Fast eine Million Menschen aus aller Welt haben vergangenes Jahr die KZ-Gedenkstätten in Bayern besucht. Der Großteil war in Dachau, rund 80.000 Menschen zählte man in Flossenbürg, teilte die Stiftung Bayerische Gedenkstätten mit. Um das Interesse zu erhalten, setzen die Einrichtungen zunehmend auf digitale Formate, auch mit Blick auf die Tatsache, dass 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung der Menschen in den Konzentrationslagern nur noch wenige Zeitzeuginnen und Zeitzeugen leben, die von ihren Erlebnissen erzählen können.
In den Ausstellungen finden sich Audio- und Filmaufnahmen von Menschen, die das Grauen in Dachau, Flossenbürg und den vielen Außenlagern in Bayern erlebt haben, aber auch von US-Soldaten, die im April die Menschen befreiten. Auf YouTube und Online gibt es die Graphic Novel „Ein Überleben lang“ mit den Aufzeichnungen des ehemaligen KZ-Häftlings Edgar Kupfer-Koberwitz, seit Kurzem auch in englischer Sprache verfügbar.
Dachau bietet seit einiger Zeit die Handy-App DachauEdu an, die sich an Jugendliche ab etwa 13 Jahren richtet. Sie soll vor allem Schulklassen helfen, ihre Besuche vor- und nachzubereiten. Und Flossenbürg bietet den „Online-Einstieg“ zur Vorbereitung mit Film- und Audioaufnahmen von Männern und Frauen, die als Zwangsarbeiter ausgebeutet wurden.
Virtuelle Zeitzeugnisse und multimediale Touren berücksichtigten die veränderten Mediengewohnheiten vor allem der jungen Besucherinnen und Besucher, erklärt die Stiftung Bayerische Gedenkstätten. Ein wichtiges Anliegen in diesem Zusammenhang: das Aufgreifen aktueller gesellschaftlicher Debatten zu Themen wie Antisemitismus oder rechtsextremen Strömungen.
Weil digitale Medien nicht alles ersetzen können, spielen auch die Nachfahren der ehemaligen Häftlinge eine wichtige Rolle. „Sie können ihre Perspektiven und Erinnerungen teilen, die oft von den Erzählungen der Zeitzeugen geprägt sind, und so eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen“, beschreibt die Stiftung. „Solche persönlichen Berichte ermöglichen einen emotionalen Zugang zu den historischen Ereignissen und helfen, die Erfahrungen der Betroffenen lebendig zu halten.“
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Tatsache, dass ein Besuch in der Gedenkstätte eines Konzentrationslagers oder eines Außenlagers in der neunten Klasse an Realschulen und Gymnasien Pflicht ist. Im Koalitionsvertrag haben CSU und Freie Wähler eine Fortentwicklung vereinbart. Darin heißt es, jede Schülerin und jeder Schüler sollte im Laufe der Schulzeit mindestens eine KZ-Gedenkstätte oder vergleichbare Einrichtung der Erinnerungskultur zur Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus besuchen.
Derzeit werde die Umsetzung erarbeitet und dann verkündet, hieß es dazu aus dem Kultusministerium. Im Lehrplan sei die Zeit des Nationalsozialismus im Fach Geschichte in allen Schularten fest verankert, die Auseinandersetzung mit dem NS-Regime, dessen menschenverachtende Ideologie und die Verfolgung sowie systematischen Ermordung europäischer Jüdinnen und Juden.
Die Landtags-SPD fordert unterdessen, die Ausstellung in Dachau neu zu gestalten nach modernsten museumspädagogischen Prinzipien. In Zeiten von Antisemitismus und geschichtsrevisionistischen Tendenzen wachse die Bedeutung einer lebendigen Erinnerungskultur, sagt die erinnerungspolitische Sprecherin Simone Strohmayr. Das gelte vor allem für die junge Generation und für Menschen mit Migrationshintergrund. Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sensibilisiere für die Bedeutung demokratischer Werte, von Menschenrechten und Toleranz. Und es gehe um Respekt vor den Opfern.
Mangelnden Respekt bekommen auch die Gedenkstätten zu spüren. Die Stiftung berichtet von gelegentlichen Störungen und Vorfällen. Im Sommer 2024 wurde der Riegel einer Tür zur ehemaligen Gaskammer entwendet, im sogenannten Brausebad eine aus der Decke ragende Duschkopf-Attrappe. Zudem gebe es eine Zunahme „schwieriger Kommentare“ in den Besucherbüchern und im digitalen Raum, die offenbar ideologisch motiviert seien. „Insgesamt sind solche Vorfälle in den bayerischen KZ-Gedenkstätten aber selten.“
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