Maibaum vs. Kirchweihbaum: Was steckt hinter den Traditionen in Franken? | FLZ.de | Stage

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Veröffentlicht am 30.04.2025 08:45

Maibaum vs. Kirchweihbaum: Was steckt hinter den Traditionen in Franken?

Mit einem mehrfachen Hauruck hieven die Dorfjugend und die Ortsburschen und Ortsmadle einmal im Jahr ihren Baum in die Höhe. Während es bei der einen Gruppe der Maibaum ist, handelt es sich bei anderen um den Kirchweihbaum. So oder so: Er steht bunt geschmückt auf dem Marktplatz beziehungsweise im Ortszentrum.

Beide Traditionen sind in Westmittelfranken fest verankert. Meist wird eine Fichte ausgesucht, die etwa 30 Meter lang ist. Je größer, desto besser – und voll muss die Baumkrone sein. Geschmückt wird sie in beiden Fällen mindestens mit farbigen Stoffbändern. Alle Äste entlang des Stamms werden entfernt, ebenso wie die Rinde. Für Letzteres sind Kartoffelsäcke ein gutes Werkzeug.

Sobald die Bäume ausgedient haben, werden sie zu Brennholz verarbeitet. Dieses wird manchmal an die Bürgerinnen und Bürger versteigert, wie es etwa in Dachsbach an der Kirchweih der Fall ist. Doch wo haben diese Brauchtümer eigentlich ihren Ursprung?

Der Maibaum: Zeichen für Glück und Segen

Woher der Maibaum und dessen Tradition stammt, ist umstritten. Vermutlich hat er seinen Ursprung in der spätmittelalterlichen Zeit, schreibt der WDR – also nicht, wie viele sagen, bei den alten Germanen. Im Laufe der Jahrhunderte entwickelten sich der Brauch und die Bedeutung des Baumes weiter.

Dem Maibaum werden viele Eigenschaften unterstellt. In vorchristlichen Zeiten dienten derartige Bäume wohl als Zeichen des Frühlings und der Fruchtbarkeit. Die Bäume waren das Zentrum von Veranstaltungen, es wurde um sie herum getanzt. Diesen Brauch hat das Christentum später für eine lange Zeit verboten. So wie wir den Maibaum kennen, ist er wohl im 16. Jahrhundert entstanden. Er soll nun unter anderem für Glück und Segen stehen.

Aufgestellt wird der Maibaum entweder am 1. Mai oder abends am 30. April. Meist bleibt er ein ganzes Jahr stehen, bis er vom nächsten Maibaum abgelöst wird. In einigen Orten jedoch nur ein paar Monate. Er ist im Gegensatz zum Kirchweihbaum nicht nur mit Bändern geschmückt. Ein Kranz aus Tannenzweigen hängt oben um den Baumstamm und es werden verschiedene Tafeln und ortsüblicher Schmuck angebracht. Mancher Maibaum-Stamm ist rot-weiß (für Franken) oder blau-weiß (für Bayern) bemalt.

Maibäume sind in der Region unterschiedlich verbreitet

Der Start in den „Wonnemonat“ Mai wird in Westmittelfranken vielerorts mit gemeinschaftlichen Feiern wie Grillen oder Frühschoppen zelebriert. In Feuchtwangen sind die Feierlichkeiten nicht ganz an diesen genauen Monat gebunden. Das Maifest fand aus verschiedenen Gründen im vergangenen Jahr erst im Juli statt. In Geilsheim, einem Gemeindeteil der Stadt Wassertrüdingen, ist es zudem seit über 30 Jahren Tradition, um den Maibaum zu tanzen. Dafür hat sich eine offizielle Volkstanzgruppe etabliert.

Es lässt sich nicht genau sagen, warum manche Orte einen Maibaum haben und andere nicht. Sowohl in evangelischen als auch katholischen Gegenden ist der Brauch verbreitet. Jedoch hängt es auch damit zusammen, ob es dort eine Kirchweih gibt – und somit auch schon einen anderen Baum.

Der Kerwabaum: Ein Geheimnis, bis er steht

Die meisten Orte, die Kirchweih feiern, haben das Baumaufstellen auf ihrem Programm – nebst Bieranstich, Umzug und Frühschoppen. Traditionell wird der Baum am Kirchweihsamstag in die Höhe gehievt. Doch dafür muss er erst einmal gefällt werden. Und das, ohne dass die Spitze bricht. Meistens geht es am Samstagmorgen mit dem Traktor in den Wald, um das gute Stück abzuholen. In welchen Forst genau, das darf außer den Ortsburschen und Ortsmadle niemand wissen. Sonst könnte es passieren, dass der Baum bereits geklaut wird, bevor es überhaupt steht.

Ursprünglich wurde die Kirchweih damit eröffnet, dass ein Vertreter der Obrigkeit mit einem Mädchen aus dem Dorf eine Runde um die Dorflinde tanzte. So berichtet es das Landratsamt Weißenburg-Gunzenhausen. Der Kirchweihbaum ist an den Bräuchen zum Maibaum angelehnt. Er stand symbolisch für eine friedliche Kirchweih und einen reibungslosen Ablauf des Festes.

Die Bürgerinnen und Bürger seien deshalb zu Beginn der Veranstaltung zu Frieden und Einigkeit verpflichtet worden. Seit wann genau es den Kirchweihbaum in Franken gibt, ist nicht klar. Es gebe aber sichere Belege für seine Existenz ab dem 17. und 18. Jahrhundert, heißt es im Buch „Jahreslauf”, das über Brauchtümer in Mittelfranken schreibt.

So werden Mai- und Kirchweihbäume aufgerichtet

Getanzt wird heutzutage nur noch in wenigen Dörfern um den Baum. Den „Betzentanz” gibt es in der Region beispielsweise in Emskirchen im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim. In Neustadt wiederum gibt es zwar einen Tanz am Kerwabaum. Allerdings basiert dieser Geißbocktanz auf der örtlichen Geißbocksage.

An der Art und Weise, wie die hohen Bäume aufgestellt werden, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht viel geändert. Sie werden mit mehreren Stützen aus Holz – manchmal sogar aus Metall – aufgerichtet. Die Hilfsmittel werden „Schwalben” genannt. Der Baum wird in einem Ständer befestigt. Die Bewohner sind in Sachen Baumaufstellen meist schon eine eingeschweißte Truppe. Vielerorts gibt es für den Nachwuchs eine extra Kinderfichte, die kleiner ist als der normale Baum. Das ist etwa in Gerhardshofen und Bruckberg der Fall.

Gefährliche Zwischenfälle beim Baumaufstellen

Das Baumaufstellen ist nicht ganz ungefährlich. Bei der Kirchweih in Markt Bibart hat die Aktion im vergangenen Jahr Panikreaktionen entfacht. Zwei der hölzernen Schwalben brachen, der Baum geriet außer Kontrolle und fiel in Richtung der Zuschauer zu Boden. Getroffen wurde zum Glück niemand.

Auch im benachbarten Fürther Landkreis knickte nach kurzer Zeit die Spitze des Baumes ab. Einen 22-Jährigen traf der Sturz des Maibaums in Obernbreit im Landkreis Kitzingen vor zwei Jahren. Er wurde dabei verletzt.

Die Gefahr muss aber nicht unbedingt vom Baum selbst ausgehen. Im vergangenen Jahr stand eine damals 57-Jährige vor dem Ansbacher Amtsgericht, da sie im Tumult des Maibaum-Fests in Lehrberg mit ihrem Auto in eine Gruppe von Menschen fuhr. Der Baum wurde zu diesem Zeitpunkt noch auf den Straßen zum Marktplatz transportiert.

Eine Frau steuerte ihr Auto bei einem Umzug 2023 in Lehrberg in eine Gruppe und wurde jetzt vom Amtsgericht Ansbach verurteilt. (Symbolbild: Silvia Schäfer)
Eine Frau steuerte ihr Auto bei einem Umzug 2023 in Lehrberg in eine Gruppe und wurde jetzt vom Amtsgericht Ansbach verurteilt. (Symbolbild: Silvia Schäfer)

Maibaum-Prozess am Amtsgericht Ansbach: Frau steuerte Auto in Gruppe

Der Vorfall passierte bei einem Umzug 2023 in Lehrberg. „Sie sehen mich hier staunend sitzen”, sagte die Richterin nach der Erklärung der Angeklagten.

Wenn der Maibaum-Scherz nach hinten losgeht

Wenn die Fichte steht, ist die Tradition aber noch nicht vorbei. Die Jugend der Nachbardörfer versucht oftmals, das Prunkstück zu stehlen oder wenn es bereits steht, zu schälen. Regeln in Bezug auf den Diebstahl variieren von Region zu Region. Normalerweise darf der bereits stehende Baum nicht gestohlen oder abgesägt werden. Daran hält sich aber nicht jeder. Der Klau gilt als erfolgreich, wenn der Baum die Ortsgrenze überschritten hat. In anderen Ortschaften gibt es dafür kein striktes Regelwerk. Dort gilt: Hauptsache es wird bewiesen, die Wächter waren nicht gut in ihrem Job.

So oder so muss darauf geachtet werden, dass keine richtigen Straftaten begangen werden. Erst vor wenigen Tagen verursachten Unbekannte für die Gemeinde Weiltingen einen Schaden im vierstelligen Bereich. Sie schütteten den Schacht, in den der Maibaum gestellt wird, mit Beton zu.

Um das zu verhindern, wird Wache gehalten. Mit Bänken, Schlafsäcken, Ofen und reichlich Getränken nistet sich die Jugend auf dem Marktplatz ein – beziehungsweise dort, wo der Baum zwischengelagert ist. An der Kerwa wird der Baum teilweise durchgehend bewacht, doch vor allem die erste Nacht ist entscheidend.

Ickelheimer Ortsburschen sind Meisterdiebe

Für ordentlich Gaudi sorgt die Tradition des Stehlens immer wieder. Bekannte Meisterdiebe aus dem Neustädter Landkreis sind die Ortsburschen aus Ickelheim. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion klauten die Ickelheimer Ortsburschen die Flaggen an einem Bad Windsheimer Kreisverkehr und tauschten sie gegen eigene aus. Eine Lösegeld-Forderung ließ erst einmal auf sich warten.

Fünf Kästen Bier brachte Bürgermeister Jürgen Heckel (rote Jacke) den Ickelheimer Ortsburschen als Auslöse für das Brunnenmodell mit. Das durften sie am Ende dann aber auch gleich noch behalten. (Foto: Katrin Merklein)
Fünf Kästen Bier brachte Bürgermeister Jürgen Heckel (rote Jacke) den Ickelheimer Ortsburschen als Auslöse für das Brunnenmodell mit. Das durften sie am Ende dann aber auch gleich noch behalten. (Foto: Katrin Merklein)

Ein Brunnen und Bier für die pfiffigen Burschen in Ickelheim

Bad Windsheims Bürgermeister Jürgen Heckel erscheint persönlich zu den Verhandlungen um die Auslöse für das entführte Modell aus Holz.

Im Jahr zuvor verschwand spurlos ein Brunnen-Modell aus der Seegasse in Bad Windsheim. „Dass Kirchweihbäume wandern, kennt man”, sagte damals Stadtbaumeister Ludwig Knoblach. Doch Brunnen? Auch dafür waren die Ickelheimer verantwortlich. Mehrere Kästen Bier musste Bürgermeister Jürgen Heckel ihnen zum Tausch spendieren. Das Rathausoberhaupt zeigte sich damals begeistert von der Aktion: „Das sind Streiche, die ich absolut cool finde.”

Mit Stützen aus Holz oder Metall, die Schwalben genannt werden, werden Kerwabaum und Maibaum traditionell in die Höhe gestemmt. Wie hier in Gerhardshofen an der Kirchweih. (Archivbild: Luca Paul)
Mit Stützen aus Holz oder Metall, die Schwalben genannt werden, werden Kerwabaum und Maibaum traditionell in die Höhe gestemmt. Wie hier in Gerhardshofen an der Kirchweih. (Archivbild: Luca Paul)
Mit Stützen aus Holz oder Metall, die Schwalben genannt werden, werden Kerwabaum und Maibaum traditionell in die Höhe gestemmt. Wie hier in Gerhardshofen an der Kirchweih. (Archivbild: Luca Paul)
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