20 Jahre Tumucumaque-Nationalpark: Ökotouristen willkommen | FLZ.de | Stage

arrow_back_rounded
Lesefortschritt
Veröffentlicht am 22.08.2022 11:39

20 Jahre Tumucumaque-Nationalpark: Ökotouristen willkommen

Regenwald und Fluss Ampari etwa 10 Meilen südöstlich vom Nationalpark Tumucumaque. (Foto: Daniel Beltrá/Greenpeace United Kingdom/dpa)
Regenwald und Fluss Ampari etwa 10 Meilen südöstlich vom Nationalpark Tumucumaque. (Foto: Daniel Beltrá/Greenpeace United Kingdom/dpa)
Regenwald und Fluss Ampari etwa 10 Meilen südöstlich vom Nationalpark Tumucumaque. (Foto: Daniel Beltrá/Greenpeace United Kingdom/dpa)

Noch ist der Nationalpark Tumucumaque im äußersten Nordosten Brasiliens ein vom Tourismus weitgehend unberührtes Paradies im Amazonasgebiet. Für Abenteurer und Naturliebhaber könnte der Tumucumaque eine Entdeckung sein.

Parkdirektor Christoph Jaster schwärmt von dem Urwald und von gigantischen, mehr als 80 Meter hohen Bäumen. „Die Wälder sind atemberaubend schön und in einem tadellosen Zustand“, sagt der gebürtige Deutsche mit brasilianischer Staatsbürgerschaft der Deutschen Presse-Agentur. Von einer „wahren Arche Noah“ schreibt das brasilianische Bergsportportal „Alta Montanha“ angesichts der vielfältigen Tierwelt.

Im Bundesstaat Amapá, an der Grenze zu Französisch-Guayana und der früheren niederländischen Kolonie Suriname, erstreckt sich der Tumucumaque-Nationalpark über eine Fläche von mehr als 38.000 Quadratkilometern. Das entspricht fast der Größe der Niederlande.

Als der Nationalpark vor 20 Jahren, am 22. August 2002, gegründet wurde, war er nach Angaben der brasilianischen Regierung das größte Urwaldschutzgebiet der Welt - bis zur Entstehung der Umweltstation Grão-Pará mit mehr als 42.000 Quadratkilometern 2006.

„Die Leute fragen: „Warum ein Park dieses Ausmaßes?““, sagt Jaster, der den Tumucumaque im Auftrag der Naturschutz-Behörde ICMBio seit 2003 verwaltet. Nur ein so großer Park könne die Stabilität von Artenpopulationen garantieren und zur Klimaregulierung beitragen. Die Zukunft des Weltklimas, sie wird auch hier entschieden.

Der Tumucumaque, 360 Kilometer breit und 320 Kilometer lang, ist wiederum von anderen Schutzgebieten umgeben und grenzt etwa an das indigene Gebiet der Waiãpi. Diese Lage bietet auch den Waiãpi etwas Schutz und sorgt dafür, dass Tiere recht ungestört wandern können.

Zum Schutzgebiet wurde der Park erklärt, bevor die Zerstörung des Waldes beginnen konnte. „Wir haben sehr gute Voraussetzungen, um den Tumucumaque zu schützen“, sagt Jaster, der aus Cochem an der Mosel stammt und in Curitiba Forstwirtschaft studierte. Auch 20 Jahre nach seiner Gründung ist der Nationalpark beispielhaft.

Dass sich der Tumucumaque in einer „relativ guten Situation befindet“, wie Mariana Napolitano Ferreira, wissenschaftliche Leiterin von WWF Brasilien, der dpa sagt, liegt auch daran, dass er von dem großen Schutzprogramm für die Amazonasregion, ARPA (Amazon Region Protection Areas), unterstützt wird.

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro dagegen sieht Amazonien vor allem als wirtschaftliches Nutzgebiet. Kritiker werfen dem rechtsgerichteten Politiker vor, ein Klima geschaffen zu haben, das etwa Holzfäller zum Eindringen in geschützte Gebiete ermutigt.

Seit Bolsonaros Amtsantritt im Januar 2019 wurden die Umweltbehörden geschwächt, die Leitung des ICMBio wurde durch Offiziere der Militärpolizei ersetzt. Personal und Kontrollen sind weniger geworden. Die Corona-Pandemie verstärkte diese Entwicklung noch.

In das ARPA-Schutzprogramm fließen internationale Gelder, unter anderem aus Deutschland von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) - ein „großer Motor für Nachhaltigkeit auf lange Sicht“, sagt Napolitano Ferreira. Doch es mangelt an Personal. Zwischenzeitlich hatte Jaster nur einen weiteren Kollegen im Team - viel zu wenig, um den Anforderungen eines Nationalparks gerecht zu werden.

Der Park soll Besucher anlocken, die Forschung fördern und die Natur schützen. Dabei gehen 70 Prozent von Jasters Arbeitszeit im Büro in Macapá, der Hauptstadt von Amapá, für die Verwaltung drauf. In der übrigen Zeit kann er im Gelände unterwegs sein.

Gegen Wilderer und illegale Fischer ist da nur schwer anzukommen. Ein Goldgräbernest und eine illegale Ladensiedlung liegen im Park. Die Lösung besteht wohl darin, die Grenzen des Parks so zu verändern, dass die Siedlungen außerhalb davon liegen. „Davon abgesehen können wir dem Druck von außen standhalten“, sagt Jaster.

Allerdings lässt sich die Lage im abgelegenen Amapá auch nicht mit Bundesstaaten wie Pará, Amazonas oder Mato Grosso vergleichen. Diese Gegenden entlang des sogenannten Entwaldungsbogens im Osten und Süden des Amazonas-Gebietes stehen unter großem Druck der Agrarwirtschaft. Sie sind von Abholzung und Bränden besonders betroffen. Im Staat Rondônia wurden dem WWF Brasilien zufolge in einem Naturschutzgebiet 2021 über 100 Quadratkilometer Wald zerstört.

In Dutzenden Fällen wurde in den vergangenen Jahren versucht, die Größe oder den Status von Schutzgebieten zu reduzieren. Meist gelingt dies. „Die Überwachung und Kontrolle, an der es vielerorts, vor allem im Amazonasgebiet noch mangelt, muss verbessert werden“, sagt Angela Kuczach, Direktorin einer Nichtregierungsorganisation zur Stärkung der Schutzgebiete, der dpa mit Blick auf die Nationalparks.

Noch sind 90 Prozent des Bundesstaates Amapá mit Wald bedeckt - die meisten der rund 900.000 Einwohner leben in zwei Städten, Macapá und Santana. „Aber wir müssen uns sputen“, sagt Jaster, „damit wir vorbereitet sind und eine Alternative zu Kahlschlag und Viehwirtschaft bieten können.“

Jaster setzt auf Ökotourismus. Der Tumucumaque-Nationalpark sei dafür geschaffen, besucht zu werden. Amapá könne sich in ein „Mekka des Umweltschutzes und des Ökotourismus“ verwandeln. Wenn es gelingt, der Bevölkerung den Umweltschutz schmackhaft zu machen, so seine Hoffnung, wenn Geld fließt, dann bleibt der Wald bestehen.

Bisher ist der „Luxus“, in einer Waldstation des Tumucumaque in Hängematten zu schlafen und im Fluss zu baden, jeweils Gruppen von rund 15 Besuchern vorbehalten. Mehrere hundert Gäste hat Jaster in den vorigen Jahren persönlich in der schwer zugänglichen Region empfangen. Man braucht nur Mut, einen Strohhut, Stiefel und ein Moskitonetz.

© dpa-infocom, dpa:220822-99-474142/3

north