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Veröffentlicht am 15.06.2022 17:55

Jeder macht das, was er kann

Die Tätigkeiten in der Arbeitstherapie können vom angeleiteten Wirken bis zum selbstständigen, eigenverantwortlichen Arbeiten reichen. (Foto: Florian Trykowski)
Die Tätigkeiten in der Arbeitstherapie können vom angeleiteten Wirken bis zum selbstständigen, eigenverantwortlichen Arbeiten reichen. (Foto: Florian Trykowski)
Die Tätigkeiten in der Arbeitstherapie können vom angeleiteten Wirken bis zum selbstständigen, eigenverantwortlichen Arbeiten reichen. (Foto: Florian Trykowski)

Arbeiten zu gehen, prägt den Alltag vieler und ist für sie wichtig – nicht nur unter dem Aspekt des Geldes. So ist es auch für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung. Eine Beschäftigung gibt ihrem Tag Struktur und „ein gutes Gefühl“. So bringt es ein Klient, der die vom AWO-Wohnheim Frankenhöhe angebotene Arbeitstherapie besucht, auf den Punkt.

Tagesstruktur geben – dieser Aspekt wird häufig genannt, wenn es um die Arbeitstherapie geht. „Diese ist ein wichtiger Bestandteil unseres Konzeptes. Sie dient auch der sozialen Begegnung und bildet einen Bezug zur Normalität“, betont Anna-Katharina Hofer-Steinert, Leiterin der Arbeitstherapie. Die Frauen und Männer, die dort aktiv sind, haben eine psychische Beeinträchtigung. Ihr Daheim ist in einer der Wohngruppen im Wohnheim, in Außenwohngruppen oder sie leben ambulant betreut. Es gibt aber auch Plätze für externe Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die allein leben.

Fähigkeiten und Ressourcen fördern

In der Arbeitstherapie, die rund 60 Plätze umfasst, gibt es verschiedene Angebote. Was die Klienten davon nutzen und in welchem Umfang, das hängt von ihren Fähigkeiten ab. „Sie machen das, was sie können“, sagt Hofer-Steinert. Die Ressourcen und Fähigkeiten werden in der Arbeits-, aber auch in der Beschäftigungstherapie individuell gefördert – ganz ohne Leistungsdruck.

Das Spektrum der Tätigkeiten ist breitgefächert – reicht vom angeleiteten bis zum selbstständigen, eigenverantwortlichen Wirken. Hilfestellungen, Begleitung und Orientierung: All dies gibt es in hohem Maße. Das ist für die Menschen wichtig, gibt ihnen die nötige Sicherheit, schafft Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Selbstsicherheit.

Die Montage ist der größte Bereich in der Beschäftigungstherapie. Die Aufgabenstellung ist niedrigschwellig. Für die einfachen Arbeiten sind keine Vorkenntnisse nötig. Auftraggeber sind vor allem Spielwarenfirmen, merkt die Leiterin der Arbeitstherapie an.

Für schwächere Teilnehmer wird noch eine dritte Gruppe angeboten. „Dort hat die Arbeit tagesstrukturierende Wirkung.“ Denn: „Es gibt auch Leute im Wohnheim Frankenhöhe, die so schwer traumatisiert sind, dass sie nicht arbeiten können. Sie übernehmen dafür Dienste im Haus“, erklärt Anna-Katharina Hofer-Steinert. Andere machen Einzeldienste, wo individuell auf sie eingegangen wird.

Zu den arbeitstherapeutischen Angeboten zählt darüber hinaus die Gartengruppe. Blumen- und Gemüsebeete, Rasenflächen und Gehölze stellen die Teilnehmer vor verschiedene Aufgaben und Anforderungen, die sie erledigen.

In der Hauswirtschaftsgruppen gilt es, unter Anleitung bei der Wäsche- und Raumpflege, der Essenszubereitung und der Mülltrennung zu helfen. Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie strukturiertes Arbeiten unter zeitlichen Vorgaben können hier gut gelernt werden, heißt es auf der Homepage des AWO-Wohnheims Frankenhöhe.

Ein Bereich mit inklusivem Charakter

Einige Menschen mit psychischen Beeinträchtigen sind in der Töpfereiwerkstatt nebst Werkstattladen aktiv. Die Produkte entstehen durch die Verarbeitung von Gießton. „Dieser Bereich hat inklusiven Charakter“, unterstreicht die Sozialpädagogin. Die Erklärung liefert sie gleich mit: Durch den Verkauf der Waren kommen die hier Tätigen direkt mit den Kunden in Kontakt.

Der Laden hat darüber hinaus noch eine weitere wichtige Funktion. „Die hier verkauften Produkte sind sehr hochwertig.“ Somit werde sichtbar, dass auch die Mitbürger, die im vierten Arbeitsmarkt aktiv sind, wichtige Dienste für die Gesellschaft leisten. Zudem hofft man, die Entstigmatisierung psychischer Krankheiten voranzutreiben. Denn: Auch wenn es so mancher nicht wahrhaben will, es kann jede und jeden treffen. Dies wird auch im Gespräch mit Frauen und Männern deutlich, die in der Arbeitstherapie aktiv sind. Viele standen bis zu ihrer Erkrankung mit beiden Beinen im Leben, stemmten vieles ohne Probleme.

Beschäftigung gibt ein gutes Gefühl

„Die Beschäftigung ist ans Arbeitsleben angelehnt und gibt ein gutes Gefühl“, erzählt ein Klient beim Rundgang. Und immer wieder fällt der Begriff Tagesstruktur. „Die braucht man“, merkt ein Mann an, und ergänzt: Er fühle sich wohl in der Einrichtung, gut betreut – „einer hat immer Zeit, wenn man ein Gespräch braucht“.

Dies ist auch in der kreativen Beschäftigungstherapie der Fall. „Hier gilt es, die eigene Kreativität zu fördern“, sagt die Leiterin. „Es geht nicht darum, künstlerisch zu wirken oder etwas zu bewerten. Es geht darum, etwas zu tun. So entwickelt sich die Feinmotorik.“

Selbstständigkeit, psychische Stabilität, eigene Grenzen wahrzunehmen, sich selbst einzuschätzen, Gefühle auszudrücken, soziale Fähigkeiten zu entwickeln, Verlässlichkeit und Durchhaltevermögen – all dies soll gefördert werden. Wichtige Kompetenzen auch für die „Zeit danach“.

Die Menschen haben verschiedene psychische Probleme. Als Beispiele nennt Anna-Katharina Hofer-Steinert Borderline, bipolare Störungen, Psychosen, Schizophrenie und schwere Depressionen. „Wir wollen allen auf Augenhöhe begegnen und die nötige Struktur geben.“

Die findet sie in Markt Erlbach dank eines engagierten Teams. Die Sozialpädagogin und ihre Kolleginnen und Kollegen machten die Beobachtung, dass die Akzeptanz in der Gesellschaft von Menschen mit psychischen Problemen wächst. Das sei gut. Denn: „Es kann uns alle treffen.“

Ute Niephaus

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