unbekannt. Bei den Überfällen soll Klette meistens das Fluchtauto gefahren haben.

Nach den Ermittlungen sollen Klette und ihre Komplizen von 1999 bis 2016 Geldtransporter und Kassenbüros von Einkaufsmärkten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein überfallen haben. Dabei sei das Trio „arbeitsteilig und äußerst konspirativ“ vorgegangen. 

Perücken, falsche Schnurrbärte und Waffen

Demnach plante die Bande ihre Verbrechen genau, mietete unter falschen Namen Fahrzeuge, spähte die Tatorte aus und fertigte davon Zeichnungen an. Laut Anklage verkleideten sich die Tatverdächtigen mitunter mit Perücken und falschen Schnurrbärten. Manchmal trugen sie Sturmhauben oder verdeckten ihre Gesichter mit Tüchern. Klette, Garweg und Staub hätten die zeitintensive Planung und die Ausführung der Raubüberfälle als ihre Arbeit angesehen, sagte die Staatsanwältin. Demnach wollten sie mit den Straftaten ihren Lebensunterhalt finanzieren. Bei den Taten sollen sie 2,7 Millionen Euro erbeutet haben.

Um Widerstände zu überwinden, hatte das Trio den Ermittlungen zufolge Waffen dabei: Eine täuschend echt aussehende Panzerfaust, Elektroschocker und Pistolen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft soll das Trio in Kauf genommen haben, Menschen tödlich zu verletzen. Laut Anklage bedrohten die drei ihre Opfer. 

Wie eine freundliche Nachbarin

Im Gerichtssaal zeigt sich die Angeklagte aufmerksam und gelassen. Sie hört ruhig zu, manchmal stützt sie ihren Kopf in die Hände. Ihre weißen Haare sind im Nacken locker zusammengebunden. Beim Betreten des Saals hat die Jeansträgerin einen schwarzen Beutel mit der gelben Aufschrift „Kultursack“ dabei. Die 66-Jährige wirkt wie eine freundliche Nachbarin.

Die Verteidigungsstrategie der drei Klette-Anwälte wird schon am ersten Prozesstag deutlich. Sie sprechen von einer öffentlichen Vorverurteilung. Es werde nicht berücksichtigt, dass sich die RAF 1998 aufgelöst habe. Die Anklageschrift durchziehe der „denunziatorische Grundgedanke, dass es sich bei der Angeklagten um eine skrupellose Schwerverbrecherin handelt“, sagt Ulrich von Klinggräff. Die Verteidiger weisen den Vorwurf zurück, Klette habe billigend in Kauf genommen, dass bei den Überfällen auch Menschen getötet werden könnten.

Anwälte sprechen von öffentlicher Vorverurteilung

„Die gesamte öffentliche Vorverurteilung steht in Zusammenhang mit der RAF“, sagt die Anwältin Undine Weyers in ihrem Eröffnungsstatement. Darin zieht sie unter anderem auch in Zweifel, dass bei einem Überfall in Richtung des Fahrers geschossen worden sei. Aus Sicht der Verteidigung stellen die Behörden Klette als gefährlicher dar als sie ist. Nach ihrer Festnahme am 26. Februar 2024 in Berlin-Kreuzberg fanden die Ermittler unter anderem Pistolen, Munition und sogar Kriegswaffen in der Wohnung der früheren RAF-Terroristin, in der Nachbarn sie als Claudia kannten.

„Hallo Polizei, wir suchen Claudia“, sollen die Beamten laut Weyers gesagt haben. Klette habe dann nicht mit den Waffen, die sie hatte, auf die Beamten geschossen, sondern eine SMS geschrieben - mit den Worten „Sie haben mich!“, sagte die Verteidigerin.

Attrappe einer Handgranate

Klette soll bei den Überfällen meist das Fluchtfahrzeug gefahren haben. Laut Anklage soll sie aber auch Opfer mit einer täuschend echt aussehende Attrappe einer Handgranate eingeschüchtert haben. Dass die Frau aus dem fünften Stock des Mietshauses in Berlin-Kreuzberg an professionellen Raubüberfällen beteiligt gewesen sein soll, ahnte lange Zeit niemand. 

Spätestens im Jahr 1990 verschwand sie von der Bildfläche, der erste angeklagte Raubüberfall ereignete sich 1999. Nach außen führte sie offenbar ein unauffälliges Leben. Nachbarn schildern „Claudia“ als freundliche, grauhaarige Nachhilfelehrerin Mitte 60 mit einem langen Zopf und einem Hund. Als Einsatzkräfte die ehemalige RAF-Terroristin am 26. Februar 2024 in Berlin-Kreuzberg festnahmen, war die Verwunderung groß.

Am nächsten Prozesstag, dem 1. April, wird voraussichtlich ein Beamter des niedersächsischen Landeskriminalamtes als erster Zeuge erwartet. Er wird laut Verteidigung zu der Festnahme befragt.

Verteidigung fordert Einstellung des Verfahrens

Die Verteidigung fordert die Einstellung des Verfahrens und die Aufhebung des Haftbefehls. Gegen die 66-Jährige sei kein fairer, rechtsstaatlicher Prozess möglich, heißt es in dem Antrag, den die Anwälte am ersten Prozesstag stellen. Klettes Anwälte befürchten ein politisches Verfahren, obwohl aus ihrer Sicht die ehemalige RAF-Mitgliedschaft nicht bewiesen ist.

Hohe Sicherheitsvorkehrungen

Der Prozess startete unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. Vor den Eingängen des Gerichtsgebäudes standen Justizbeamte und Polizisten mit Maschinenpistolen. Vor dem Oberlandesgericht Celle versammelten sich rund 50 Unterstützer der Angeklagten. Auf Transparenten stand unter anderem „Freiheit für alle politischen Gefangenen“.

Ermittlungen wegen Terroranschlägen

Hintergrund der Sicherheitsvorkehrungen ist die Vergangenheit der Angeklagten. Klette gehörte der sogenannten dritten Generation der linksextremistischen Roten Armee Fraktion (RAF) an. 1998 erklärte sich die RAF, die mehr als 30 Menschen tötete, für aufgelöst. Die nun zu verhandelnden Taten haben keinen terroristischen Hintergrund, wie die Ermittler betonen. Der Vorsitzende Richter Lars Engelke Engelke wies ausdrücklich darauf hin, dass der aktuelle Prozess gegen Klette „kein Staatsschutz- und kein Terrorverfahren“ sei.

Gegen die 66-Jährige besteht auch Haftbefehl wegen des Verdachts der Beteiligung an Terroranschlägen. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr versuchten Mord in zwei Fällen sowie Mittäterschaft bei Sprengstoffexplosionen bei drei Anschlägen der RAF in der Zeit von Februar 1990 bis März 1993 vor. Zu diesem Komplex wird eine weitere Anklage erwartet, die zu einem weiteren Gerichtsprozess führen kann. Die Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung RAF an sich ist inzwischen verjährt.

© dpa-infocom, dpa:250325-930-413841/2


Von dpa
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