Kuschelnde Katzen, spielende Hunde, sprechende Delfine - soziale Interaktionen in der Tierwelt sehen oft gar nicht so anders aus als bei den Menschen. Aber handelt es sich dabei auch um echte Verbundenheit? Ja, meint Verhaltensbiologe und Buchautor Karsten Brensing: „Grundsätzlich haben Tiere genauso Freundschaften wie wir.“
Darüber seien sich Experten nicht immer einig gewesen. „Das hat man früher verneint, man wollte die Tiere nicht vermenschlichen, aber seit gut zehn Jahren spricht die Wissenschaft auch in der Tierwelt von Freundschaften“, so Brensing.
So zum Beispiel bei Delfinen. Sie können sich noch nach über 20 Jahren an ehemalige Gefährten erinnern, wie ein US-Forscher herausgefunden hatte. Einen Gefährten erkennen sie an seinem individuellem Namenspfiff, selbst wenn sie ihn viele Jahre nicht gehört haben, berichtete der US-Forscher Jason Bruck in den „Proceedings B“ der britischen Royal Society. Signaturpfiffe sind so etwas wie die Namen von Delfinen. Jedes Tier lernt in jungen Jahren seinen eigenen Pfiff, mit dem er sich dann Artgenossen vorstellt.
Evolutionstechnisch wird sozialen Bindungen teils eine große Rolle zugeschrieben. „Viele Forscher gehen davon aus, dass die Freundschaft am Anfang der Intelligenz steht“, sagt Brensing. Die sogenannte „Social Brain Hypothesis“ (Hypothese des sozialen Gehirns) nimmt an, dass bestimmte Tiere große Gehirne, die auch komplex intelligent leistungsfähig sind, nur entwickelt haben, um ihr komplizierter werdendes Sozialleben zu managen.
Früher habe man angenommen, dass solche Verhältnisse immer einen bestimmten Zweck verfolgen - nach dem Prinzip: „Ich gebe dir was, du gibst mir was“, sagt Brensing. So sei zum Beispiel bei Schimpansen das Entlausen untersucht worden: „Da war ganz klar, je nach Hierarchien hat der eine mehr entlaust als der andere. Die haben ganz genau gerechnet.“
Mittlerweile betrachte man Zusammengehörigkeiten in der Tierwelt größer. „Man sieht sie als Mechanismen, die sich weniger rechnerisch ergeben, sondern eher über Gefühle“, so Brensing. Wie beim Menschen seien Hormone im Spiel - zum Beispiel das Liebeshormon Oxytocin. „Wenn ich jemanden gut kenne, sprudelt eine Oxytocin-Quelle in mir, durch die ich mich auf der einen Seite sehr wohl fühle und mich andererseits regelrecht für den anderen aufopfere.“
Doch nicht alle sind in der Lage, innige Beziehungen zu schließen, erklärt Brensing. „Sie müssen bestimmte geistige Fähigkeiten haben, beispielsweise ein lebenslanges Gedächtnis, und sie müssen Individuen erkennen können.“ Innerhalb eines Fischschwarms oder einer Herde aus Hunderten von Rindern, in denen sich die einzelnen Exemplare fremd sind, gebe es daher keine Freundschaften. „Aber sobald man sich kleinere Gruppen anschaut, wo sich die Tiere gegenseitig kennen, da ist das gang und gäbe“.
Untersucht werden Freundschaften laut Brensing meist über Netzwerkanalysen, bei denen einzelne Tiere identifiziert und beobachtet werden. Unter Pavianen und Elefanten etwa, bei denen die Männchen die Gruppe verlassen und die Weibchen ihr Leben lang in der Gruppe bleiben, in die sie geboren wurden, haben verschiedene Studien vor allem zwischen weiblichen Tieren Freundschaften entdeckt. Bei Delfinen, wo die Weibchen häufig abwandern und die Männchen zurückbleiben, seien hingegen Männerbindungen häufiger, berichteten zwei US-Verhaltensbiologen in einer zusammenfassenden Studie.
Die Elefantendamen formen dabei vor allem mit ihren Müttern, Töchtern und Schwestern langfristige Bindungen. Doch nicht alle engen Bindungen unter Tieren gehen auf Verwandtschaft zurück. Auch Stuten bilden der US-Studie zufolge andauernde Beziehungen zu anderen Mitgliedern ihrer Herde, auch wenn sie nicht verwandt sind. Und viele männliche Schimpansen fixieren sich demnach am stärksten auf ein anderes, nicht verwandtes Männchen.
Wer wem zugeneigt ist, hat wie beim Menschen viel mit Charakter und Persönlichkeit zu tun. Auch Tiere suchen sich oftmals Begleiter aus, die ihnen ähnlich sind, sagt Zoologin und Moderatorin Kate Kitchenham. „Bei Hunden wissen wir, dass sie sich vor allem mit ähnlichen Rassen anfreunden, weil sie zum Beispiel ähnliche Bewegungsvorlieben haben wie sie selbst“, erklärt sie. „Ein Hütehund wie ein Border Collie hat immer das Bedürfnis alles zu umkreisen, zu regeln, einzugreifen. Wenn der dann mit einem Labrador spielt, geht er ständig dazwischen und versucht ihn irgendwohin zu treiben. Und dann kommt das Spiel nicht so richtig in Gang.“
Doch auch frühkindliche Erfahrungen spielen eine große Rolle und können charakterliche Unterschiede ausgleichen. „Wenn eine Dogge mit einem Dackel aufwächst, dann entwickeln die ein ganz individuelles, aufeinander abgestimmtes Spielverhalten und können eine super enge Bindung eingehen, wie zu keinem anderen Hund“, so Kitchenham.
Auch artübergreifend könnten so gerade in der Kindheit innige Verbindungen entstehen. „Ob Mensch, Hund oder Kuh, wir alle sind in dieser Lebensphase offener, auch was mögliche Beziehungspartner angeht.“ Wenn in dieser Phase etwa ein Katzenjunges zu Hundewelpen komme, dann lerne die Katze die Hundesprache zu begreifen und mit ihnen zu kommunizieren. Dann würden auch Hund und Katze schnell Kumpels.
In der Natur habe man dieses Phänomen hingegen selten beobachten können. „Es gibt sehr wenige Beispiele davon, dass verschiedene Tierarten in freier Wildbahn enge Freundschaften zueinander pflegen“, so Kitchenham. Ein solches seltenes Beispiel sei die Verbundenheit zwischen Wölfen und Raben, die laut Kitchenham zum einen als Jagdgemeinschaft agieren, zum anderen aber auch abseits dieser Zweckbeziehung etwa miteinander spielen und Vertrauen zueinander aufbauen.
Ohne einen Menschen, der die Tiere zusammenführt und damit einen Rahmen schafft, würden solche Freundschaften nur selten beobachtet, sagt die Verhaltensforscherin. Unter menschlicher Obhut habe es aber durchaus weltweit beachtete Verbindungen gegeben, wie etwa die zwischen Tiger und Ziegenbock in einem russischen Tierpark oder Kamel und Elefant in einem dänischen Zirkus.
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