Waldgalerie bei Uehlfeld: Der blaue Trump und die Welt in Flammen | FLZ.de | Stage

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Veröffentlicht am 08.09.2020 20:54

Waldgalerie bei Uehlfeld: Der blaue Trump und die Welt in Flammen

Eine Schere in der Hand und ein aggressiver Gesichtsausdruck: So oder zumindest so ähnlich kennt man den US-Präsidenten Donald Trump. (Foto: Johannes Zimmermann)
Eine Schere in der Hand und ein aggressiver Gesichtsausdruck: So oder zumindest so ähnlich kennt man den US-Präsidenten Donald Trump. (Foto: Johannes Zimmermann)
Eine Schere in der Hand und ein aggressiver Gesichtsausdruck: So oder zumindest so ähnlich kennt man den US-Präsidenten Donald Trump. (Foto: Johannes Zimmermann)

Der Aischgrund-Banksy hat wieder zugeschlagen: Es existiert eine weitere mysteriöse Waldkunsthütte neben jener im Lonnerstädter Ortsteil Mailach. Irgendwo im Forst zwischen Uehlfeld und Vestenbergsgreuth soll sie sein, lautete die Mitteilung. Eine Schatzsuche beginnt – und endet mit einem blauen Wunder.

Montagnachmittag auf Uehlfelds nordwestlichen Anhöhen: Die Sonne brennt, es ist warm. Startpunkt ist an einem Flurkreuz. Am Waldrand, irgendwo zwischen den Maisfeldern, soll sie liegen, die mysteriöse Hütte. Tatsächlich: 49.681935, 10.7015228 lauten die Zauberzahlen, die Koordinaten für Uehlfelds politische Offenbarung in einem heruntergekommenen Häuschen.

„The Blue Gallery“ („Die Blaue Galerie“) steht an der Pforte. Sie soll, glaubt man den Angaben, bereits seit August 2019 „eröffnet“ sein, ohne Vernissage, versteht sich. Ein Graffito prophezeit, was da noch kommen mag: „Tür unbenutzbar“ ist auf die Tür gesprüht, in vier Sprachen, internationales Flair im Aischgrund. Doch nicht nur das Portal scheint unbenutzbar zu sein, der Boden quietscht bedrohlich, ist übersät mit Glasscherben. Laub liegt herum. An der Wand lehnt ein Besen, daneben liegt ein leerer Benzintank. Dicke Spinnweben hängen überall. Geisterstimmung, ein mulmiges Gefühl.

Auf der Seite begrüßt den Gast niemand Geringeres als der amerikanische Präsident höchstpersönlich: Donald Trump mit aggressivem Gesichtsausdruck, in der Hand hält er eine Schere. „Who set the world on fire?“ wird gefragt. Ja, wer setzte die Welt denn nun in Flammen? Populismus, Unberechenbarkeit und eine große Portion Naivität: Trump ist ein heißer Kandidat – nicht zuletzt als geistiger Brandstifter.

Neben der Hütte liegen orangefarbene Kanister. Womöglich Benzin? Wurde mit ihrer Hilfe die Welt in Flammen gesetzt? Man weiß es nicht. Ebenso wenig weiß man, ob sie überhaupt Teil der Installation oder sogar der thematische Anlass sind, dass sich der oder die Aischgrund-Banksys eben jene Hütte aussuchten, um sie zu einer weiteren „Hidden Gallery“ – also versteckten Galerie – umzugestalten.

Zurück in die Dunkelheit. Trump gegenüber hängt eine gewebte Weltkarte, mit blauem Garn freilich, wie sollte es in einer „Blue Gallery“ anders sein. Im Südwesten unserer Erde hängt ein Stück Faden herab. Es ist eine, wenn nicht sogar die Zündschnur, um die Welt zu zerstören. An deren Ende findet sich eine Hand, die ein Feuerzeug hält. Boom. „Who set the world on fire?“ steht auch neben diesem Kunstwerk. Nein, nicht nur in der Hütte mangelt es an Licht, es sind wahrhaft düstere Gedanken, die hier gesponnen werden.

An der Wand daneben findet sich das Kunstwerk „It's a Trap“ – „Es ist eine Falle“, im wahrsten Wortsinne. Denn dort hängen tatsächlich Fallen, Mausefallen. Doch statt Käse oder Schinken benutzt der Fänger 500-Euro-Scheine als Köder – also wohl doch keine Mause-, sondern eine Kapitalistenfalle. Sind es eben jene Kapitalisten, die die Feuersbrunst in unserer Welt lostreten oder schon losgetreten haben – mit ihrer Gier, mit ihrem unstillbarem Durst nach Geld, zu jedem Preis? So langsam scheint die Sache rund zu werden.

Bis eine Matratze an der Wand auftaucht. „Sorry, Marc“ heißt diese Installation, daneben kleben Teelichter auf den Holzdielen, ein Zigarettenstummel und eine aufgerissene Kondompackung ohne Inhalt. Da hatten wohl zwei Personen Spaß miteinander, in romantischer Atmosphäre bei Kerzenschein, mit einer Kippe nach dem Akt. Eine Kritik an der untreuen Gesellschaft? Oder doch eine Seitensprungbeichte? Ist der Aischgrund-Banksy eine Aischgrund-Banksyn? Oder ein Künstlerkollektiv? Spurensuche. Doch eine Lösung ist (noch?) nicht in Sicht.

Versteckte Galerien sind eine Art Bewegung, die mit dem Street-Art-Künstler Banksy ihren Anfang nahm. Die Devise: Alles kann zu Kunst werden, egal, ob die schmuddlige Bahnunterführung, graue Betonröhren oder eben alte Waldhütten. Farbe muss ins Leben kommen, gepaart mit politischen Botschaften.

Sind für die Mailacher und die Uehlfelder Hütte dieselben Künstler verantwortlich? Gibt es weitere Stätten mit Phantomkunst? Wenn ja: wo? Fragen über Fragen. Was ausbleibt, sind Antworten. Nur zweierlei gibt es im Übermaß: Faszination und Rätsel.

Johannes Zimmermann

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