Die hohen Bau- und Energiekosten lassen Häuser mit besonders geringer Fläche attraktiver erscheinen. Für sogenannte Tiny Houses reicht eine Größenordnung um 15 bis 50 Quadratmeter.
„Jeder Quadratmeter Fläche kostet Geld. Und je kleiner, umso niedriger sind die Baukosten“, sagte eine Sprecherin des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes der Deutschen Presse-Agentur. „Das macht ein Tiny House für den ein oder anderen interessant.“ Noch ist der Markt in Deutschland überschaubar. Profitieren die Hersteller von den aktuellen Krisen?
Die Minihäuser, die wegen der geringen Größe auch entsprechend weniger Energie verbrauchen, lassen sich zum Wohnen, als Ferienhaus oder Büro nutzen. Zum Teil stehen sie auf vier Rädern und können dann sogar leicht den Standort wechseln. Der Geschäftsführer der Tiny House Manufaktur in Köln, Michael Heller, sagte, das Konzept werde attraktiver. Gerade vor dem Hintergrund der Energiekrise wachse das Bewusstsein für die Notwendigkeit, den Konsum zu reduzieren. Davon profitiere der Bereich Tiny Houses.
Auch die Kunden wandelten sich: „Mittlerweile sind wir in der Mitte der Gesellschaft angekommen, was das Alter betrifft, aber auch, was die sozialen Schichten angeht.“ Hellers Unternehmen ist 2016 gestartet und baut ein halbes Dutzend Tiny Houses pro Jahr. „Die letzten beiden waren für zwei ältere Frauen, eine über 70 die andere über 60, die sagt, ich will nicht mehr so eine große Fläche.“
Der finanzielle Aspekt sei für die Käufer ähnlich wichtig. Der Quadratmeterpreis sei bei den Tiny Houses zwar höher. Ein Gesamtpreis um 80.000 Euro für ein Tiny House mit 7,20 Meter Länge, 2,55 Meter Breite und 4 Meter Höhe sei natürlich trotzdem deutlich günstiger als eine 100-Quadratmeter-Wohnung in Köln für eine halbe Million, sagte Heller. „Wenn ich sie denn bekomme.“
In den USA gibt es Tiny Houses schon seit Jahrzehnten. Die globale Finanzkrise ab 2007 gab dem Trend einen Schub, weil viele Hausbesitzer ihr Darlehen nicht zurückzahlen konnten und sich zwangsverkleinern mussten. In Deutschland gibt es mittlerweile rund 70 Hersteller, schätzt Johannes Laible, Vorstandsmitglied des Tiny House Verbandes.
Smart House in Löhne in Westfalen baut seit 2008 Tiny Houses - inzwischen rund 60 pro Jahr. „Die Nachfrage nimmt auf jeden Fall zu“, teilte das Unternehmen mit, das seine 18 bis 50 Quadratmeter großen Minihäuser deutschlandweit und in die Benelux-Länder verkauft. Die Bauzeit liege bei vier bis fünf Monaten, der Preis für bezugsfertige Tiny Houses bei 2800 bis 3000 Euro pro Quadratmeter.
Aus Sicht des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes bleiben die winzigen Häuser allerdings ein Randphänomen: „Ich glaube, das ist ein Trend für eine sehr enge Zielgruppe“, sagte die Sprecherin. Offizielle Daten zur deutschlandweiten Zahl der Häuser im XS-Format gibt es nicht.
Die 2021 veröffentlichte „Tiny Houses Markstudie“ des Beratungsunternehmens Livee in Zusammenarbeit mit dem Tiny House Verband nennt für 2019 eine Zahl von gut 750 verkauften Minihäusern. Laut der Studie ist das Potenzial deutlich größer, nicht zuletzt wegen der wachsenden Zahl an Single-Haushalten in Deutschland, für die Wohnformen mit kleinerer Fläche attraktiv sein können.
Dennoch sieht auch die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Andrea Gebhard, keinen Boom der Winzighäuser kommen. „Der Trend zu Tiny Houses, die dauerhaft bewohnt werden, wächst auch in Deutschland und Europa, aber es dürfte eher ein Nischentrend bleiben“, sagte sie.
„Klein zu bauen, kann flächen- und ressourcenschonend sein, und an unserem hohen Komfortstandard zu schrauben, halte ich auch für eine gute Entwicklung.“ Aber das Prinzip Tiny Houses sei nicht auf große Teile der Gesellschaft übertragbar. „Unschlagbar für nachhaltige, kostengünstige und effiziente Bauweisen ist immer noch das klug geplante Mehrfamilienhaus mit einem gut gestalteten Wohnumfeld“, sagte Gebhard. „Tiny Houses werden unsere gesellschaftlichen Probleme wie Wohnraummangel und Kostensteigerung sicher nicht lösen.“
Und sie seien auch nicht automatisch günstig: „Ich kann nur dafür plädieren, auch die Realisierung kleiner Häuser gut zu planen“, sagte Gebhard. „Tiny House bedeutet nicht unbedingt auch tiny Kosten.“
Livee-Geschäftsführer Christian Brecht sieht großes Potenzial für kleine Wohnformen, hält die Vorstellung, die aktuellen Krisen beförderten den Trend zum Tiny House, aber für zu einfach. Der Experte weist darauf hin, dass erst kürzlich ein etablierter Hersteller von Minihäusern Insolvenz anmelden musste. Die hohen Bau- und Energiekosten machen auch deren Geschäft schwieriger. Michael Heller von der Tiny House Manufaktur sieht das ähnlich. Es sei zuletzt schon zweimal vorgekommen, dass Kunden bei der Bank dann doch keinen Kredit bekommen hätten und die Aufträge weggefallen seien.
Johannes Laible vom Tiny House Verband bestätigt, bei vielen potenziellen Bauherren herrsche Verunsicherung. „Das sind die gleichen Effekte wie im Wohnungsbau insgesamt.“ Bei den Tiny Houses komme noch hinzu, dass es häufig Probleme mit den Bebauungsplänen gebe. „Da fehlt es an Flexibilität“, kritisierte er. „Dabei gibt es in jeder Kommune Restgrundstücke, die man für Tiny Houses wunderbar nutzen könnte.“ In Großstädten könnte das nach Laibles Überzeugung eine Möglichkeit für sinnvolle Nachverdichtung sein. „Wenn wir da flexibler werden, dann steht wirklich ein Boom bevor.“
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