„Ich war noch nie ein Pauschalurlauber“, sagt Jochen Abele. Klar sei auch er mal mit dem Flieger verreist. Am liebsten aber tut er das mit seinem „Bussi“, seinem 54 Jahre alten Setra-Bus.
Schon als 17-Jähriger reiste der heute 56-Jährige, der im Ipsheimer Ortsteil Eichelberg wohnt, anfangs noch mit dem Rucksack, quer durch Europa. Mit einem VW Bus T2 zog es ihn beispielsweise nach Portugal oder in die Türkei. Als die Familienplanung begann, wurde es zunehmend enger. „Wenn der TÜV uns scheidet“, dann wollte er nochmals überlegen, wie es weitergehen kann. So kam es auch, Abele verkaufte seinen VW Bus damals für 250 Mark. „Heute hätte ich einen Haufen Geld dafür bekommen“, sagt der Oldtimer-Fan, der im Bereich Versicherungen arbeitet, und lacht.
Auf einem Campingplatz in Jugoslawien hatte er zuvor einen Setra Bus gesehen. Ein normales Wohnmobil, einen „Joghurtbecher“ wie er es nennt, wollte er nicht. Der nächste Urlaub kam näher, eine Lösung musste her. Durch Zufall fand er in Neustadt einen Händler, der einen Setra Bus S80, Baujahr 1968, – seinen heutigen Bussi – anbot. Gekauft. „Ich hatte keine Ahnung von Bussen“, erinnert sich Abele.
Dann ging es quer durch Italien bis Sizilien. Im Herbst sollte der Rost verschwinden, das Fahrzeug auf Vordermann gebracht werden. Was in der Werkstatt allerdings zutage kam, sollte Abele viele Arbeitsstunden bescheren. Unzählige Mängel. Die selbsttragenden Vierkantrohre, die eigentlich verbaut sein sollten, waren beispielsweise gar nicht mehr vorhanden.
Und dann, was tun? „Einmal richtig herrichten“, dafür entschied sich Abele. Böden, Bleche, Fenster – bis auf das Gerippe kam alles raus. „Je weiter wir kamen, desto schlimmer wurde es“, erinnert sich der Oldtimer-Fan. Jahre später wurde der Bus neu beplankt, ohne Scheiben ging es zum Lackierer, Abele am Steuer – ausgerüstet mit Mütze, Skibrille und Handschuhen – sorgte auf der Straße für ungläubige Blicke.
„Jede freie Minute habe ich mit dem Herrichten verbracht“, wobei er die Innenausstattung größtenteils vom Vorbesitzer übernahm. Ein Bett befindet sich darin, ebenso eine Toilette, Dusche, Kochzeile und Sitzgelegenheit. Strahlte der Bus früher in Blau-weiß, glänzt er seit der Restaurierung in Alfarot. Wichtig war Abele, dass er noch als Bus zu erkennen bleibt. Fertig wurde der 1997 gekaufte Bussi im Mai 2000.
Ziel war es damals, beim Jahrestreffen des europaweiten Setra-Veteranen-Clubs mit Bus dabei sein zu können. Auf den Verein stieß Abele im Jahr 2000 in Ulm mit 140 Bussen. Seit 2003 ist er nun sogar dessen Präsident und wurde kürzlich wiedergewählt. Die rund 450 Mitglieder stammen neben Deutschland auch aus Frankreich, Holland, der Schweiz, Griechenland oder seit neustem Norwegen. „Die Setra-Szene ist überschaubar“, so Abele.
Entstanden ist der Club 1979, als sich einige „S6-Fahrer“ zusammenschlossen. Diese seien, so Abele, auch heute noch dabei. Sogar über ein eigenes Ersatzteillager verfügt die Gruppe. Dort liegen etliche Teile, um die Oldie-Busse am Laufen zu halten. 2014 wurde aus dem Club ein eingetragener Verein und „zum Erhalt technischen Kulturgutes“ wurde die Gemeinnützigkeit anerkannt.
Das Jahrestreffen findet stets von Christi Himmelfahrt bis zum Sonntag darauf statt, jedes Jahr richten es andere Mitglieder aus. Mindestens 10.000 Quadratmeter fester Grund seien nötig, um Platz für die meist zwischen 120 und 150 anreisenden Busse zur Verfügung zu stellen. Zwei Mal fand es bereits in Bad Windsheim statt: 2002 und 2016. Bei Letzterem fiel der Zeitraum genau auf Abeles 50. Geburtstag – ideal, um mit rund 350 Setra-Verrückten zu feiern.
Corona machte die Treffen in den vergangenen zwei Jahren unmöglich. Dieses Jahr soll es nun in Borken (Kassel), am Naturbadesee Stockelache stattfinden. „Alle sind hungrig darauf, es ist das Event des Jahres, Freundschaften sind dort entstanden.“ Und besondere Erinnerungen: Beispielsweise als ein Tierarzt eine Wunde seiner Tochter nähte, da kein Humanmediziner in Reichweite war.
Irgendwann aufrüsten und einen anderen Bus kaufen? Abele schüttelt energisch den Kopf. Zu viel Liebe steckt in seinem durchaus komfortablen Bussi. „Man schwebt über die Straßen.“ Außerdem sei er „top durchrestauriert“. Nur der Motor habe mal Probleme gemacht, weshalb er ihn von Heschel auf Mercedes umgebaut habe.
Sitzt Abele im Bus und fährt los, beginne für ihn eigentlich schon der Urlaub – so gut abschalten könne er sonst nur hinter dem Schlagzeug. Autarkes, unabhängiges Reisen sei ihm und seiner Frau Heidi so möglich. Ob auch auch sie ans Steuer darf? Im Auto sei er ein guter Beifahrer, im Bus falle ihm das allerdings zugegebenermaßen schwer.
Die meisten Urlaube bestreiten die beiden mit dem Bus. „Jede Reise ist ein Highlight.“ Besonders schön sei es in Griechenland gewesen, da man dort oft nah am Strand stehen könne. Aber auch Skandinavien oder das Baltikum hätten ihren Reiz. Das Fahrzeug sei außerdem ein idealer „Kontaktbringer“, falle auf und locke immer wieder interessierte Menschen an.
Nur wenn Salz auf den Straßen ist, darf der Oldtimer die Halle neben Abeles Schwedenhaus im Ipsheimer Ortsteil Eichelberg nicht verlassen. Dort finden sich neben seiner zweiten Leidenschaft, der Musik, in Form eines Schlagzeuges und anderem Equipment, noch weitere alte Schätze: ein Fiat 600, ein Motorrad, ein Anhänger und ein Boot.
Und wo soll es noch hingehen? „Unbedingt wollen wir noch nach Albanien, Nordkap und einmal durch Afrika bis ans Kap“, sofern es die politische Lage zulasse und die Straßen komplett asphaltiert seien. „Also eher eine Spinnerei, ein kleiner Traum.“
Anna Franck