Mehrere Innenminister wollen die Zahlung von Bürgergeld an Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine beenden. Stattdessen wollen sie erreichen, dass nur niedrigere Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz fließen.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl forderte einen Kurswechsel der Bundesregierung. Er hoffe auf eine starke gemeinsame Haltung der Länder bei der anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) in Potsdam, sagte der CDU-Minister in Stuttgart. Die IMK tagt von Mittwoch bis Sonntag in Potsdam. Zuletzt hatten auch der Vorsitzende der IMK, der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen, und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) das Angebot für Ukrainer kritisiert.
Aus Sicht von Strobl könnte das Bürgergeld bei Menschen aus der Ukraine der Grund sein, Deutschland als Ziel für ihre Flucht zu wählen. „Möglicherweise haben wir auch deswegen besonders viele Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland im Unterschied zu unserem Nachbarland Frankreich beispielsweise, weil es hier diese hohen sozialen Leistungen gibt, die es nirgendwo sonst in Europa gibt“, sagte Strobl.
Vor allem mit Blick auf die wehrpflichtigen Männer sei das Bürgergeld eine schlechte Wahl: „Wenn wir es ernst nehmen, dass wir den Verteidigungskampf der Ukrainer stärken, dann müssen wir überall unsere Beiträge dazu leisten.“
Die Bundesregierung weist Forderungen nach geringeren staatlichen Leistungen für ukrainische Kriegsflüchtlinge allerdings weiterhin zurück. Es gebe keine entsprechenden Pläne. Die rund 1,1 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die sich in Deutschland aufhalten, wurden gemäß der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie aufgenommen und mussten daher keinen Asylantrag stellen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher kritisierte die Forderungen nach einer Beschränkung des Bürgergelds als „blanken Populismus“. „Niemandem wird es besser gehen, niemand wird auch nur ein Euro mehr haben, wenn Deutschland Geflüchtete schlechter behandelt und ihnen Leistungen kürzt“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
„Der deutsche Staat muss nicht weniger Geld für Geflüchtete ausgeben, sondern mehr Anstrengungen für eine schnellere und bessere Integration von Geflüchteten in Arbeitsmarkt und Gesellschaft unternehmen“, forderte Fratzscher. Dies sei eine riesige auch wirtschaftliche Chance, da sich das Arbeitskräfteproblem hierzulande in den kommenden Jahren massiv verschärfen werde.
Während Ukraine-Flüchtlinge in den ersten Monaten nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs lediglich Anspruch auf Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hatten, können sie seit Juni 2022 Grundsicherung bekommen, also die gleichen Leistungen wie Empfänger von Bürgergeld (damals noch Hartz IV). Begründet wurde dies unter anderem damit, dass sie direkt Anspruch auf einen Aufenthaltstitel haben und keine Entscheidung wie bei Asylbewerbern abwarten müssen.
© dpa-infocom, dpa:240618-99-437522/4