Jeder vierte Viertklässler in Deutschland kann nicht richtig lesen. Wie aus der nun vorgestellten internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (Iglu) hervorgeht, erreichen 25 Prozent der Kinder in dieser Altersstufe nicht das Mindestniveau beim Textverständnis, das für die Anforderungen im weiteren Verlauf der Schulzeit nötig wäre. Bei der letzten Iglu-Erhebung, die Ende 2017 veröffentlicht wurde, lag der Anteil dieser Gruppe noch bei 19 Prozent.
Der Anteil der betroffenen Schülerinnen und Schüler mit großen Leseschwierigkeiten ist nach Einschätzung der Studienautoren inzwischen „alarmierend hoch“. Bei der letzten Iglu-Erhebung, die Ende 2017 veröffentlicht wurde, lag er noch bei bereits hohen 19 Prozent. Die betroffene Gruppe werde in ihrer weiteren Schullaufbahn „erhebliche Schwierigkeiten in fast allen Schulfächern haben“, sofern sie den Rückstand nicht aufholen könne.
Die Studie zeigt außerdem: International schneiden Grundschüler in Deutschland bei der Lesekompetenz schlechter ab als Gleichaltrige in vielen anderen Ländern.
Die Autorinnen und Autoren stellen der deutschen Bildungspolitik ein schlechtes Zeugnis aus: Die von der Kultusministerkonferenz (KMK) vor mehr als 20 Jahren im Zuge des sogenannten Pisa-Schocks formulierten Ziele für die Weiterentwicklung der Bildung in Deutschland seien an vielen Stellen verfehlt worden.
Die ernüchternden Befunde von Iglu reihen sich die Ergebnisse anderer Bildungsstudien ein. Erst im vergangenen Jahr hatte der IQB-Bildungstrend, eine ebenfalls regelmäßige Test-Reihe unter Viertklässlern, gezeigt, dass diese in den sogenannten Basiskompetenzen in Mathe und Deutsch in den vergangenen Jahren deutlich zurückgefallen sind.
Die Iglu-Tests werden seit 2001 im Fünf-Jahres-Rhythmus durchgeführt. Verantwortlich ist das Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund. Gefördert wird das Projekt von der KMK und dem Bundesbildungsministerium.
Die aktuelle Erhebung stammt von 2021. Mitgemacht hatten rund 4600 Schüler aus 252 vierten Klassen in Deutschland. Sie bekamen jeweils Sach- und Erzähltexte und dazugehörige Verständnisaufgaben, die sie an Laptops lösen mussten. International nahmen rund 400.000 Schüler aus 65 Staaten und Regionen teil.
Nach Auswertung der Ergebnisse wurden für die Länder Punktwerte vergeben. Den Spitzenplatz belegt Singapur mit 587, ganz hinten steht Südafrika mit 288 Punkten. Die Viertklässler in Deutschland landen mit 524 Punkten im internationalen Lese-Vergleich im Mittelfeld, etwa im EU- und OECD-Schnitt. Länder wie Spanien, Frankreich oder Belgien schneiden schlechter ab. Weit besser als in Deutschland sind die Lese-Leistungen dagegen zum Beispiel in England oder Polen.
Der deutsche Punktwert sank nach anfänglicher Verbesserung Mitte der 2000er Jahre nun zum dritten Mal in Folge auf einen Tiefstand. Länder wie Russland oder Slowenien konnten sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich verbessern. „In Deutschland, den Niederlanden und Schweden zeigt sich hingegen eine problematische Entwicklung“, heißt es in dem Bericht.
Die Entwicklung sei nicht nur auf eine Veränderung der Zusammensetzung der Schülerschaft zurückzuführen. Angenommen wird auch, dass es einen Zusammenhang mit Corona gibt. Der Schulbetrieb war während dieser Zeit stark eingeschränkt, etwa durch Schließungen.
Der altbekannte Befund aus anderen Studien wird auch in dieser Untersuchung bestätigt: Kinder aus privilegierten Elternhäusern haben größere Chancen auf Bildungserfolg als andere Kinder. Im 20-Jahre-Trend zeige sich weder eine Verstärkung noch Reduzierung dieses Problems. Es habe sich im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit „praktisch nichts verändert“, so das Fazit der Wissenschaftler.
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