Elvis Presley lebt. In Uffenheim. Sein heutiger Name: Thomas „Elvis“ Hilbert. Der Gesang ist die große Passion des 46-Jährigen. Doch einer Karriere standen lange Zeit Selbstzweifel und panische Bühnenangst im Weg. Seine vermeintliche Traumfrau und König Zufall brachten die Wende. Jetzt will Hilbert durchstarten.
Mütze statt gegelter Frise. Bart statt glattrasierter Bubihaut. Unaufdringlicher Pullover statt extravagantem Rock’n’Roll-Outfit. Auf den ersten Blick haben Thomas Hilbert und Rock-Gott Elvis nicht viel gemein. Sobald Hilbert aber singt, ändert sich das. „Das ist doch CD“ – ein Spruch, den der Uffenheimer nur zu gut kennt. „Nein, das ist live“, stellt er dann klar. Eine verblüffend echte Elvis-Stimme. Verdutzte Gesichter. Schmelzende Herzen.
„Wenn du anfängst zu singen – Gänsehaut.“ „Du hast was in der Stimme, unglaublich.“ „Ich habe Tränen in den Augen.“ Nur wenige der Lobeshymnen auf Hilberts Gesang, die sich im Internet finden. Heute zieht er daraus Energie und Selbstvertrauen. Doch das war längst nicht immer so.
In seiner Jugend singt Hilbert nur für sich und auf Partys – aber erst in alkohol-heiterer Stimmung und auch nur im Hintergrund. Karaoke? „Ging gar nicht. Ich hatte panische Angst gehabt, vor Leuten zu singen.“ Wer ihn hört, ist hin und weg. Damit konnte der Sänger aber lange so gar nicht umgehen. „Warum sollte ich so gut sein“, habe er sich dann gedacht und das Lob einfach weggelächelt.
Der Schwager, der sein Talent kennt, meldet ihn eines Tages bei der Casting-Show „Supertalent“ an. Drei Minuten, eine Chance, lautet dort das Szenario. Wer nicht überzeugt, fliegt. „Ich bin hingefahren, obwohl mir klar war, dass ich mich das nicht traue.“ Thomas Hilbert bringt dann tatsächlich nur einen Satz gesungen. Trotzdem ist Dieter Bohlens Assistentin angetan. So sehr, dass sie ihm eine zweite Chance gibt – nach Hilberts Kenntnis bis heute eine einmalige Ausnahme. Doch wieder klappt nicht mehr als ein Satz. Chance verspielt. „Das war richtig ärgerlich.“
Über 30 Jahre geht das so. Liveauftritte: unvorstellbar. Bis die „Traumfrau“ in sein Leben tritt. Als eine Anfrage für einen Auftritt ins Haus flattert, drängt sie ihn: „Doch, du machst das jetzt.“ Und so singt Hilbert das erste Mal vor Publikum. Live. Die Gäste sind begeistert, Hilbert auch. Erst wenige Jahre ist das her. „Jetzt würde ich das am liebsten jeden Tag machen.“
Mit der Traumfrau ist mittlerweile Schluss. Aber der 46-Jährige ist ihr immer noch dankbar. „Meine Mutter hat immer gesagt: ,Sie kam nur in dein Leben, um dir die Angst vor dem Singen zu nehmen.‘“ Denn dafür, da zeigt er sich sicher, ist er gemacht.
Nein, Hilbert ist keinesfalls abgehoben – im Gegenteil. Er ist ein bodenständiger Typ. Aber die viel zitierten Zeichen des Himmels mehren sich. Was kitschig klingen mag, kann der Sänger anhand von zwei Beispielen „beweisen“.
Früher war er selbstständiger Schrotthändler und fuhr kreuz und quer übers Land. In einem schwachen Moment, einer kleinen Sinnkrise, habe er sich gefragt: „Soll es das gewesen sein? Was willst du im Leben eigentlich machen?“ Just in dieser Sekunde sei er an einer Firma vorbeigefahren. Deren Name: Sänger.
Ortswechsel, China-Restaurant: An einem Abend verabredet sich Hilbert mit zahlreichen Freunden zum Essen. Am Ende gibt’s die üblichen Glückskekse. Die Botschaft an Hilbert: „Die Liebe zur Musik wird ein wichtiger Teil deines Lebens sein.“ Er hat das Zettelchen eingeschweißt und immer im Geldbeutel dabei. Entsprechend lautet heute sein Motto: „Singen ist mein Leben“.
Nach seinem ersten öffentlichen Auftritt geht die Karriereleiter steil nach oben. Er wird gebucht – für Hochzeiten, Geburtstage, Messen – und gibt sein erstes Solo-Konzert in Oberickelsheim. Ein Auftritt in der Uffenheimer Stadthalle ist geplant, ein Straßenkonzert. „Dann kam Corona.“ Alles auf Eis. In dieser zugegeben kurzen Phase der Glückseligkeit zuvor macht Thomas Hilbert eine folgenschwere Bekanntschaft.
Der Sänger ist riesiger Fan der Band „Element of Crime“ um Kult-Autor Sven Regener, der den bekannten Szene-Roman „Herr Lehmann“ schrieb. Eines Tages kontaktiert ihn ein Unbekannter via Facebook: „Dein Elvis ist so cool“, schreibt er. Hilbert recherchiert. Das Ergebnis: Bei dem Herrn handelt es sich um Richard Pappik, Schlagzeuger der Berliner Band „Element of Crime“.
Thomas Hilbert denkt, dass er veräppelt wird. Bis Pappik ihn zum Konzert nach Darmstadt einlädt, inklusive Backstage-Treffen mit der Combo. „Ich habe das nicht glauben können.“ Doch als ihn die Tourmanagerin mit den Worten „Du bist der Elvis, richtig?“ abholt, ist klar: kein Scherz, Realität. Als Hilbert ein „Ja“ stammelt, ist die Managerin begeistert: „Richy will dich unbedingt kennenlernen.“ Klingt unglaublich? Als Beweis legt Hilbert den Backstage-Pass und Fotos vor.
Richard Pappik lädt Hilbert nach Berlin ein, sie machen vier Tage Musik und quatschen. „Wie verrückt ist das eigentlich?“, fragt der 46-Jährige lachend. Einige Zeit später beordert der Drummer ihn ins Studio, zu einem Freund, nach Eschwege. Der Uffenheimer singt einen Titel für Pappiks CD ein – „mein erster eigener Song“. Ja, dann kommt Corona. Das Projekt ist bis heute in der Schwebe, Hilberts Titel soll aber bald veröffentlicht werden.
In der Zwischenzeit hat Thomas Hilbert mit einem Freund seinen „ersten persönlichen Song“ aufgenommen. „Immer, wenn ich daheim singe, denke ich an meine Mutter“, sagte Hilbert einst. Die Reaktion des Kumpels: „Das wäre ein geiler Song.“ Aus dem Konjunktiv wurde Präsens: Das Lied „Immer wenn ich Lieder singe, Mama“ ist kürzlich erschienen und im Netz zu finden.
Mittlerweile hat ihm ein guter Kumpel auch einen Künstlername verpasst. Die Zeiten von Thomas „Elvis“ Hilbert sind vorbei. Hilbert ist musikalisch deutlich breiter aufgestellt und nicht nur Elvis-Cover. Entsprechend ist „Tommy Hill“ nun sein neues Alter Ego. „Ich fand das so verrückt, dass es schon wieder geil ist.“
Sein Traumhaus hat Hilbert schon, sein Traumauto ebenso. Wartet eigentlich nur noch der Traum von der Gesangskarriere auf die Erfüllung. Mit 46 Jahren? Hilbert antwortet mit einem Zitat eines Bekannten: „Wenn du geil singst, ist es doch egal, ob du 100 oder 20 bist.“
Erste Nach-Corona-Pläne hat Thomas Hilbert schon in der Schublade. Konzerte. Projekte. Ein Freund hat ihn außerdem beim TV-Format „Voice of Germany“ angemeldet, wie er erst jüngst erfahren hat. Eine Rückmeldung vom Fernsehsender hat er noch nicht. Probieren würde er es aber allemal. Denn: „Singen ist mein Leben.“